Grundgesetzänderung soll mehr Investitionen in Bildung ermöglichen
Der Bundestag hat am Freitag, 28. September 2018, in erster Lesung von der Bundesregierung vorgeschlagene Grundgesetzänderungen (19/3440) der Grundgesetzartikel 104c, 104d, 125c und 143e zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur und beim Bau von neuem bezahlbaren Wohnraum debattiert. Damit wollen Union und SPD unter anderem Investitionen des Bundes in Bildungsinfrastrukturen erleichtern, die Beteiligung des Bundes am Sozialen Wohnungsbau über 2020 hinaus sichern und die Mittel für die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs erhöhen.
Die Vorschläge fanden grundsätzlich Zustimmung bei den Oppositionsfraktionen FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke. Insbesondere im Bereich der Bildung – Stichwort: Kooperationsverbot – forderten FDP und Grüne sowie die Linke weitergehende Änderungen. Für die Grundgesetzänderungen ist die Koalition auf Unterstützung eines Teils der Opposition angewiesen. Die AfD-Fraktion sprach sich gegen die Änderungen im Grundgesetz aus. Anträge von Grünen und FDP (19/4556) sowie der AfD (19/4543) wurden mit dem Gesetzentwurf zusammen zur federführenden Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.
Minister: Zusammenhalt von Bund, Ländern und Kommunen sichern
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) warb für die Vorschläge der Bundesregierung. Er sah darin einen Weg, das Zusammenhalten von Bund, Ländern und Kommune sicherzustellen. Die Finanzverfassung, die Gegenstand der Änderungen ist, dürfe zwar nicht ununterbrochen geändert werden. Für die drei wesentlichen Änderungen des Gesetzentwurfes sprächen aber gute Gründe, sagte der Minister. So sei es unverändert notwendig, preiswerte Wohnungen zu bauen. Doch die Zahl der Sozialwohnungen sinke, es müsse daher eine „Wende“ eingeleitet werden. Auch in Bildungsinfrastrukturen müsse der Bund stärker investieren, um im Sinne der gleichwertigen Lebensverhältnisse überall in Deutschland „erstklassige Bildungsangebote zur Verfügung zu stellen“, sagte Scholz. Es gehe dabei nicht um die Veränderung der föderalen Zuständigkeiten, sondern um Unterstützung.
Ähnlich argumentierte Scholz mit Bezug auf die Unterstützung der Kommunen und Städte beim Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Keiner käme auf die Ideen, dass Länder und Kommunen die finanziellen Lasten bei Autobahnen stemmen sollten. Beim ÖPNV sei die Förderung durch den Bund aber nur begrenzt möglich. „Das war nie richtig“, sagte Scholz. Mit der entsprechenden Änderung solle es dem Bund ermöglicht werden, die Förderung von 333 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro anzuheben und dynamisch gestalten zu können.
AfD pocht auf Verantwortungsteilung
Die Vorschläge der Bundesregierung lehnte Dr. Götz Frömming (AfD) für seine Fraktion rundum ab. „Die Wahrung der föderalen Strukturen unseres Staates ist ein hohes Gut“, sagte der AfD-Abgeordnete. Zwischen Bund und Ländern gebe es eine klare Verantwortungsteilung, sie sollten sich als „Partner auf Augenhöhe“ begegnen. Der Bund wolle sich aber Mitspracherechte in den Ländern „erkaufen“. Die Länder würden sich so „Stück für Stück an die Zügel des Bundes legen lassen“, wobei es sich um „vergoldete Zügel“ handle, kritisierte Frömming mit Verweis auf die vom Bund in Aussicht gestellten Milliardensummen. Der „verfassungsrechtlicher Makel“ des Entwurfes werde auch nicht dadurch besser, wenn die erstreben Kontrollrechte für einen „guten Zweck“ ausgeübt werden sollen.
Den gemeinsamen Antrag von Grünen und FDP lehne seine Fraktion noch stärker ab als die Vorschläge der Bundesregierung, sagte Frömming. Darin mische sich linke Bildungspolitik und neoliberales Denken, kritisierte der AfD-Abgeordnete.
CDU/CSU wirbt für Kontrollrechte des Bundes
Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) unterstrich wie auch der Finanzminister, dass sowohl beim sozialen Wohnungsbau als auch bei der Bildung die Verantwortung bei den Ländern verbleibe. „Das ist auch gut und richtig so“, sagte der Christdemokrat. Rehberg warb für die Kontrollrechte des Bundes und die Vorgabe der Zusätzlichkeit bei der Mittelvergabe: „Vertrauen ist gut, aber gelegentlich ist die ein oder andere Stellschraube notwendig.“
Es müsse sichergestellt werden, dass das Geld auch tatsächlich für Wohnungsbau oder Bildungsinfrastrukturen genutzt und nicht von den Ländern zweckentfremdet werde. Es könne nicht sein, dass der Bund massiv Geld in Hand nehme und vor Ort komme nichts an. Das sei auch eine Demokratiefrage, sagte Rehberg.
FDP: Bildung ist wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe
Christian Lindner (FDP) warb für den mit den Grünen gemeinsam eingebrachten Antrag: „Bildung ist die wichtigste gesellschaftspolitische Aufgabe.“ Der Bund dürfe Länder und Kommunen damit nicht allein lassen. Grüne und Liberale wollten daher das Kooperationsverbot auf den Prüfstand stellen. Die Große Koalition wolle hingegen nur einen kleinen Beitrag leisten, der zu klein sei, um einen „wirklichen Unterschied zu machen“, kritisierte der FDP-Fraktionsvorsitzende.
Zudem sei Bildung nicht nur eine Frage von digitaler Ausstattung wie Tablets oder Whiteboards beziehungsweise der Qualität von Gebäuden, sondern eine der Beziehung zwischen Menschen. Deswegen müsse auch in Köpfe investiert werden können. Kritisch merkte Lindner zudem an, dass im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus eine unbegrenzte Förderung vorgesehen sei, im Bildungsbereich aber eine degressive und zeitlich befristete Mittelvergabe vorgeschrieben werde. An den Plänen der Bundesregierung zum Sozialen Wohnungsbau habe seine Fraktion zudem Zweifel. Die Subjektförderung über das Wohngeld sei zielführender und besser, sagte Lindner.
Linke: Kultur und Sport als Staatsziel verankern
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) stellte der Bundesregierung die Unterstützung ihrer Fraktion in Aussicht. Die Koalition müsse dafür aber „radikal mit dem Kooperationsverbot brechen“. Dass 2006 von Union und SPD beschlossene Kooperationsverbot sei ein „schwerer Fehler“ gewesen und müsse vollständig korrigiert werden, forderte die Haushaltspolitikerin.
Viele Schulen seien inzwischen in einem „erbärmlichen Zustand“ und der Bund müsse Sonderprogramme erfinden, um die gesetzlichen Beschränkungen zu umgehen. Lötzsch forderte, im Grundgesetz eine Gemeinschaftsaufgabe für Bildung und ländliche Entwicklung einzuführen sowie Kultur und Sport als Staatsziel zu verankern.
Grüne: Kooperationsmöglichkeiten schaffen
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) unterstrich ebenfalls, dass es ein Fehler gewesen sei, Kooperationsmöglichkeiten im Bildungsbereich abzuschaffen. „Es haben nicht alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Chancen“, kritisierte die Grünen-Fraktionsvorsitzende, „das müssen wir ändern.“ Sie forderte, die Beteiligung des Bundes in diesem Bereich „auf Dauer zu stellen“. Dazu gehöre auch, dass sich Bund und Länder bei der Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals zusammentun könnten.
Die aktuelle Rechtslage sah Göring-Eckardt entsprechend kritisch. Es sei absurd, dass der Bund zwar die energetische Sanierung an Schulen unterstützen dürfe, aber nicht die der Toiletten. „Wir haben genug Geld in der Staatskasse, aber die Klassenkassen sind leer“, sagte die Grünen-Politikerin.
SPD: Mehr für Schüler und bezahlbares Wohnen tun
Johannes Kahrs (SPD) warb – mit Ausnahme der AfD - bei der Opposition um Unterstützung. Man müsse sich „im Interesse von allen zusammenraufen“. Die Koalition habe Ländern, Kommunen und Opposition ein Angebot unterbreitet, um mehr für Schüler und mehr für bezahlbares Wohnen zu tun. Dafür müssten die Grundlagen geschaffen werden.
Die Kritik der AfD wies Kahrs zurück, sie betreibe vielmehr selbst Spaltung. Es gehe in diesen Fragen nicht um „Berlin gegen die Länder“, sagte der SPD-Haushälter, „es geht um Schüler, es geht um Bildung, es geht ums Wohnen.“
Änderung des Grundgesetzes notwendig
Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sollen bestehende Vorschriften des Grundgesetzes, die eine Mitfinanzierung des Bundes behindern oder sogar ausschließen, geändert werden. So ist geplant, die Beschränkung der Finanzhilfekompetenz des Bundes zur Mitfinanzierung von Investitionen auf finanzschwache Kommunen aufzuheben. In Artikel 104c soll die Möglichkeit des Bundes erweitert werden, Länder und Kommunen bei ihren Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen zu unterstützen.
Zweckgebundene Finanzhilfen des Bundes
Durch Aufnahme eines zusätzlichen Artikels 104d in das Grundgesetz soll dem Bund die Möglichkeit gegeben werden, den Ländern zweckgebundene Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Länder und Kommunen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zu gewähren.
Eine dritte Grundgesetzänderung betrifft den Artikel 125c. Dadurch soll die Möglichkeit einer sofortigen Erhöhung und Dynamisierung der Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz geschaffen werden. Damit könnten Bundesprogramme zu Schienenwegen aufgehoben, geändert oder neu aufgelegt werden. In Artikel 143e soll drüber hinaus eine Öffnungsklausel im Bereich der Bundesfernstraßenverwaltung hinsichtlich Planfeststellung und Plangenehmigung ergänzt werden.
Antrag der AfD
Die AfD fordert in ihrem Antrag, das Gesetzgebungsverfahren zu Artikel 104c einzustellen. Die geplante Änderung würde die Grenzen der Länderhoheit in nicht vertretbarem Umfang verschieben. Sie würde dazu führen, so die Fraktion, dass der Bund den Ländern und Gemeinden unabhängig von deren Finanzkraft Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren dürfte.
Darüber hinaus solle die Regierung Vorschläge vorlegen für eine stärkere Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Spitzenforschung und bei der Exzellenzinitiative für Hochschulen. Ferner solle die Regierung vorschlagen, wie dem Bund die Möglichkeit gegeben werden kann, auf Grundlage von Vereinbarungen mit den Ländern in die Personalgewinnung und Personalentwicklung in Bildungseinrichtungen zu investieren. (scr/hle/sas/26.09.2018)