Regierungserklärung

Merkel: Stellen uns auf einen un­geord­ne­ten Bre­xit ein

Die Bundesregierung stellt sich laut Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) auf einen ungeordneten Brexit ein. Obgleich sie weiterhin die Möglichkeit sehe, „ein gutes und tragfähiges Abkommen“ mit Großbritannien auszuhandeln, müsse sich Deutschland auf alle Szenarien vorbereiten, sagte Merkel am Mittwoch, dem 17. Oktober 2018, in ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag, kurz vor ihrer Abreise nach Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs der EU beraten dort bis Freitag, 19. Oktober, über ein Brexit-Austrittsabkommen sowie über Migration, innere Sicherheit und die Zukunft der Eurozone. Außerdem findet in der belgischen Hauptstadt vom 17. bis 18. Oktober der zwölfte Europa-Asien-Gipfel (Asem) statt.

„Die Tücke liegt im Detail“

„Die Tücke liegt im Detail“, betonte Merkel mit Blick auf die ungelöste Frage zwischen der EU und Großbritannien, wie in Zukunft die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland geregelt sein soll. Die Integrität des europäischen Binnenmarktes müsse ebenso gewahrt bleiben wie das Karfreitagsabkommen, demzufolge die Grenze offengehalten werden muss.

Bei den Vorbereitungen der Bundesregierung geht es laut Merkel um konkrete Fragen wie den Status der rund 100.000 britischen Staatsbürger in Deutschland, aber auch darum, Behörden zu unterstützen, auf die durch den Brexit neue Anforderungen und Belastungen zukommen.

In seiner ersten Rede als Nachfolger von Volker Kauder im Amt des Unionsfraktionsvorsitzenden betonte Ralph Brinkhaus, die EU müsse verhindern, dass der Brexit zu einem Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts führt. Bei den europäischen Grundfreiheiten – der Freiheit von Waren, Personen, Dienstleistungen sowie des Kapital- und Zahlungsverkehrs – dürfe sie jedoch keine Kompromisse machen.

„Wir brauchen mehr Europa, und zwar jetzt“

Für die SPD erklärte die Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles, an der gemeinsamen Linie der übrigen 27 Mitgliedstaaten gebe es „nichts zu rütteln“. Großbritannien werde bitter spüren, was es wirklich heiße, den Schutz der EU zu verlieren. 

Sie sprach sich für eine vertiefte Zusammenarbeit in der Europäischen Union aus. „Wir brauchen mehr Europa, und zwar jetzt.“ Konkret forderte die SPD-Vorsitzende ein Investitionsbudget und die Besteuerung digitaler Wirtschaftsunternehmen.

„Umgang mit Brexit-Votum unfair und unverantwortlich“

AfD-Fraktionschefin Dr. Alice Weidel warf EU und Bundesregierung vor, an Großbritannien ein Exempel zu statuieren. Der Umgang mit dem Brexit-Votum sei „unfair und unverantwortlich“, daran ändere auch die gerade „halbherzig beschlossene“ Verlängerung der Übergangsfrist nach dem Brexit nichts.  

Es sei im Interesse Deutschlands, den freien Warenaustausch sicher und auf Augenhöhe zu regeln  und den freien Personenverkehr neu zu fassen, um den freien Zugang in die nationalen Sozialsysteme zu unterbinden. Der EU-Kommission müssten außerdem „legislative Hoheitsrechte“ entzogen werden, forderte Weidel.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, die Bundesregierung stelle sich nicht genügend auf einen ungeordneten Brexit ein. „Sie sind  genauso paralysiert wie die Regierung in Großbritannien“, urteilte er und forderte die Schaffung eines Brexit-Beauftragten auf Bundesebene. Außerdem müssten die Zollbehörden auf den Brexit vorbereitet werden, um unnötige Bürokratie zu verhindern.

„Brexit darf nicht zum Abbau von Bürgerrechten führen“

Nach Ansicht von Alexander Ulrich (Die Linke) braucht es mehr Zeit, um die künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auszuhandeln. Ein guter Deal müsse das Karfreitagsabkommen sichern und verhindern, dass der Brexit zum Abbau von Bürgerrechten führe.

Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) warnte davor, den Briten noch weiter entgegenzukommen. Die EU habe schon unglaublich viele Zugeständnisse gemacht. „Unsere Aufgabe ist es nicht, Theresa May zu retten, sondern die EU zu schützen und zu stärken“, betonte sie.

Entschließungsantrag der Grünen abgelehnt

Gegen die Stimmen der Linken und der Grünen lehnte der Bundestag einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (19/5044) ab, in dem der Bundestag unter anderem aufgefordert werden sollte, sich in der EU intensiv für die Aufklärung der Journalistenmorde in Malta und der Slowakei einzusetzen und Unterstützung anzubieten. 

Darüber hinaus sollte die EU dauerhaft Finanzmittel bereitstellen, um das Zentrum für Medienpluralismus und -freiheit an der Europäischen Universität Florenz zu stärken und einen jährlichen Mechanismus zur Beurteilung der Risiken für den Pluralismus der Medien in den EU-Mitgliedstaaten einzurichten, heißt es im Entschließungsantrag der Grünen. (joh/17.10.2018)