FDP-Antrag zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur debattiert
Die FDP findet im Bundestag mit der Forderung nach einer Föderalismuskommission von Bund und Ländern zur Reform der Sicherheitsarchitektur in Deutschland wenig Gegenliebe bei den anderen Fraktionen. Dies wurde am Freitag, 1. Februar 2019, in der ersten Plenardebatte über einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion (19/7424) deutlich. Während die Vorlage an die zuständigen Ausschüsse unter Federführung des Innenausschusses überwiesen wurde, lehnte das Parlament einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion „zum Schutz der Bevölkerung vor ausländischen Gefährdern“ (19/931) sowie einen AfD-Antrag zur Kompetenzverteilung im Bereich der Gefahrenabwehr (19/932) mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ab.
Die FDP-Fraktion plädiert in ihrer Vorlage für die Einsetzung einer gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat. Sie soll dem Antrag zufolge bis Ende 2020 Vorschläge zur Reform der föderalen Sicherheitsarchitektur erarbeiten „mit dem Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern im Sicherheitsbereich zu verbessern, die politischen Verantwortlichkeiten deutlicher zuzuordnen sowie die Zweckmäßigkeit und Effizienz der Aufgabenerfüllung zu steigern“.
FDP fordert Föderalismuskommission III
In der Debatte betonte Benjamin Strasser (FDP), bei der inneren Sicherheit seien zu oft zu viele zuständig, doch „wenn es drauf ankommt, keiner verantwortlich“. Der rechtsterroristische NSU sowie der Fall des Attentäters vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, zeigten, wo die Probleme im Sicherheitsbereich liegen. Auf der einen Seite habe man es mit „kleinsten, hochmobilen terroristischen Zellen“ zu tun, die sich über Bundesländergrenzen hinweg bewegen, während auf der anderen Seite 40 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern stünden, die diese Terroristen stoppen sollen.
Daher müsse man sich beispielsweise überlegen, ob man wirklich noch 16 Landesämter für Verfassungsschutz brauche. Zu fragen sei, ob sich mit weniger Behörden mehr Sicherheit organisieren lasse. Dazu wäre eine „Föderalismuskommission III“ das „richtige Mittel der Wahl“.
CDU/CSU: Den gordischen Knoten durchschlagen
Armin Schuster (CDU/CSU) sagte, 80 Prozent des FDP-Antrags seien „in Ordnung“. Im Ziel seien sich viele Sicherheitspolitiker im Lande bei dem Antrag einig, doch sei der Weg einer Kommission „ausgelatscht und bisher völlig unerfolgreich“. Schuster machte Union und SPD „dafür verantwortlich, dass sich einige Landesinnenminister aufführen, als wenn sie ein Fürstentum führen würden“. Mit der Ministerpräsidenten- und der Innenministerkonferenz habe man zwei Kommissionen, die den „gordischen Knoten“ durchschlagen müssten. Dort seien die im Lande regierenden Parteien alle zusammen.
„Wenn die Regierungen in diesem Land mit dieser bunten Farbenlehre nicht in der Lage sind, diesen Knoten zu durchschlagen, dann ist es eine Aufgabe für uns hier in diesem Parlament“, fügte der CDU-Parlamentarier hinzu. Dann müsse sich der Bundestag dem „Selbsttest“ aussetzen, ob er so konstruktiv die strittigen Fragen diskutieren könne, dass er zu einem Plan komme. Ein solcher Plan wäre „hoch notwendig“.
AfD sieht dringenden Handlungsbedarf
Martin Hess (AfD) bescheinigte dem FDP-Antrag, er beschreibe zutreffend die „massiven Probleme“ der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors. Zur Lösung dieser Sicherheitsprobleme habe man aber nicht mehr Zeit bis zum Jahr 2020. Die Terrorgefahr sei „so hoch wie nie vorher“, weshalb man jetzt sofort handeln müsse. Dabei müsse zuerst das „Hauptproblem“ gelöst werden, „das für die desaströsen Zustände im Bereich der inneren Sicherheit verantwortlich ist, und das sind unsere offenen Grenzen“. Solange dieser „Kardinalfehler“ in der deutschen Sicherheitspolitik nicht korrigiert werde, liefen alle Versuche ins Leere, die Sicherheitsbehörden besser aufzustellen.
„Grenzkontrollen bringen Sicherheit“, fügte der AfD-Abgeordnete hinzu. Zugleich warb er dafür, alle Gefährder entweder in ihre Heimat abzuschieben oder in Abschiebehaft zu nehmen. Wo dies nicht möglich sei, müsse ein „längerfristiger Gewahrsam zur Anwendung kommen“.
Sebastian Hartmann (SPD) warf der FDP vor, sie wolle mit dem Antrag davon ablenken, „dass dahinter ein nicht handlungsfähiger Staat steht“, für den sie die Verantwortung trage. Die FDP habe „mit der falschen Marktgläubigkeit, mit Steuersenkungsparolen selbst dafür gesorgt“, dass es „den Nachtwächter-Staat gibt“, der Polizisten nicht vernünftig bezahlt oder nicht eingestellt habe.
„Es waren Ihre Kürzungen in der Zeit von Schwarz-Gelb: Sie haben Polizeistellen eingespart“, fügte der SPD-Parlamentarier hinzu. Einen armen Staat könnten sich aber nur die Reichen leisten. Dagegen wisse die SPD, dass Sicherheit ein soziales Recht sei und Freiheit nur durch einen starken und handlungsfähigen Staat möglich sei. Es gehe nicht um eine Frage der Zuständigkeiten, sondern um die Frage der Leistungsfähigkeit des Staates.
Linke warnt vor Abbau von Grundrechten
Dr. André Hahn (Linke) mahnte, der Staat dürfe nicht den Anschein erwecken, dass es eine absolute Sicherheit vor terroristischen Anschlägen gebe. Er wandte sich zugleich gegen einen „immer weiteren Abbau von Grund- und Freiheitsrechten“ der Bürger. Dabei werde Die Linke nicht mitmachen, betonte Hahn.
Zugleich kritisierte er, dass es „ganz offensichtlich“ innerhalb der Sicherheitsbehörden und bei deren Zusammenarbeit untereinander „eklatante Abstimmungs- und Vollzugsdefizite“ gebe. Er zweifle aber daran, dass man deshalb eine neue Föderalismusreform brauche und neue, zentralisierte Sicherheitsstrukturen „wirklich helfen, dass unsere Polizeibehörden besser arbeiten“. Dazu benötige man vor allem eine „Reform der inneren Strukturen und der Kommunikationswege in der Polizei und mit ihren Partnern“.
Grüne beklagen Kompetenzchaos
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) nannte einige Punkte des FDP-Antrags „gut“, doch sei die Vorlage „leider etwas dünn“. Mehr inhaltliche Substanz hätte dem Antrag gut getan, fügte der Grünen-Abgeordnete hinzu. Er beklagte zugleich eine „Unverbindlichkeit und auch ein Kompetenzchaos“ im Bereich der Innenpolitik, die den Bedrohungslagen nicht gerecht würden und die Sicherheit gefährdeten. Dagegen müsse etwas unternommen werden.
Auch im Bereich der Nachrichtendienste und ihrer parlamentarischen Kontrolle sei der Reformbedarf „weiter extrem hoch“. Statt diese Probleme anzugehen, habe die Große Koalition in den vergangenen Jahren aber „Scheindiskussionen“ etwa über die Fußfessel oder die „Schimäre der sicheren Herkunftsstaaten“ geführt. Statt den „55 Kommissionen des Koalitionsvertrages“ noch eine weitere hinzuzufügen, müsse man „konkret hier im Parlament die Dinge umsetzen“. Diese Regelung führe dazu, dass eine effiziente Terrorbekämpfung unmöglich sei. Insofern bedürfe es einer „Zuständigkeit des Bundes für eine effiziente Terrorbekämpfung im Bereich des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts“.
Gesetzentwurf der AfD
Darüber hinaus lehnte der Bundestag gegen die Stimmen der Antragsteller einen Gesetzentwurf der AfD zum Schutz der Bevölkerung vor ausländischen Gefährdern (19/931) und einen Antrag der AfD zur Zuständigkeit des Bundes für die Abwehr von Gefahren (19/932) ab. Der Innenausschuss hatte dazu eine Beschlussempfehlung (19/2226) vorgelegt.
Dem Gesetzentwurf zufolge sollte nach dem Willen der AfD eine Meldepflicht für Ausländer eingeführt werden, gegen die entweder eine Ausweisungsverfügung oder eine Abschiebungsanordnung besteht. Zugleich sollte laut Vorlage die richterliche Anordnung einer Haft ermöglicht werden für den Fall, „dass die gesetzlichen Meldepflichten und das Verbot sozialer Kontakte und die Nutzung bestimmter Kommunikationsmittel oder -dienste“ unzureichend erscheinen. Diese Haft sollte bei weiter bestehender Gefährdung andauern, bis die Ausweisung vollzogen wurde.
Antrag der AfD
Auch sollte nach dem Willen der Fraktion während eines laufenden Asylverfahrens bei Ausländern, „von denen eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter ausgeht“, die Anordnung der Haft ermöglicht werden, „die solange andauert, wie die Gefahr besteht“. Ferner wollte die AfD der zuständigen Behörde die Möglichkeit eröffnen, „bereits im Falle des Vorliegens jedweder Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter“ eine räumliche Beschränkung anzuordnen.
In dem abgelehnten Antrag sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, „mit den Bundesländern in Verhandlungen über eine Neuverteilung der Kompetenzen im Bereich des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts zu treten“. In der Vorlage verweist die Fraktion darauf, dass die Länder gemäß Grundgesetz-Artikel 70 für die allgemeine Gefahrenabwehr zuständig seien. Damit fehle es dem Bund für diese Zwecke „ausdrücklich an einer Gesetzgebungskompetenz“. (sto/sas/01.02.2019)