Regierung will Jobchancen Langzeitarbeitsloser erhöhen
Die Bundesregierung will Langzeitarbeitslosen durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt den Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglichen. Das ist das Ziel eines Gesetzentwurfes (19/4725), mit dem verschiedene Unterstützungs- und Betreuungsangebote für langzeitarbeitslose Menschen auf den Weg gebracht werden sollen. Am Donnerstag, 11. Oktober 2018, debattierte der Bundestag in erster Lesung über den Entwurf. Nach einstündiger Debatte wurde der Entwurf zur weiteren Beratung an die mitberatenden Ausschüsse unter Federführung des Ausschusses für Arbeit und Soziales überwiesen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Er sieht zum einen vor, für „sehr arbeitsmarktferne“ Personen, die in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben Jahre Arbeitslosengeld II (ALG II) bezogen haben, ein neues Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ in das SGB II (Zweites Buch Sozialgesetzbuch) einzuführen. Das beinhaltet einen Lohnkostenzuschuss von 100 Prozent zum Mindestlohn in den ersten beiden Jahren. In jedem weiteren Jahr wird dieser Zuschuss um 10 Prozentpunkte gekürzt. Ferner ist ein begleitendes Coaching für Beschäftigte und Arbeitgeber vorgesehen. Die Förderdauer soll maximal fünf Jahre betragen.
Das zweite, neu gefasste, Instrument im SGB II mit dem Titel „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ soll eine Rechtsgrundlage für einen neuen Lohnkostenzuschuss schaffen. Es richtet sich an ALG-II-Bezieher, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Gefördert werden soll auch hier sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, für die es im ersten Jahr einen Lohnkostenzuschuss in Höhe von 75 Prozent und im zweiten Jahr mit der Hälfte des gezahlten Lohnes geben soll. Es soll ferner eine Nachbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers von sechs Monaten nach Ende der Förderung, ein begleitendes Coaching und Qualifizierungsmaßnahmen geben.
Minister: Es hängt von den Arbeitsplätze in Firmen ab
Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD) betonte, es gehe nicht um kurzatmige Maßnahmen oder Arbeitsgelegenheiten, sondern um „richtige“ Arbeit für Kommunen oder Unternehmen.
Die Frage werde sein, ob man genügend Arbeitsplätze in Firmen bekommen werde, die Tariflöhne oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns zahlen, da die Zuschüsse nur bis zur Mindestlohngrenze gezahlt würden, sagte Heil.
AfD bezweifelt Nutzen des Förderprogrammes
René Springer (AfD) zählte all jene Programme auf, mit denen vergangene Bundesregierungen versucht haben, die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren und stellte ihnen verheerende Zeugnisse aus: „Keines brachte einen Nutzen, alle verbrannten nur Steuergelder.“
Er habe nicht den Eindruck, dass der Minister die zahlreichen Erfahrungsberichte zu diesen Programmen gelesen habe. Denn das neue Programm sei nun noch größer und teurer und kreiere nur Förderkarrieren, sagte Springer.
CDU/CSU: Gesetz eröffnet eine Chance zur Teilhabe
Hermann Gröhe (CDU/CSU) betonte, es sei ein zentrales Ziel der Bundesregierung, dass die gute wirtschaftliche Entwicklung nun auch bei jenen ankomme, die bisher nicht von ihr profitiert hätten.
Zwar sei die Zahl der Langzeitarbeitslosen gesunken, es gebe aber einen „verfestigten Kern“, dem das neue Gesetz eine Chance zur Teilhabe geben möchte. Er hob insbesondere das begleitende Coaching hervor, das die Chance biete, Menschen ganz individuell zu unterstützen.
FDP: Gesetzentwurf zielt nur auf Effekte, statt auf Erfolge ab
Pascal Kober (FDP) unterstellte dem Gesetzentwurf, mehr auf Effekte als auf nachhaltige Erfolge aus zu sein: „Es geht Ihnen wohl eher um eine rasche Beschönigung der Arbeitslosenstatistik“, ein Effekt, der wohl auch schnell eintreten werden, vermutete Kober. Aber fünf Jahre gewährte Teilnahme sei etwas anders, als Menschen dauerhaft zu selbstbestimmter Teilhabe am Arbeitsleben zu befähigen.
Kober kritisierte deshalb, dass eine parallele berufliche Qualifizierung in dem Gesetz fehle. Auch wäre es nachhaltiger gewesen, endlich die Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket zu erhöhen, damit weniger Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen, kritisierte er.
Linke: Menschen vor Sanktionsdrohungen schützen
Katja Kipping (Die Linke) stellte fest: „Was uns da heute unter dem Titel Teilhabechancengesetz präsentiert wird, hat mit garantierter Teilhabe nichts zu tun. Es bleibt beim gezielt kleingerechneten Existenzminimum, es bleibt bei Hartz IV als Ausdruck sozialer Kälte.“
Sie kritisierte unter anderem die fehlende Freiwilligkeit. Wer ein Angebot ablehne, müsse auch nach diesem Gesetzentwurf mit Sanktionen rechnen. „Schützen Sie die Menschen vor Sanktionsdrohungen“, forderte sie stattdessen von der Bundesregierung.
Grüne fordern inklusiven Arbeitsmarkt für alle
Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: „Wir brauchen einen Perspektivwechsel weg von einem ersten, zweiten oder dritten Arbeitsmarkt hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt für alle.“ In dieser Hinsicht sei der Gesetzentwurf jedoch enttäuschend, denn seine Bedingungen stünden der Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes im Wege.
Sie kritisierte unter anderem die Sieben-Jahres-Regel als zu starr, denn Menschen seien unterschiedlich und bräuchten einen unterschiedlich schnellen Zugang zum sozialen Arbeitsmarkt, sagte die Grüne.
SPD: Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren
Katja Mast (SPD) wies die Kritik der Oppositionsfraktionen zurück: „Wir machen keine neuen Projekte und Maßnahmen, sondern wir schaffen endlich ein Gesetz für langzeitarbeitslose Menschen. Wir ermöglichen echte Arbeitsverträge.“
Dies sei ein echter Paradigmenwechsel, weil nun Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert werde, so Mast. (che/11.10.2018)