Geschlecht „divers“ soll möglicher Geburtenregister-Eintrag werden
Die Bundesregierung plant eine Änderung des Personenstandsgesetzes. Der Gesetzentwurf „zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben“ (19/4669) wurde am Donnerstag, 11. Oktober 2018, gemeinsam mit einem Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Selbstbestimmung, Gleichbehandlung, körperliche Unversehrtheit – Die Grund- und Menschenrechte zur geschlechtlichen Vielfalt gewährleisten“ (19/4828) in erster Lesung beraten und anschließend zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
Personenstand: weiblich, männlich oder divers
Bei der Beurkundung der Geburt eines Neugeborenen soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig neben den Angaben „weiblich“ und „männlich“ oder der „Eintragung des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe“ auch die Bezeichnung „divers“ gewählt werden können, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann.
Zugleich soll danach Betroffenen in Fällen, in denen auch die weitere Geschlechtsentwicklung nicht zu einer Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Geschlecht führt oder in denen die Zuordnung nach der Geburt unrichtig erfolgte, ermöglicht werden, durch Erklärung gegenüber dem Standesamt die Zuordnung im Geburtseintrag ändern zu lassen und – soweit gewollt – neue Vornamen zu wählen. Dass eine „Variante der Geschlechtsentwicklung“ vorliegt, ist dem Gesetzentwurf zufolge durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen.
Forderung des Bundesverfassungsgerichts
Wie die Bundesregierung in der Begründung ausführt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 (Aktenzeichen: 1 BvR 2019/16) festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht die geschlechtliche Identität schützt. Es schütze auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dieser Personenkreis sei auch vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts geschützt und werde in beiden Grundrechten verletzt, „wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als ,weiblich' oder ,männlich' zulässt“.
Der Gesetzentwurf soll daher „die vom Bundesverfassungsgericht für das Personenstandsrecht geforderte Möglichkeit für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ schaffen, einen anderen positiven Geschlechtseintrag zu wählen, Die Wahl des Begriffs „divers“ entspricht laut Bundesregierung „dem Wunsch der Betroffenen, der in der Länder- und Verbändebeteiligung zum Ausdruck gekommen ist“. Unter „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ werden der Vorlage zufolge nach der aktuellen medizinischen Terminologie „Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind“.
Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke dringt auf „umfangreiche Reformen“ zur Wahrung der Grund- und Menschenrechte von trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland und verweist darauf, dass sich in der jüngeren Vergangenheit grundlegende Prozesse gesellschaftlichen Umdenkens in Bezug auf sexuelle und geschlechtliche Vielfalt vollzögen. Dies betreffe neben homo- und bisexuellen Menschen auch jene Menschen, „deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei Geburt anhand des körperlichen Augenscheins durch Dritte vollzogenen Geschlechtseintrags übereinstimmt (transgeschlechtliche Menschen) oder die nach den bisherigen medizinischen Definitionen des Geschlechts nicht in die beiden Kategorien ,männlich' und 'weiblich' zuzuordnen waren“ (intergeschlechtliche Menschen).
So habe das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 festgestellt, „dass ein Personenstandsrecht, das nur Geschlechtseinträge für Männer und Frauen vorsieht, nicht verfassungsgemäß ist“, führen die Abgeordneten ferner aus. Zuvor habe es bereits zwischen 1982 und 2011 sieben Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts gegeben, die die meisten Paragraphen des Gesetzes „über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ (Transsexuellengesetz) „ wegen Verfassungswidrigkeit außer Kraft setzten“.
Forderung nach neuer Gutachten- oder Attestpflicht
Die Bundesregierung soll dem Antrag zufolge einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem das Transsexuellengesetz aufgehoben und das Personenstandsgesetz (PStG) erweitert wird. Dabei soll nach dem Willen der Fraktion die „bislang fortbestehende menschenrechtswidrige Praxis der frühkindlichen Operationen zur Herstellung einer augenscheinlichen Geschlechtseindeutigkeit, die zum Teil mit einer Sterilisation einhergehen“, gesetzlich unterbunden werden. „Operationen vor Erreichen der Einwilligungsfähigkeit und ohne interdisziplinäre Aufklärung sowie einer angemessenen Bedenkzeit sind grundsätzlich unzulässig. Maßnahmen zur Abwendung einer lebensbedrohlichen Situation oder zur Abwendung einer schwerwiegenden körperlichen Gesundheitsbeeinträchtigung sind von diesem Grundsatz ausgenommen“, heißt es in der Vorlage weiter.
Das Personenstandsrecht soll danach so geändert werden, „dass alle Menschen ohne gravierende Hürden ihren Personenstand und/oder Vornamen frei wählen dürfen“. Eine „neue Gutachten- oder Attestpflicht“ wird im Personenstandsgesetz nicht eingeführt werden. Darüber hinaus fordert die Fraktion unter anderem, die Kostenübernahme für alle geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sicherzustellen. (sto/hau/11.10.2018)