Die FDP-Fraktion ist am Donnerstag, 18. Oktober 2018, im Bundestag mit einem Vorstoß gescheitert, Algerien, Marokko und Tunesien als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Gegen einen entsprechenden Gesetzentwurf der Freidemokraten (19/957) votierten in namentlicher Abstimmung 496 Abgeordnete, während 154 Parlamentarier der Vorlage zustimmten und sich einer enthielt. Zuvor hatte bereits ein Änderungsantrag der FDP-Fraktion (19/5079), mit dem auch Georgien in die Liste sicherer Herkunftsländer aufgenommen werden sollte, ebenfalls in namentlicher Abstimmung mit 577 Stimmen gegen 80 bei einer Enthaltung keine Mehrheit im Parlament gefunden.
Ebenfalls mit großer Mehrheit abgelehnt wurde ein Antrag der AfD-Fraktion (19/48) zu einem Rückkehrabkommen für Syrer. Der Antrag fand gegen die Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen keine Mehrheit. Auch dieser Abstimmung lag eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses (19/1411) zugrunde. Danach sollte die Bundesregierung mit der syrischen Regierung in Verhandlungen über ein Rückkehrabkommen für die Syrer eintreten, die als Schutzsuchende in Deutschland aufgenommen worden sind. Dieses Abkommen sollte sicherstellen, dass Rückkehrer „unbeschadet wieder nach Syrien einreisen können und in die Gebiete aufgenommen werden, die befriedet sind“ und dass ihre humanitäre Versorgung sichergestellt ist, hieß es in der AfD-Vorlage.
CDU/CSU: Mehrheit im Bundesrat ist nicht sichergestellt
In der Debatte sagte der CDU-Parlamentarier Detlef Seif (CDU/CSU), die Union sei grundsätzlich mit der FDP-Vorlage zufrieden, doch sei für das Vorhaben noch keine Mehrheit im Bundesrat sichergestellt. Da die FDP es dennoch abgelehnt habe, die abschließende Behandlung ihrer Vorlage zu verschieben, bleibe der Union nur deren Ablehnung.
Dabei sei auch im Koalitionsvertrag vorgesehen, weitere Staaten mit einer Anerkennungsquote unter fünf Prozent zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, und das Bundeskabinett habe im Juli einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen. 2017 habe die Anerkennungsquote bei Georgien sowie Algerien, Marokko und Tunesien zwischen 0,6 und 4,1 Prozent gelegen. Von rund 15.000 nach Deutschland gekommenen Menschen hätten nur rund 500 ein Bleiberecht erhalten.
SPD: Der Regierungsentwurf ist besser
Auch der SPD-Parlamentarier Helge Lindh sagte, seine Fraktion stimme dem FDP-Entwurf nicht zu, obgleich sie viele Einschätzungen teile. Es mache keinen Sinn, jetzt den Gesetzentwurf „einfach nur durchzubringen“, bevor man absehen könne, dass es im Bundesrat entsprechende Mehrheiten gibt.
Lindh verwies gleichfalls darauf, dass es dazu ein Vorhaben der Bundesregierung gebe. Dieses sei besser als der FDP-Entwurf, „weil es umfassender gestaltet ist“. Ziel der Einstufung weiterer Länder zu sicheren Herkunftsstaaten sei es, die Verfahren zu beschleunigen und die Aufenthaltsdauer nicht Schutzbedürftiger zu verkürzen. Ziel sei es aber nicht, „denjenigen, die schutzbedürftig sind, diese Möglichkeit zu nehmen“.
FDP: Einzelfallprüfung wird nicht angefasst
Der FDP-Abgeordnete Dr. Stefan Ruppert hob gleichfalls hervor, dass es bei einer Einzelfallprüfung bleiben solle, aber die Verfahren beschleunigt werden sollten. Niemand in Deutschland verstehe, dass ein gut integrierter Arbeitnehmer „abgeschoben wird, obwohl er sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist“, während man andererseits darüber diskutieren müsse, dass man jemanden gegebenenfalls nach Deutschland zurückholen müsse, der „nach der Feststellung von Gerichten Menschen in seinem Umfeld gefährdet“.
Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl in Hessen hielt Ruppert der Union zugleich vor, mit ihrem Abstimmungsverhalten auf die Grünen als ihrem dortigen Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen.
AfD: Eine Einstufung ist längst überfällig
Der AfD-Abgeordnete Lars Herrmann nannte die Einstufung der drei nordafrikanische Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten „längst überfällig“. Man müsse sich aber von dem Gedanken lösen, dass mit der Einstufung der Maghreb-Staaten „keine neuen Asylbewerber mehr aus diesen Ländern zu uns kommen oder schneller abgeschoben werden können“.
Dieser Effekt werde „hier nicht eintreten“, fügte Herrmann hinzu und beklagte eine „inflationäre Erteilung von Duldung“, das Fehlen effektiver Grenzkontrollen sowie fehlende Abschiebehaftplätze und „defizitäre beziehungsweise nicht vorhandene Rückübernahmeabkommen“. Dabei begingen algerische, marokkanische und tunesische Staatsangehörige „14 Prozent der Straftaten von Zuwanderern, obwohl diese gerade einmal 2,4 Prozent der Asylbewerber ausmachen“.
Linke: Ein Angriff auf den Schutzgedanken des Asylrechts
Für Die Linke wandte sich ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke entschieden gegen eine Einstufung der drei Maghreb-Staaten und Georgien als sichere Herkunftsstaaten. In jedem dieser Länder gebe es „derart gravierende Menschenrechtsverletzungen, dass diese Einstufung als sichere Herkunftsstaaten einfach nur ein einziger Hohn ist“, sagte sie.
Dieses Vorhaben der FDP wie der Regierungskoalition sei „ein Angriff auf den humanitären Schutzgedanken des Asylrechts“. Als „noch unverantwortlicher“ bewertete Jelpke den Antrag der AfD-Fraktion. Die AfD wolle Flüchtlinge nach Syrien zurückschicken, „wo immer noch täglich Bomben fallen“.
Grüne sehen die Ursachen beim Bamf
Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass 6.200 Menschen aus Algerien, Marokko und Tunesien sowie aus Georgien im laufenden Jahr in Deutschland Asyl beantragt hätten. Man solle daher nicht so tun, als ließe sich „mit diesem Thema in irgendeiner Weise auch nur ein Bruchteil der Herausforderungen in unserer Asylpolitik lösen“.
Wem es um schnellere Verfahren gehe, müsse sich fragen lassen, warum er sich nicht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) als dem wirklichen Schwachpunkt„ der Asylpolitik zuwende. Statt hier über “notwendige Verbesserungen„ zu diskutieren und zügig dazu beizutragen, dass “das Bamf sauber arbeiten kann„, vertage die FDP das Thema, und auch die Koalition habe bisher nicht einen einzigen Reformvorschlag dazu vorgelegt.(sto/18.10.2018)