Omid Nouripour hofft auf Freilassung der iranischen Anwältin Nasrin Sotoudeh
„Ein selbstbewusstes und mündiges Parlament braucht Abgeordnete, die frei ihrer Arbeit nachgehen können“, bringt Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) sein Selbstverständnis als Mitglied des demokratisch und frei gewählten Deutschen Bundestages zum Ausdruck. „Unsere Geschichte ist ein Beleg dafür, was passiert, wenn Abgeordnete das nicht können“, spielt er auf die Zeit des Nationalsozialismus, der DDR-Diktatur und des Kaiserreiches an.
Da es in zahlreichen Ländern um Demokratie und Parlamentarismus weiterhin schlecht bestellt ist, hat der Bundestag 2003 das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ geschaffen (fraktionsübergreifender Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „Schutz von bedrohten Menschenrechtsverteidigern“ (15/2078)). Deutsche Abgeordnete, die sich für politisch verfolgte Abgeordnete, aber auch ehemalige Parlamentarier, Juristen oder Journalisten in anderen Ländern einsetzen, können ihre Unterstützung in diesen offiziellen Rahmen stellen und Patenschaften für Betroffene übernehmen.
Für Omid Nouripour, der dem Bundestag seit 2006 angehört, ist es nach eigenen Worten selbstverständlich, als Abgeordneter zu Unrecht verfolgten Menschenrechtsaktivisten seine Unterstützung zukommen zu lassen. Momentan kümmert er sich um drei politisch Verfolgte in Indien, im Iran und in der Türkei.
Rechtsbeistand für iranische Menschenrechtler
Nasrin Sotoudeh (55) ist eine von ihnen. Die iranische Anwältin ist auf Kinderrechte spezialisiert. In den vergangenen Jahren hat sie sich außerdem der Durchsetzung von Frauenrechten und ganz allgemein der Menschenrechte angenommen. So vertrat sie Aktivisten der Opposition, die während der Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 inhaftiert worden waren, sowie zum Tode verurteilte Jugendliche, Frauen und politische Häftlinge.
2010 wurde sie deswegen von den iranischen Sicherheitsbehörden verhaftet und erhielt das harte Strafmaß von elf Jahren Haft, das nach internationalen Protesten auf sechs Jahre reduziert wurde, sowie Berufsverbot. Der Vorwurf: Verbreitung von Propaganda, die die Staatssicherheit gefährdet. Nach der vorzeitigen Freilassung 2013 hatte sie ihren Beruf als Anwältin mit Leidenschaft wieder aufgenommen, erzählt Nouripour.
„Der Alltag für Oppositionelle im Iran ist hart“
International ist Sotoudeh keine Unbekannte. Für ihr Engagement erhielt sie 2012 den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments. In den vergangenen Jahren hat Sotoudeh mehr und mehr die Verteidigung von Menschenrechtlern übernommen. Die politische Lage im Iran sei weiterhin von staatlicher Willkür und Repression gekennzeichnet, erklärt Nouripour. Die Willkür des Regimes beginne nicht erst mit einer Gefängnisstrafe. „Der Alltag für Oppositionelle und Bürger, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, ist hart“, so Nouripour. „Sie arbeiten unter extrem widrigen Umständen.“
So sei kürzlich eine Gruppe von Demonstranten, die vor dem Gefängnis friedlich für die Freilassung von Sotoudeh protestierte, von Sicherheitskräften angegriffen worden. Dabei seien einige Demonstranten schwer verletzt worden.
Sotoudeh erneut verhaftet
Jüngst hat der Fall Sotoudeh eine weitere dramatische Wendung genommen. Am 13. Juni 2018 ist die Anwältin erneut festgenommen – und im Schnellverfahren zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Zur Last gelegt wurde ihr wiederum, die nationale Sicherheit zu gefährden.
„Dieser Vorwurf ist absolut ungerechtfertigt“, so Nouripour. Nasrin Sotoudeh habe als Anwältin sehr darauf geachtet, stets im Rahmen der iranischen Gesetze zu handeln, die ihr ja als Juristin bestens vertraut seien – unabhängig davon, wie gerecht oder ungerecht das geltende Recht sei.
In diesen Rahmen habe sie auch ihr Engagement für Kinder gestellt, wenn sie sich beispielsweise dafür einsetzte, dass Minderjährige für ihre Vergehen nicht mit Hinrichtung bestraft werden dürfen. Iran habe schließlich die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert, die dies explizit verbietet.
„Wir müssen Aufmerksamkeit schaffen“
Dem Bundestagsabgeordneten Nouripour blieb nicht viel Zeit zu reagieren. Unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass die international wie auch im Iran prominente Menschenrechtlerin wieder in Haft ist, schlug er sie erneut für das Programm des Deutschen Bundestages vor, um ihr, verbunden mit diesem starken Signal, alle politisch mögliche Unterstützung zukommen zu lassen.
Zwar sei die Szene der Menschenrechtsverteidiger im Iran wegen der mangelnden Rechtsstaatlichkeit in dem Land sehr aktiv und erhalte bereits entsprechende internationale Aufmerksamkeit. Dennoch sieht sich Nouripour in der Pflicht, sein politisches Gewicht als deutscher Abgeordneter einzusetzen, um den internationalen Druck auf die Regierung in Teheran noch zu erhöhen, Sotoudeh schnell wieder freizulassen. „Ich rede als Außenpolitiker mit den Offiziellen im Iran und weise bei den verschiedensten Gelegenheiten darauf hin, dass eine solche Vorgehensweise nicht hinnehmbar ist“, sagt Nouripour.
Dabei spricht Nouripour sowohl ganz allgemein strukturelle Defizite des iranischen Rechtssystems wie Willkür und Folter an als auch einzelne Fälle wie den von Sotoudeh als Beispiel für die Mängel die iranischen Justizsystems. „Wir müssen Aufmerksamkeit schaffen und der iranischen Führung klar machen, dass sie nicht einfach Leute einsperren können, bis sie vergessen sind“, mahnt Nouripour. Und das, auch wenn ihm bei seinem Einsatz für Sotoudeh immer wieder Steine in den Weg gelegt würden und man selbst als Parlamentarier an Grenzen stoße.
„Wir dürfen nicht untätig bleiben“
Zu den Klassikern unter den Hindernissen gehöre, auch in autoritär regierten Ländern, deren System keine echte Gewaltenteilung kennt, die Bemerkung der dortigen Gesprächspartner, sie seien nicht zuständig, verbunden mit einem Hinweis auf die Unabhängigkeit der Justiz, die es dort so nicht gibt. Im Gegenteil: „Die Justiz ist im Iran Teil des Repressionsapparates“, so Nouripour.
Eine weitere Strategie nicht nur der iranischen Regierung, um dem für sie unangenehmen Thema Menschenrechte aus dem Weg zu gehen, sei es, zwar verbal Abhilfe zuzusagen, jedoch die Sache dann im Sand verlaufen zu lassen.
„Die Leute versprechen zu helfen, aber tun dann echt nichts“, so Nouripour. Frustriert ist der 43-Jährige deswegen nicht. Im Gegenteil: Er will weiter seinen Teil dazu beitragen, den Menschenrechten und denjenigen, die sich dafür stark machen, Geltung zu verschaffen, egal in welchem Land der Welt. Sein Credo dabei: „Wir dürfen nicht untätig bleiben.“ (ll/24.07.2018)