Enquete „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ konstituiert
Die Enquete-Kommission „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ hat sich am Donnerstag, 27. September 2018, konstituiert. Wo und auf welche Weise muss die berufliche Bildung an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt angepasst werden? Wie können die Stärken des Systems dabei weiter ausgebaut und mögliche Zugangshürden abgebaut werden? Mit diesen Fragen wird sich die Kommission beschäftigen.
Den Vorsitz übernimmt der Stuttgarter CDU-Abgeordnete Stefan Kaufmann, der stellvertretende Vorsitzende wird später bestimmt. Dem Gremium gehören in den kommenden zweieinhalb Jahren 19 Bundestagsabgeordnete und 19 externe Sachverständige an. Ihren Abschlussbericht soll die Enquete-Kommission bis zum Sommer 2021 vorlegen.
Schäuble sieht Herausforderungen durch Digitalisierung
Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) eröffnete die konstituierende Sitzung und betonte die neuen Herausforderungen, vor der die Berufliche Bildung angesichts der Digitalisierung stehe. Die Enquete habe den Auftrag „die Entwicklungsperspektiven der beruflichen Aus- und Weiterbildung in der künftigen Arbeitswelt zu untersuchen und die ökonomischen und sozialen Potentiale einer Modernisierung zu prüfen“, sagte Schäuble. Dies umfasse auch, dass vorhandene Stärken ausgebaut und mögliche Hürden abgebaut werden.
Ein besonderes Augenmerk soll in der Strategie-Erarbeitung darauf gelegt werden, dass die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung gestärkt werde, sagte der Bundestagspräsident und wünschte den Mitgliedern der Kommission „Kraft, Ausdauer, politische Leidenschaft und demokratischen Geist“ bei der Arbeit.
Kaufmann: Update für das berufliche Bildungssystems
„Für mich persönlich kann die Bedeutung der beruflichen Bildung als Grundlage unserer Wirtschaftskraft nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagte der Vorsitzende der Kommission, Stefan Kaufmann.
Er betonte das hohe Ansehen der beruflichen Bildungssystems Deutschlands im Ausland, hob aber auch hervor, dass das System noch besser werden könne: „Es bedarf eines Updates. Das ist eine Kraftanstrengung, die nur gemeinsam in vielen einzelnen Schritten geleistet werden kann“, sagte Kaufmann. In der Enquete wolle man abseits der Tagespolitik an einer fundierten Analyse mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Politik arbeiten.
Mitglieder und Sachverständige
Die Unionsfraktion entsendet mit Stephan Albani, Sybille Benning, Stefan Kaufmann, Axel Knoerig, Antje Lezius, Katrin Staffler und Dietlind Tiemann sieben Mitglieder.
Die SPD vertreten Yasmin Fahimi, Michael Gerdes, Gabriele Katzmarek und Marja-Liisa Völlers.
Zwei Mitglieder stellen die AfD mit Nicole Höchst und Uwe Schulz.
Ebenfalls zwei Mitglieder stellt die FDP mit Jens Brandenburg und Thomas Sattelberger.
Die Linke entsendet Birke Bull-Bischoff und Jutta Krellmann in das Gremium.
Für Bündnis 90/Die Grünen sind Beate Walter-Rosenheimer und ein bislang nicht feststehender zweiter Abgeordneter in der Kommission.
Als Sachverständige werden Experten aus Gewerkschaften, dem Weiterbildungsbereich, der Lehrerbildung, von Universitäten und Forschungsinstituten, aus der Wirtschaft sowie aus Schulen und der Pädagogik in der Enquete vertreten.
Der Bundestag hatte am 28. Juni 2018 bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, die Enquete-Kommission einzusetzen. Dem Beschluss lag ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Die Linke (19/2979) zugrunde. Einmal im Monat kommt die Enquete-Kommission künftig zusammen. Die erste Sitzung soll am 26. November stattfinden.
Liste der stellvertretenden Mitglieder:
CDU/CSU: Gienger, Eberhard; Heilmann, Thomas; Henke, Rudolf; Loos, Bernhard; Magwas, Yvonne; Schummer, Uwe; Prof. Dr. Zimmer, Matthias
SPD: Ortleb, Josephine; Dr. Rossmann, Ernst Dieter; Schmidt, Uwe; N.N.
AfD: Peterka, Tobias Matthias; Uwe Witt
FDP: Beer, Nicola; Todtenhausen, Manfred
Die Linke: Pellmann, Sören; Müller, Norbert
Bündnis 90/Die Grünen: N.N.; N.N.
Liste der Sachverständigen:
CDU: Dr. Born, Volker; Prof. Dr. Buschfeld; Detlef; Dr. Dercks, Achim; Dirschedl, Carlo; Dr. Dorn, Barbara; Hannack, Elke; Prof. Dr. Sloane, Peter
SPD: Dr. Garbade, Sandra; Grioli, Francesco; Prof. Dr. Kohlrausch, Bettina; Seiler, Martin
AfD: N.N.; N.N.
FDP: Greilich, Annette; Nolten, Reiner
Die Linke: Prof. Dr. phil. Bylinski, Ursula; Kennecke, Angela
Bündnis 90/ Die Grünen: Kittel, Ute; Prof. Dr. Solga, Heike
Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt
Die Enquete-Kommission soll untersuchen, wo und auf welche Weise die berufliche Bildung an die Anforderungen der digitalen Arbeitswelt angepasst werden muss und inwieweit die Stärken des Systems dabei weiter ausgebaut und mögliche Zugangshürden abgebaut werden können. Besonders berücksichtigt werden sollen die Sicherung des Fachkräftebedarfs, niedrigschwellige und diskriminierungsfreie Zugänge zu Bildungs- und Qualifizierungsangeboten sowie Aufgaben wie pflegerische, pädagogische und Sorgetätigkeiten.
Das Gremium soll eine Strategie für die Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung formulieren und aufzeigen, wie die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung in Zeiten des digitalen Wandels von Berufsbildern und Erwerbsbiografien gestärkt werden kann.
CDU/CSU: Berufliche Ausbildung stärken
In der Debatte am 28. Juni verwies der CDU-Abgeordnete Arnold Vaatz darauf, dass ungleich mehr junge Menschen ein Studium in Deutschland beginnen als eine berufliche Ausbildung. Während jährlich rund 750.000 Menschen in Deutschland geboren würden, strebten pro Jahr etwa 500.000 junge Menschen an die Universitäten.
Umgekehrt klage das Handwerk über 15.000 unbesetzte Ausbildungsstellen. Die berufliche Ausbildung müsse gegenüber der akademischen deutlich gestärkt werden, forderte Vaatz. Die Enquete-Kommission könne eine Grundlage für die anstehenden politischen Entscheidungen bieten.
AfD: Duales Ausbildungssystem weiterentwickeln
Jörn König (AfD) forderte, dass die Kommission die Entwicklungen im Mittelstand in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Das duale Ausbildungssystem habe sich zwar bewährt, müsse aber weiterentwickelt werden.
Die Bodenständigkeit des Handwerks müsse mit den Potenzialen der Digitalisierung gekoppelt werden. Darin liege eine große Chance, sagte König.
SPD: Berufswelt vor den größten Umbrüchen
Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) warnte, dass die Berufswelt vor den größten Umbrüchen seit Jahrzehnten stehe. So würden zukünftig ganze Berufe wegfallen, weil die Tätigkeiten von Maschinen und Computern übernommen werden. Nach Schätzungen könnten davon fünf Millionen Beschäftigte in Deutschland betroffen sein.
Umgekehrt würden sich die Anforderungen in anderen Berufen deutlich verändern. Darauf müssten auch die Berufsschulen vorbereitet werden, sagte Lauterbach.
FDP: Akademische Ausbildung nicht mehr bevorzugen
Dr. Jens Brandenburg (FDP) monierte, dass der Bund die akademische Ausbildung deutlich stärker unterstütze als die berufliche. So wolle die Bundesregierung 2,2 Milliarden in den Hochschulpakt investieren, für die berufliche Bildung stünde aber allenfalls ein Drittel dieses Betrages zur Verfügung.
Vergleichbare internationale Austauschprogramme wie für Studenten gebe es für Auszubildende nicht. Die Politik müsse diese Bevorzugung der akademischen Ausbildung beenden.
Linke: Leistung muss sich lohnen
Birke Bull-Bischoff (Die Linke) forderte, dass die Abhängigkeit von Ausbildung und sozialem Status entkoppelt wird. Leistung müsse sich lohnen, nicht soziale oder kulturelle Herkunft.
Berufliche Bildung sei wichtig für ein selbstbestimmtes Leben in Würde und umgekehrt brauche die Arbeitswelt gut qualifizierte Fachkräfte.
Grüne: Thema Weiterbildung wird vernachlässigt
Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte den Einsetzungsbeschluss als unzureichend. So werde das Thema Weiterbildung vernachlässigt. Eine Erstausbildung dauere etwa drei Jahre, ein Berufsleben aber rund 40 Jahre. Dieses ungleiche Verhältnis zeige, dass die berufliche Weiterbildung dringend weiterentwickelt werden müsse, argumentierte Stumpp.
Zudem werde das Thema Geschlechtergerechtigkeit in den mathematischen, naturwissenschaftlichen und technischen Berufen nicht genügend berücksichtigt. (lbr/vom/aw/02.10.2018)