Opposition attackiert Regierung im Kontext der Cum-Ex-Geschäfte
Mehr Personal bei den deutschen Finanzbehörden und ein „europäisches Finanz-FBI“ gegen Steuertricksereien hat der Abgeordnete Fabio de Masi (Die Linke) am Mittwoch, 7. November 2018 im Bundestag gefordert. Das Parlament befasste sich auf Verlangen seiner Fraktion in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema „Verhalten der Bundesregierung bei der Information europäischer Partner über Cum-Ex-Gestaltungen“. Es geht dabei um Aktien mit („Cum“) und ohne („Ex“) Dividendenansprüche, die derart rasant die Besitzer über Staatsgrenzen hinweg wechselten, dass der Fiskus in diesem Verwirrspiel teils mehrfach die Kapitalertragsteuer rückerstattete.
Linke: Womöglich Schaden von 31,8 Milliarden Euro
De Masi sprach von einem „Krimi über die Finanzmafia und das Versagen deutscher Finanzminister“. Europaweit seien „bis zu 55 Milliarden Euro ergaunert worden“. Deutschland sei womöglich ein Schaden von 31, 8 Milliarden Euro entstanden.
Mit dieser Summe könne jeder Schule bis zu einer Million Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung habe zehn Jahre verstreichen lassen, bis sie die Gesetzesschlupflöcher gestopft habe.
CDU/CSU: Schaden von 5,7 Milliarden Euro bekannt
Fritz Güntzler (CDU/CSU) meinte, die Debatte kreise um „nichts Neues“. Die Thematik sei in der letzten Legislaturperiode im entsprechenden Untersuchungsausschuss „sehr ausführlich diskutiert“ worden. Er nannte es „mutig, wie hier mit Zahlen umgegangen wird“.
Einen Nachweis für die aktuell genannten sehr hohen Summen gebe es nicht. Er kenne die richtigen Zahlen auch nicht, meinte Güntzler. Bekannt seien für Deutschland 84 Verdachtsfälle mit einem Schaden von 5,7 Milliarden Euro, wovon 2,4 Milliarden wieder eingefordert worden seien.
AfD fordert Ministeriumsstellen für Nachforschungen
Stefan Keuter (AfD) meinte, Schuld an der Ausplünderung der deutschen Steuerzahler seit 2002 sei nicht nur der Betrüger, sondern „auch derjenige, der den Betrug zulässt“, also die Bundesregierung und besonders der Finanzminister. Schwächen der Gesetze seien „zügig abzustellen“.
Der „eigentliche Skandal“ ist nach Keuters Ansicht, dass dies zehn Jahre gedauert habe. „Bedarf es immer erst investigativer Journalisten?“, fragte er. Im Finanzministerium müssten Stellen für solche Nachforschungen geschaffen werden. Von der EU sei „nicht viel zu erwarten“.
SPD: An einigen Stellen zu wenig Regulierung
Lothar Binding (SPD) verwies auf dauernde Klagen über zu viel Regulierung und Überbürokratisierung. Dabei gebe es „an einigen Stellen viel zu wenig“. Es sei „scheinbar alles erlaubt, was nicht verboten ist“, meinte er Blick auf die Cum-Ex-Thematik – und nannte dies moralisch verwerflich.
Pauschalkritik an Steuerberatern, wie ihm vorgeworfen worden sei, betreibe er keineswegs: „Die Ehrlichen sind nicht gemeint.“ Bindig wandte sich gegen eine „Dauerskandalisierung“. Seit 2012 seien die Fälle „in Deutschland ausgemerzt“. Wer etwas anderes behaupte, solle „Ross und Reiter nennen“.
FDP: Womöglich höherer Schaden als bekannt
Markus Herbrand (FDP) lenkte den Blick auf durchaus „Neues“ im Cum-Ex-Komplex – nämlich dass womöglich „ein weitaus höherer Schaden als bisher bekannt“ entstanden sei. „Die ehrlichen Steuerzahler wähnen sich im falschen Märchen“, befand er. Das führe auch zu einem Vertrauensverlust in die Politik.
Der Steuerzahler habe das „Recht zu erfahren, ob wir als Gesetzgeber noch durchblicken“. Die Bundesregierung könne „bis heute nicht ausschließen, ob diese Geschäfte tatsächlich noch laufen“, meinte Herbrand.
Grüne: Interessen der Bürger vertreten
Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) ging auf die Rolle von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) ein, der offenbar „einen der Hauptangeklagten“ in einem Cum-Ex-Verfahren vertrete. Es könne zwar „für Anwälte nicht ehrenrührig sein, Kriminelle zu vertreten“. Doch als Politiker müsse Kubicki auch die „Interessen der Bürger“ vertreten: „Man kann nicht beiden Seiten dienen.“
Schick hob auch auf die Razzia beim Vermögensverwalter Blackrock ab, dessen Aufsichtsratsvorsitzender in Deutschland der CDU-Vorsitzendenkandidat Friedrich Merz ist. Er hätte die möglichen Vorkommnisse untersuchen und nicht auf die Staatsanwaltschaft warten sollen. (fla/07.11.2018)