Dürresommer schlägt sich in Etat-Debatte zur Landwirtschaft nieder
Die Frage nach Finanzhilfen für die Landwirtschaft infolge des außergewöhnlich trockenen Sommers dominiert die aktuelle Diskussion über den Etat für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft am Dienstag, 11. September 2018. Hohe Temperaturen und ausbleibende Niederschläge hatten in der Land- und Forstwirtschaft erhebliche Schäden verursacht und haben für viele Betriebe beträchtliche Einnahmeeinbußen zur Folge. Der im Regierungsentwurf für den Haushalt 2019 (19/3400, 19/3401) vorgesehene Einzelplan 10 sieht Ausgaben in Höhe von 6,24 Milliarden Euro (2018: 6,02 Milliarden Euro) vor.
Die meisten Redner wandten sich im Zusammenhang mit dem trockenen Wetter dem Umgang mit dem Klimawandel zu. Damit steuerfinanzierte Hilfen der Ausnahmefall bleiben, nahmen Überlegungen über die besondere steuerliche Behandlung von Rücklagen für die Risikoabsicherung, mit der die Landwirte die Absicherung klimabedingter Risiken künftig selbst in die Hand können, breiten Raum in der Debatte ein. Thematisiert wurde außerdem in den meisten Beiträgen die Notwendigkeit der Förderung der ländlichen Regionen sowie Probleme durch neue rechtliche Auflagen in der Schweinezucht. Gestritten wurde über den Sinn der Bewerbung eines neuen staatlichen Labels zur Sicherung des Tierwohls sowie über den richtigen Ansatz für die Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Bundesministerin verteidigt Hilfszahlungen
Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU), verteidigte die Hilfszahlungen ihres Hauses an die Landwirte gegen Kritik. Die Bauern und Förster hätten Wochen der Sorge, des Bangens um die Ernte und der Angst vor Waldbränden, hinter sich. „Hilfe mit Augenmaß ist angebracht“, sagte die Ministerin. Man habe nun in einer Verwaltungsvereinbarung mit den Ländern eine Einigung über die Eckdaten der Dürrehilfen erzielt. Antragstellende Betriebe würden dabei einer Bedürftigkeitsprüfung unterzogen.
Klöckner unterstrich die Schlüsselstellung der Branche. „Es ist unser aller Interesse, dass Deutschland über eine familiengeführte Landwirtschaft verfügt, die nachhaltig wirtschaftet und die regionalen Produkte produziert, die wir alle jeden Tag einfordern.“ Die Landwirtschaft bekomme den Klimawandel zu spüren. Es sei richtig, dass man bei der Existenzsicherung der Betriebe helfe.
Ackerbaustrategie soll bis Herbst 2019 vorliegen
Bei der Ausführung der Ausgabenpositionen ihres Etats hob Klöckner insbesondere die Ausarbeitung einer Ackerbaustrategie bis Herbst 2019 hervor. Der Boden stelle eine zentrale Lebensgrundlage dar. Seine wissenschaftliche Erforschung verdiene eine größere Aufmerksamkeit. „Wie lässt sich die Bodenqualität verbessern? Wie muss die Fruchtfolge der Zukunft aussehen?“ Dazu habe man fünf Millionen Euro eingeplant.
Als weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit für die kommenden Jahre hob die Ministerin die soziale Sicherheit sowie die Digitalisierung in der Agrarbranche hervor. Außerdem wolle sie sich, dem Beispiel der Schulernährung folgend, der Verbesserung der Seniorenernährung durch „Vernetzungsstellen“ für Ernährungsberatung widmen und die ländlichen Regionen insgesamt durch eine Erhöhung der Investitionen in diesem Bereich stärken – als Regionen, die nicht nur als Ausflugsziele betrachtet werden, sondern als Regionen, in denen man lebt und arbeitet. 745 Millionen Euro stünden im kommenden Jahr für die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes zur Verfügung.
AfD kritisiert Nothilfe als zu gering
Wilhelm von Gottberg (AfD) wandte sich dem allgemeinen Problem des „Höfesterbens“ zu, das durch die Dürre noch eine Zuspitzung erfahren habe. „Landwirtschaft ist Mittelstand und der ist schon seit Langem in der Krise“, beschrieb von Gottberg die Not der Branche. „9.600 Höfe haben zwischen 2013 und 2016 aufgegeben.“ Leider sei kein Ende des Höfesterbens abzusehen. 2016 seien die Bauern von der Milchpreiskrise erfasst worden. Davon hätten sich die meisten Milchbauern noch nicht erholt. Nun hätten wegen der Dürre viele Bauern das Futter für ihre Tiere rationieren müssen. „In mindestens einer fünfstelligen Zahl“ seien bäuerliche Betriebe betroffen.
Die von Bund und Ländern in Aussicht gestellte Nothilfe kritisierte von Gottberg als zu gering. „314 Millionen Euro sind Almosen, keine wirkliche Hilfe.“ Auch vor diesem Hintergrund seien die geplanten Werbemaßnahmen für die Einführung eines Tierwohllabels skandalös und eine Geldverschwendung. Die dafür vorgesehenen 33 Millionen Euro solle man lieber noch der Dürrehilfe hinzufügen. Auch die Vorhaben und Projekte der Regierung zur Digitalisierung im Agrarsektor liefen ins Leere, da viele ländliche Regionen noch immer auf so Grundlegendes wie ein zeitgemäßes, schnelles Internet warteten und beim Breitbandausbau bislang außen vorblieben.
SPD: Haushalt lässt zu wenig Gestaltungsspielraum
Rainer Spiering, Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung, mahnte an, dass Deutschland bei der Digitalisierung der Agrarwirtschaft die Souveränität über die Daten behalten müsse und sich nicht von kommerziellen Anbietern abhängig machen dürfe. Spiering plädierte außerdem dafür, die Fördermittel der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union punktgenauer einsetzen und sich von der Logik, Geld für Bodenfläche auszugeben, zu verabschieden. Es könne nicht darum gehen, Fläche zu belohnen, allein Taten seien förderungswürdig.
Johann Saathoff (SPD) rief rief den Klimawandel als Urasche für die Dürre in Erinnerung und unterstrich, dass die Förderung der ländlichen Räume auch eine Förderung der erneuerbareren Energien umfasse, was einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz darstelle. Ursula Schulte (SPD), die den Mittelaufwuchs des Haushalts auf 6,24 Milliarden Euro begrüßte, wies auf das strukturelle Problem hin, dass der Landwirtschaftshaushalt aufgrund der Verpflichtungen des Bundes im Bereich der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, die allein vier Milliarden Euro dieser Mittel binde, zu geringen Handlungsspielraum für eine aktive Agrarpolitik und lasse. Sie schlug vor, die Sozialversicherung im Agrarbereich in die gesetzliche Versicherung zu überführen.
FDP für steuerfreie Risikoausgleichsrücklage
Ulla Ihnen (FDP), die wie alle anderen Redner die Bundessoforthilfe für die geschädigten Landwirte unterstützte, mahnte an, dass derartige Staatshilfen die Ausnahme bleiben müssen. Um die Landwirtschaft zu fördern, bedürfe es eines beherzten Bürokratieabbaus. Der Staat müsse bessere Rahmenbedingungen setzen und mehr Mittel für die ländliche Entwicklung bereitstellen. Die versprochene Summe sei nicht eingehalten worden. Um Risiken aus Klimawandel und Extremwetter zu begegnen, befürwortete Ihnen die Idee einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage, die die Landwirte bilden sollten, damit im Krisenfall nicht nur die Steuerzahler in die Bresche springen müssen.
Zu viel werde im Haushaltsentwurf der Ministerin mit 33 Millionen Euro für die Bewerbung des neu geplanten Tierwohllabels ausgegeben, meinten beide Redner der FDP. Frank Sitta (FDP) wies darauf hin, dass es bereits eine privat organisierte Initiative zum Tierwohl gebe. Das Vorhaben des Bundesministeriums stelle nicht nur eine Doppelung dar, sondern untergrabe auch die Bemühungen, die seitens der Wirtschaft bereits unternommen worden seien.
Linke für mehr Nachhaltigkeit der Landwirtschaft
Die jüngsten Krisen in der Landwirtschaft wie der Milchpreisverfall oder die Dürre sah Heidrun Bluhm (Die Linke) als Hinweis für strukturelle Schwächen des Agrarsektors. Um nicht von einer Krise in die nächste zu stolpern, müssten Landwirtschaft und Ernährungsindustrie nachhaltiger wirtschaften. Als Agrarpolitiker stehe man gegenüber den Steuerzahlern unter ständigem Rechtfertigungsdruck: „Warum erhalten Betriebe in Krisen viele Millionen, wenn zuvor bereits hohe Summen in diesen Sektor geflossen sind?“, bekomme sie dann von Kritikern zu hören.
Bluhm, die wie die anderen Redner den Mittelauffwuchs des Agrarhaushalts um 70 Millionen Euro begrüßte, mahnte allerdings, die Gelder „nicht länger bedingungslos und undifferenziert nur über die Fläche zu verteilen“. Sie forderte überdies mehr ressortübergreifendes Denken von der Bundesregierung. „Wir brauchen eine ressortbegreifende Strategie für die Entwicklung der ländlichen Räume.“ Es gelte Betriebe zu fördern, die sozial und nachhaltig wirtschafteten.
Amira Mohamed Ali (Die Linke) bezeichnete die Landwirtschaft als Risikosystem und warf der Regierung falsche Schwerpunktsetzungen vor. Dass die jüngsten Nothilfen nötig waren, habe strukturelle Ursachen. Die Landwirtschaft sei durch die maximale Ausbeutung der Ressourcen zu anfällig und habe keinen Spielraum für Rücklagen. „Immer wieder werden Sondermittel in dieses falsche System fließen müssen“, sagte sie und forderte, bei der Förderung statt der Betriebsgröße als leitendem Kriterium nur diejenigen Betriebe zu unterstützen, die nachhaltig wirtschafteten.
Grüne fordern Klimaaktionsplan
Bündnis 90/Die Grünen stellten den Klimawandel in den Mittelpunkt ihrer Debattenbeiträge. „Der Klimawandel ist nicht abzustreiten“, sagte Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen). „Seit 2014 hatten wir das fünfte Jahr in Folge die wärmsten Jahre weltweit.“ Der heiße und regenarme Sommer in Deutschland 2018 sei kein einzelnes Extremwetterereignis. Die Hilfen für die Landwirte waren richtig, so Lindner, aber „wir dürfen nicht bei Symptombekämpfung stehen bleiben, sondern müssen an die Ursachen des Problems gehen und das Klimaproblem lösen“.
Allein Anpassung an eine Klimakrise reiche nicht. Man komme dann an einen Punkt an dem man sich nicht mehr anpassen könne. Lindner forderte ebenso wie Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) einen ambitionierten Klimaaktionsplan für die Landwirtschaft, statt immer neuer Nothilfen. Ostendorff ging wie andere Redner auch auf das Problem der Schweinezucht ein. Dies müssen man im Gesamtkontext der „gewaltigen Aufgabe des Umbaus der Tierhaltung“ sehen. Dafür sei im vorgelegten Haushaltsentwurf zu wenig zu sehen. Im Hinblick auf die EU-Agrarreform 2020 mahnte er an, nicht weiter Milliarden mit der Gießkanne über die Fläche zu verteilen, sondern Zahlungen an Kriterien wie den Tier-, Umwelt- und Klimaschutz zu binden. Insgesamt sei eine breitere Streuung der Mittel vonnöten.
CDU/CSU: Risikovorsorge ist besser als Nothilfe
Wie keine andere Branche sei die Landwirtschaft dem Wetter ausgesetzt, sagte Gitta Connemann (CDU/CSU). Angesichts der Dürre stehe die Existenz Zehntausender Höfe auf dem Spiel. Der Dürresommer werde noch seine Nachbeben haben, das volle Ausmaß der Schäden werde man erst nach und nach ermessen könne. Die Politikerin verwahrte sich dagegen, der Landwirtschaft eine Schuld am Klimawandel zu geben. „93 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen nicht auf das Konto der Branche. Landwirte sind keine Schuldigen, sondern vor allem Leidtragende des Klimawandels“, so Connemann. „Die Landwirtschaft hat ihre Hausaufgaben gemacht.“
Obwohl die Dürrehilfen für diese richtig und nötig seien: „Kein Landwirt will auf Hilfe angewiesen sein“, sagte Connemann und plädierte ebenfalls für neue Instrumente der Risikovorsorge in der Landwirtschaft wie eine tarifliche Gewinnglättung, die Möglichkeit einer Risikorücklage, die steuerlich besonders behandelt wird, und eine zweckgebundene Kilimarücklage, mit der die Betriebe in guten für schlechte Zeiten vorsorgen können. „Risikovorsorge ist besser als Nothilfe.“
Connemann unterstrich, dass die Landwirtschaft systemrelevant sei – für Ernährung, Landschaftspflege, Wirtschaft und das Leben auf dem Land. Das Bundesprogramm für ländliche Entwicklung trage dem Rechnung. Dabei gehe es nicht um die Verteilung von Almosen, sondern damit gebe man passgenaue Antwort auf strukturelle Probleme. Man müsse aber nun zu einer vereinfachten Regelförderung kommen, statt immer komplexere Modell- und Demonstrationsvorhaben zu konzipieren. Die Mittel müssten insgesamt schneller und einfacher fließen können. Es dürfe nicht passieren, dass kleine Betriebe oder Vereine erst Juristen beschäftigen müssen, um die Regeln zu verstehen. Die Komplexität werde immer größer, von der Beantragung der Direktzahlungen über die Düngemittelverordnung bis hin zum Stallbau. Dazu erhoffte sich Connemann eine Mitwirkung des Bundesfinanzministeriums. Ministerin Julia Klöckner habe in ihrem Haus bereits ein Referat Bürokratieabbau geschaffen.
Vier Milliarden Euro für Sozialpolitik
2,35 Milliarden Euro aus dem Landwirtschaftsetat sollen den Planungen nach als Zuschüsse für die Alterssicherung von Landwirten dienen (2018: 2,31 Milliarden Euro).
Weitere 1,43 Milliarden Euro sind Zuschüsse zur Krankenversicherung der Landwirte (2018: 1,41 Milliarden Euro). Insgesamt sieht der Einzelplan 10 vier Milliarden Euro unter dem Stichwort „landwirtschaftliche Sozialpolitik“ vor (2018: 3,95 Milliarden Euro). (ll/hau/12.09.2018)