Der Bundestag hat mehrere Anträge von CDU/CSU und SPD, der Linksfraktion sowie von FDP und Bündnis 90/Die Grünen zum Klimaschutz am Donnerstag, 29. November 2018, beraten. Im Anschluss wurden der Antrag der Grünen mit dem Titel „Wirksame Klimaschutzgesetze vorlegen – Maßnahmen und Regelungen für alle Sektoren“ (19/6103) und der Antrag der FDP mit dem Titel „Die 24. UN-Klimakonferenz für Weiterentwicklung marktbasierter Klimaschutzmechanismen nutzen“ (19/6053) an den federführenden Umweltausschuss überwiesen.
Grüne kritisieren Bundesregierung
Für die Grünen warf Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) der Bundesregierung vor, sie habe den Weg hin zur Klimakonferenz „sauber verstolpert“ und sich den gefundenen Kohlekompromiss „von drei Ministerpräsidenten zerschießen lassen“ – deshalb fahre sie mit „leeren Händen“ nach Polen, wo vom 3. bis 14. Dezember die Klimakonferenz der Vereinten Nationen stattfindet.
Die Bundesregierung habe das 2020-Ziel aufgegeben und habe im Klimaschutz „nahezu nichts anzubieten“.
Ministerin: Deutschland hat Vorreiterrolle
Dem widersprach Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Man fahre eben nicht mit leeren Händen, vielmehr nehme Deutschland eine „Vorreiterrolle“ ein. Es gehe in der polnischen Stadt Katowice (Kattowitz) darum, das „Kleingedruckte“ des Pariser Klimavertrags zu regeln. Man müsse die nationalen Beiträge zum Klimaschutz transparent und vergleichbar machen. Deutschland könne das Problem des Klimawandels zwar allein nicht lösen, das aber dürfe nicht Anlass sein, „die Hände in den Schoß zu legen“.
Die Bundesrepublik sei international der sechstgrößte Emittent von Treibhausgasen; die Industrieländer mit ihrem Wohlstand hätten der Welt die aktuellen „Probleme eingebrockt“. Daher sei es „das Mindeste“, den Schwellen- und Entwicklungsländern, die am stärksten unter den Klimafolgen litten, zu helfen. Es sei das richtige Signal, dass Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den deutschen Anteil am Green Climate Fund auf 1,5 Milliarden Euro verdoppelt habe.
Minister will die Trendwende
Müller sagte in der Debatte, dieser Schritt sei Teil eines Sieben-Punkte-Plans, den er in Kattowitz vorstellen wolle. Er sei froh, dass es gelungen sei, schon 70 Firmen, Verbände und Institutionen in einer Allianz zusammenzubringen, die sich zunächst „klimaneutral stellen“ wollten und dann in den Entwicklungsländern kompensieren und investieren wollten.
Der Klimaschutz werde in Indien, Afrika, den Schwellenländern, China und Brasilien entschieden, weil es darauf ankomme, unter welchen Vorzeichen das Wachstum – etwa der Anschluss an elektrische Energie – dort erfolge. In Kattowitz müsse es „eine Trendwende“ geben: Aktuell hielten sich nur 17 von 187 Staaten an ihre Zusagen des Pariser Abkommens.
CDU/CSU: Klimaschutz ist globale Aufgabe
Für die CDU/CSU betonte Dr. Anja Weisgerber, Deutschland werde dem Klimawandel nicht allein entgegenstehen können, dafür brauche es auch die anderen Staaten. In Katowice gehe es um „robuste Regeln“ für die Umsetzung des Pariser Abkommens.
Es sei dringend nötig, das Modell des Emissionshandels „auf die internationale Ebene zu exportieren“, man brauche global, mindestens aber unter den G20-Staaten, den führen Industrie- und Schwellenländern, ein System der Kohlendioxid-Bepreisung. In Deutschland müsse die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Markwirtschaft gemacht werden, dafür brauche es Anreize und Technologie-Offenheit.
SPD: Arbeit beginnt vor Ort
Die SPD-Abgeordnete Dr. Nina Scheer sagte in Richtung des Koalitionspartners, es gehe darum, die gemeinsamen Ziele umzusetzen und nicht immer wieder zu verzögern. Der Klimawandel sei zwar das „Armutsrisiko des 21. Jahrhunderts“, aber auch Chance für eine „Arbeit der Zukunft“.
Bisher sei es gelungen, im Rahmen der Energiewende 400.000 Jobs zu schaffen. Grundsätzlich beginne die Arbeit lokal: Das zu bestreiten sei „wirtschaftspolitischer Blödsinn“ und „geschichtsvergessen“.
FDP will mehr Marktwirtschaft
Für die FDP plädierte Frank Sitta dafür, bei der Verringerung des Kohlendioxidausstoßes auf marktwirtschaftliche statt planwirtschaftliche Instrumente zu setzen. Der deutsche Anteil am Kohlendioxidausstoß liege bei nur 2,37 Prozent – es gehe darum, den Ort zu finden, an dem Kohlendioxid am günstigsten eingespart werden könne. Grundsätzlich sollten Bürger und Unternehmen und nicht Bürokraten entscheiden, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden sollen.
Die Große Koalition aber habe sich für einen „planwirtschaftlichen Ansatz“ entschieden, indem sie „per staatlichem Dekret“ entschieden habe, die Braunkohleverstromung zu beenden. Die Menschen in Sachsen und Sachsen-Anhalt hätten bereits Erfahrungen mit dem Zusammenbruch eines Wirtschaftssystems, Nordrhein-Westfalen müsse diese Erfahrung nicht machen.
Linke: Klimaschutz ist Chance
Lorenz Gösta Beutin sagte für die Fraktion Die Linke, der Klimawandel könne auch zeigen, was möglich und machbar sei.
Es brauche eine sozial-ökologische Verkehrswende und ein Umdenken in Stadtplanung und Energiepolitik, dann könne der Klimaschutz etwa zu lebenswerteren Städten führen.
AfD gegen bisherige Klimapolitik
Gegen weitere Klimaschutzanstrengungen sprachen sich für die AfD Karsten Hilse und der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch aus. Hilse sagte, es gebe keinen Beleg für einen menschengemachten Klimawandel, daher müssten die unsinnigen Maßnahmen beendet werden.
Mieruch sprach von einer „Hysterie“, mit der über die Folgen des Klimawandels geredet werde.
Antrag der Koalitionsfraktionen
Angenommen hat der Bundestag den Antrag von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Klimakonferenz von Katowice – Pariser Klimaabkommen entschlossen umsetzen“ (19/6052). Dagegen stimmten AfD, Die Linke und Grüne bei Enthaltung der FDP. CDU/CSU und SPD fordern die Bundesregierung darin auf, sich dafür einzusetzen, dass die Umsetzungsregelungen und eine angemessene Verankerung aller drei Langfristziele des Übereinkommens von Paris auf der Klimakonferenz verabschiedet werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sollten weiterhin daran arbeiten, ihr Klimaziel für 2030 zu erreichen.
Darüber hinaus solle die Regierung den Weg der Treibhausgasreduktion weitergehen und darauf hinarbeiten, dass Deutschland sein Klimaziel 2020 so schnell wie möglich erreicht. Noch 2019 sollte ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, das die Einhaltung des Klimaschutzziels auf jeden Fall 2030 gewährleistet.
Klimakonferenz der Vereinten Nationen
Die Klimakonferenz der Vereinten Nationen vom 3. bis 14. Dezember 2018 ist eine weltweite Konferenz, bei der über die Klimapolitik verhandelt wird. In deren Rahmen treffen sich im polnischen Kattowitz zugleich die Parteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen zu ihrer 24. Konferenz (COP24, Conference of the Parties).
Darüber hinaus treffen sich zum 14. Mal die Parteien des Kyoto-Protokolls (CMP14) sowie die Vertreter der Signatarstaaten des Übereinkommens von Paris (CMA1). Erwartet werden rund 20.000 Menschen aus 190 Ländern, darunter Politiker, Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen sowie Repräsentanten von Wissenschaft und Wirtschaft.
Anträge der FDP und Grünen überwiesen
Federführend im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit beraten wird ein Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „COP24 für Weiterentwicklung marktbasierter Klimaschutzmechanismen nutzen“ (19/6053). Danach soll sich die Bundesregierung in Kattowitz dafür einsetzen, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit der Vertagsstaaten bei der Umsetzung ihrer Klimaschutzziele geschaffen wird. Die Anreize zu internationaler Klimaschutzkooperation sollten nicht durch „übermäßige Anforderungen und bürokratische Hürden“ erschwert werden. Zudem solle sich die Regierung für einen grenzüberschreitenden Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten engagieren und die internationale Anerkennung von Zertifikaten unterschiedlicher Emissionshandelssysteme unterstützen.
Ebenfalls federführend im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit beraten wird der Antrag der Grünen (19/6103), in dem die Fraktion von der Bundesregierung fordert, ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen und Maßnahmen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Finanzen vorzulegen. Als Zwischenziele werden bis 2030 eine Treibhausgaseinsparung von 55 Prozent und bis 2050 von mindestens 95 Prozent genannt.
Antrag der Linken und der Grünen
Abgelehnt in direkter Abstimmung wurde mit den Stimmen der übrigen Fraktionen ein gemeinsamer Antrag von Grünen- und Linksfraktion mit dem Titel „UN-Klimakonferenz in Katowice 2018 – Pariser Klimaabkommen international unterstützen und in Deutschland umsetzen“ (19/6104). Die beiden Fraktionen forderten unter anderem, die internationale Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar jährlich ab 2020 als zentrales Instrument auszubauen und damit besonders betroffene Regionen zu unterstützen.
Die von der Klimakrise am härtesten getroffenen Staaten sollten bei Schäden und Verlusten unterstützt werden. Auch sollten Klimarisikoversicherungen arme und verwundbare Bevölkerungsgruppen und Staaten einschließen, ohne finanzielle Risiken einseitig auf sie abzuwälzen.
Linke: Älteste Braunkohlekraftwerke vom Netz nehmen
Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der Fraktion Die Linke (19/830), in dem die unverzügliche Abschaltung der 20 ältesten Braunkohlekraftwerke gefordert wird. Dagegen stimmten CDU/CSU, SPD, AfD und FDP, unterstützt wurde der Antrag von den Grünen. Grundlage war eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (19/1897).
Die Linke hatte in ihrem Braunkohle-Antrag die Bundesregierung aufgefordert, an den Klimazielen für 2020 festzuhalten und entsprechende Gesetze auf den Weg zu bringen. Nach Auffassung der Abgeordneten muss ein Kohleausstiegs-Rahmengesetz einen Abschaltplan für Kohlekraftwerke enthalten. Bis spätestens 2035 sollten damit planmäßig alle Kohlekraftwerke abgeschaltet sein. Die 20 ältesten Braunkohlekraftwerke sollten spätestens zum 31. Dezember 2020 vom Netz gehen. Die Folgen für die betroffenen Beschäftigten und Regionen wollten die Parlamentarier mit einem Fonds abfedern, in den der Bund jährlich mindestens 400 Millionen Euro speist.
Gesetz soll Treibhausgasminderungen vorschreiben
Abgelehnt wurde mit der Mehrheit des Bundestages bei Enthaltung der Grünen ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Klimagerechtigkeit global stärken – Energiewende und Kohleausstieg sozial gestalten“ (19/6058). Nach dem Wunsch der Linksfraktion sollte künftig ein Klimaschutzgesetz detailliert jährliche Treibhausgasminderungen vorschreiben und der Prozess laufend evaluiert werden. Zugleich sollte sich per Gesetz der Ökostromanteil am Stromgesamtverbrauch erhöhen.
Bislang bekenne sich die Große Koalition zwar vordergründig zu den für die nächsten Jahrzehnte gesetzten Klimazielen, gebe aber die nationale Zielmarke für 2020 auf, schreiben die Abgeordneten zu Begründung. Darüber hinaus halte sie an alten Kohlekraftwerken fest „wie eine Raucherin an der letzten Kippe“. Jedes verschleppte Jahr bedeute dabei einen für die Betroffenen schmerzhafteren Abschaltplan.
AfD will „faktenbasierte Klima- und Energiepolitik“
Ebenfalls keine Mehrheit gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen fand ein AfD-Antrag (19/2998), der eine „faktenbasierte Klima- und Energiepolitik“ und die Aufgabe der energie- und Klimaschutz-Zwischenziele 2030 des Energiekonzeptes 2010 verlangt hat. Die Regierung sollte deshalb ihre Klimaschutzpolitik vollständig revidieren.
Zur Begründung heißt es, dass die bisherigen Energie- und Klimaschutzziele weit verfehlt worden seien. Dennoch sei Deutschland einer der Hauptfinanziers der weltweiten Klimaschutzanstrengungen. Grundlage für die Entscheidung war eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses (19/6133). (suk/hau/29.11.2018)