Parlament

Frank Richter hält Plä­doyer für mehr Mut zur Kommunikation

Drei Personen stehen nebeneinander und lächeln.

Frank Richter, Eva Högl und Heinrich Oberreuter (© DBT/Melde)

Im Jahr 1989 hat Frank Richter als Vertreter von Bürgerrechtsgruppen die Kommunikation mit den SED-Oberen gesucht – und gefunden. 25 Jahre später hat er das Gespräch mit Pegida-Demonstranten gesucht – und gefunden. Der Dresdner Theologe, acht Jahre lang Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung, ist ein allseits anerkannter Moderator. Am Mittwoch, 13. Dezember 2017, war er der Referent einer von Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Oberreuter moderierten Veranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen mit dem Titel „Kommunikationsstörungen und Demokratiedefizite – Für eine Streitkultur des Verstehen-Wollens“. Die Vorsitzende der Vereinigung, die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Eva Högl, eröffnete das Forum.

Dabei machte Richter deutlich, dass er mit dem Gesprächsangebot an Pegida, für das er auch viel Schelte habe einstecken müssen, nichts Ungewöhnliches getan habe, sondern nur das, was in seiner Tätigkeitsbeschreibung als Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung gestanden habe. „Nämlich dafür zu sorgen, dass der politische Diskurs in der Gesellschaft offen und kontrovers geführt werden kann.“ Sein Engagement im Jahr 2014 sei auch nötig gewesen, weil andere, die sich von ihrer Profession her der Diskussion auch hätten stellen müssen, „es offenbar nicht getan haben“.

Politische Dialogverweigerung über Monate und Jahre

Nicht nur aber auch durch Pegida sei seinerzeit deutlich geworden, dass es eine „politische Dialogverweigerung“ über viele Monate und Jahre gegeben habe. „Ferndiagnosen“ wie etwa vom nordrhein-westfälischen Innenminister Ralf Jäger (SPD), der die Demonstranten in Dresden „Nazis in Nadelstreifen“ genannt habe, die Formulierung von Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), der von einer „Mischpoke“ gesprochen habe oder die „Schande für Deutschland“-Aussage von Justizminister Heiko Maas (SPD) hätten den „gefährlichen Hintermännern von Pegida“ in die Karten gespielt, sagte Richter. 

Auf dem Höhepunkt der Pegida-Bewegung seien es immerhin 25.000 Menschen gewesen, die schweigend durch Dresden gezogen seien und damit hätten deutlich machen wollen: Wir haben mit eurer Ordnung nichts mehr zu tun. Laut Richter gab es ein Zeitfenster zwischen November 2014 und Januar 2015, „in dem eine offene politische Kommunikation fast alles richtig hätte machen können“. Man hätte sich stellen und wahrnehmen müssen, „dass sich da offenbar etwas angestaut hat“. So hätte man die Menschen, „die in die falschen Hände geraten waren“, abholen können. Bedauerlicherweise sei aber alles falsch gemacht worden, was man habe falsch machen können – auch durch die Etikettierung der 25.000 Menschen als Nazis. 

Moderation in der Gemeinde Schneeberg

Richter erläuterte, wie er und sein Team Moderationsprozesse in der sächsischen Gemeinde Schneeberg angegangen sind, in der es 2013 der NPD gelang, mehrere Tausend Menschen zu Fackelmärschen gegen ein geplantes Asylbewerberheim auf die Straße zu bringen. In enger Absprache mit den kommunalpolitisch Verantwortlichen hätten sieben große Bürgerveranstaltungen im 14-Tage-Takt zu den verschiedensten Themen stattgefunden, sodass sich die anfangs von den Aufmärschen irritierte Stadtgesellschaft habe selbst finden und aus dem Verschweigen der Probleme herauskommen können.

Die schweigende Mehrheit müsse „in den Dialog gebracht werden“. Gleichzeit müssten jene, die „unsere Ordnung bekämpfen wollen identifiziert, isoliert und gesellschaftlich geächtet werden“, machte Richter deutlich.

Akzeptanz- und Aneignungsdefizite

Der Dresdner Theologe ging auch auf die Frage ein, warum es insbesondere in Ostdeutschland und da wieder vor allem in Sachsen „Akzeptanz- und Aneignungsdefizite der besten Ordnung, die Deutschland je hatte“, gebe. Die Gründe dafür seien vielfältig und in ihrer Summe zu sehen, so Richter. Ein Momentum sei aber auch die „Überschichtung der ostdeutschen Gesellschaft durch westdeutsche Eliten“.

Der Sachverhalt, dass 70 bis 80 Prozent der ersten, zweiten und dritten Chefetage in den wichtigsten gesellschaftlichen und politischen Bereichen im Osten Deutschlands durch Westdeutsche gestellt würden, könne nicht ohne Wirkung bleiben auf die Akzeptanz der Ordnung, sagte Richter, der abschließend noch ein eindeutiges Plädoyer für mehr Mut zur Kommunikation hielt. „Kommunikation kann schiefgehen“, sagte der ehemalige Leiter der Sächsischen Zentrale für politische Bildung und fügte hinzu: „Nichtkommunikation wird schiefgehen.“ (hau/14.12.2017)