Der Bundestag hat am Freitag, 19. Oktober 2018, über das Menschenrecht auf Religionsfreiheit debattiert und über die Anträge von CDU/CSU und SPD mit dem Titel „Menschenrecht auf Religionsfreiheit weltweit stärken“ (19/5041), von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Einsatz für Religions- und Weltanschauungsfreiheit weltweit verstärken“ (19/4559) und der AfD-Fraktion mit dem Titel „Christenverfolgung stoppen und sanktionieren“ (19/1698) jeweils namentlich abgestimmt. Dem Antrag der Koalitionsfraktionen stimmten 331 Abgeordnete zu, 81 stimmten dagegen, es gab 187 Enthaltungen. Den Antrag der Grünen unterstützten 59 Abgeordnete, 408 sprachen sich dagegen aus, 129 enthielten sich. 519 Abgeordnete lehnten den AfD-Antrag ab, 80 befürworteten ihn, es gab keine Enthaltungen. Zum AfD-Antrag hatte der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine Beschlussempfehlung (19/5115) vorgelegt.
Antrag von CDU/CSU und SPD
CDU/CSU und SPD hatten die Bundesregierung aufgefordert, Geltung und Abgrenzung des Menschenrechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit in Deutschland gegen jegliche Art von Extremismus durch geeignete Mittel zu wahren. Fördern solle die Regierung den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Zudem solle das Menschenrecht auf Religionsfreiheit bei allen Maßnahmen zur Minderung von Fluchtursachen einbezogen werden. Darüber hinaus solle auf Staaten hingewirkt werden, den Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte zeitnah zu zeichnen und zu ratifizieren.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion hatte die Bundesregierung aufgefordert, jährlich einen Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu erstellen, der insbesondere auf die Lage der christlichen Minderheiten eingehen soll.
Außerdem sollten in Bezug auf Staaten, in denen Christen diskriminiert und verfolgt würden, Entwicklungsmittel gekürzt, Finanztransaktionen eingeschränkt, die politische Führung sanktioniert und Flüchtlingskontingente für verfolgte Christen eingeführt werden.
Antrag der Grünen
Zu den Forderungen der Grünen gehörte unter anderem, bei der Berichterstattung zur Religions- und Weltanschauungsfreiheit neben der weltweiten Lage auch die Situation im Inland systematisch zu berücksichtigen.
Außerdem soll die Bundesregierung ein Konzept entwickeln und vorlegen, „wie in Deutschland jede Form von gruppenbezogener Menschen- oder Minderheitenfeindlichkeit, und somit auch Diskriminierungen und Straftaten aufgrund religiöser beziehungsweise religions- oder glaubensfeindlicher Motivation besser erfasst, geahndet und in Zukunft besser verhindert werden“ können.
SPD: Religiöse Gruppen nicht gegeneinander ausspielen
Aydan Özoğuz (SPD) betonte in der Debatte, dass das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht Religionen schütze, sondern das Individuum in seiner Freiheit, eine Religion wählen zu können. Wer glaubwürdig für dieses Grundrecht eintreten wolle, der dürfe religiöse Gruppen nicht gegeneinander ausspielen.
Özoğuz wandte sich gegen eine verbreitete „bedauerliche Logik“, die Verfolgung religiöser Minderheit in muslimischen Ländern zum Anlass zu nehmen, um Grundrechte hierzulande beschneiden zu wollen: „Die Religionsfreiheit bei uns einzuschränken, weil andere das tun, das ist doch Irrsinn!“
AfD: Laue Christen sind halbe Heiden
Jürgen Braun (AfD) kritisierte, dass die Debatte über den Antrag seiner Fraktion mehrfach wegen „Klärungsbedarf“ innerhalb der Koalition verschoben worden sei. So etwas tue man nicht, wenn es „um gekreuzigte Christen in Syrien“ und verfolgte Kopten in Ägypten gehe. Der Antrag der Koalition ergehe sich in Allgemeinplätzen und verkenne, dass der Islam als „religiöse Ideologie“ weltweite Verfolgung betreibe. „Das schließt nicht aus, dass auch Moslems Opfer islamischer Verfolgung sind.“
Braun warf insbesondere der Union vor, in der Frage Christenverfolgung zu „gefällig“ und „lau“ zu sein: „Laue Christen sind halbe Heiden. Ein Antrag, der für alle und jeden passt, ist lau.“
CDU/CSU: Elend der Schutzlosen nicht missbrauchen
Michael Brand (CDU/CSU) entgegnete, dass das christliche Menschenbild bedeute, der Nächstenliebe und damit allen Menschen verbunden zu sein. Kein wahrhaft Gläubiger würde die Verfolgung von Christen für eine „billige innenpolitische Münze“ nutzen.
„Wer mit der Absicht zu spalten das Elend der Schutzlosen missbraucht, der trifft auf unseren Widerstand.“ Brand zitierte den Bamberger Erzbischof Ludwig Schick: „Unser Einsatz für die Christen ist exemplarisch, aber nicht exklusiv.“
FDP: Zu viele Allgemeinplätze im Koalitionsvertrag
Dr. Stefan Ruppert (FDP) ging mit der AfD ins Gericht mit einem Johannes-Zitat: „Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Nächsten, der ist ein Lügner.“ Es sei zu beklagen, dass Respekt vor Religiosität hierzulande abnehme.
„Das heißt nicht, dass es im Namen der Religion irgendeinen Rabatt“ auf Vorgaben der Verfassung und der Gesetze gebe. Rupert bemängelte, dass der Koalitionsantrag zu viele Allgemeinplätze aufzähle und etwas „abgeschliffen im Dialog von Union und SPD“ wirke.
Linke: Es gibt keine Hierarchie der Unterdrückung
Christine Buchholz (Die Linke) nannte die AfD, die das universelle Menschenrecht auf Religionsfreiheit „mit den Füßen trete“ und Muslimen das Recht auf Religionsfreiheit abspreche, eine „schlechte Anwältin“ für verfolgte Christen.
Es könne nicht darum gehen, religiöse Gruppen gegeneinander aufzurechnen. „Es gibt keine Hierarchie der Unterdrückung. Jede Unterdrückung muss bekämpft werden.“
Grüne: Lieber Gutmensch als Unmensch
Eine gewisse „Unwucht“ bemängelte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen), wenn sich menschenrechtspolitische Debatten im Bundestag vornehmlich um Religion drehten. So wie es keine Religionen erster und zweiter Klasse geben könne, so gebe es keine Menschenrechte erster und zweiter Klasse.
Die AfD sei wegen antimuslimischer und antisemitischer Stimmen in ihren Reihen in dieser Frage unglaubwürdig. „Sie treten christliche Werte. Deswegen ist die AfD auf Kirchentagen auch nicht willkommen“, sagte Gehring. „Lieber Gutmensch als Unmensch.“ (ahe/19.10.2018)