OSZE-PV verabschiedet Berliner Erklärung mit Empfehlungen
Zur dritten und letzten Plenarsitzung während ihrer 27. Jahrestagung sind die Abgeordneten der Parlamentarischen Versammlung (PV) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Mittwoch, 11. Juli 2018, im Plenarsaal des Berliner Reichstagsgebäudes zusammengekommen. Zahlreiche Redner gingen auf Probleme und Erfahrungen in ihren eigenen Ländern und ihrer Region ein, teilweise tauschten die Konfliktparteien bereits bekannte, unvereinbare Positionen aus.
„Den Mittelmeerraum nicht vergessen“
Insgesamt standen die ungelösten Konflikte in mehreren Mitgliedsländern wie in der Ukraine oder zwischen Armenien und Aserbaidschan im Mittelpunkt vieler Redebeiträge. Aber auch der Umgang mit den neuen Migrationsströmen wurde häufig angesprochen. So forderte Malta eine bessere europäische Kooperation und Lastenteilung an und einen besseren, menschenwürdigen Umgang mit Asylbewerbern.
Ein Sprecher der norwegischen Delegation wies darauf hin, dass, Flüchtlinge besser integriert werden müssten. Und Portugal machte darauf aufmerksam, dass es immer mehr „Umweltflüchtlinge“ gebe. Dies gelte es im Völkerrecht zu berücksichtigen. Das Partnerland Algerien richtete den dringenden Appell an die OSZE-Länder, bei allen Herausforderungen im Osten Europas, auf dem Balkan oder in Zentralasien den Mittelmeerraum nicht zu vergessen und die Entwicklung im Mittelmeerraum stärker zu fördern.
Demokratie, Humanität, vertrauensvoller Dialog
Entsprechend dem Arbeitsmotto der Versammlung befassten sich sich viele Beiträge mit der Rolle der Parlamente innerhalb der OSZE. Diese seien als Ort demokratisch gewählter Abgeordneter und durch ihre ständige Übung in der Debattenkultur besonders gut geeignet als internationale, multilaterale Foren, um sich zu begegnen, miteinander ins Gespräch zu kommen und nach kooperativen Lösungen zu suchen.
Die Parlamentarier könnten im Gespräch bleiben, wenn zwischen Regierungen mal der Gesprächsfaden abreisse, sagte die deutsche Abgeordnete Dr. Daniela De Ridder (SPD), die auf ihre belgischen und deutschen Wurzeln verwies, zweier Länder also, die einst gegeneinander im Krieg standen. „Dass ich heute hier sitze, ist ein Zeichen der Hoffnung“, so De Ridder. Die Quellen, aus denen der Frieden sich immer wieder speise, und die Gewalt und Konflikte verhinderten, seien unverbrüchliche Werte wie Demokratie und Humanität sowie der vertrauensvolle Dialog. Genau dafür stehe die OSZE, sagte die Abgeordnete.
„Gewalt gegenüber der Ukraine beenden“
Mehrere Parlamentarier gingen auch auf das Problem der mangelnden Bekanntheit der OSZE ein und machten sich und ihren Kollegen zur Aufgabe, die Arbeit der Organisation und der Versammlung immer wieder in die parlamentarische Arbeit in ihren nationalen Parlamenten einzubringen. Über die Parlamente könne man die OSZE wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken.
Die Vizepräsidentin der PV, Margarete Cederfelt aus Schweden, erinnerte daran, dass sich man gerade einen sehr traurigen Jahrestag begehe, jähre sich doch an diesem Mittwoch zum 33. Mal das Massaker von Srebrenica. Sie wolle dies als Gelegenheit nutzen, noch einmal nachdrücklich die Gewalt Russlands in der Ukraine anzuprangern. „Ich dränge Russland, die Gewalt gegenüber der Ukraine zu beenden, sich an den Verhandlungstisch zu setzen und sich an der Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen zu beteiligen“, sagte Cederfelt.
„Wir können etwas verändern“
Doris Barnett (SPD), Schatzmeisterin der OSZE-PV und Leiterin der deutschen Delegation, gab den Abgeordneten bei dem Vortrag ihres Rechenschaftsberichts auf den Weg, in ihren Bemühungen um Konfliktbeilegung nicht nachzulassen, und beschwor den Geist von Helsinki. „Wir haben in diesen Tagen hart um die aktuellen Texte gerungen, ganz im Sinne von 1975. Wir können etwas verändern, wenn wir es nur wollen.“
Zahlreiche Wortmeldungen nahmen auch Bezug auf den Tagungsort Berlin und den gastgebenden Deutschen Bundestag. Sowohl Berlin als auch das Reichstagsgebäude seien heute ein Symbol der Einheit Europas, nach Jahrzehnten der Teilung und nach der Zeit der Weltkriege.
Die Gastgeber, die deutschen Organisatoren, die deutsche Delegation und insbesondere Doris Barnett erhielten viel Lob für ihr Engagement, die Gastfreundschaft und die professionelle Durchführung der Jahresversammlung.
„Kein Ort gegenseitiger Schuldzuweisungen“
Thomas Greminger, Generalsekretär der OSZE, gab den Abgeordneten einen aktuellen Überblick über die Tätigkeit der Organisation. Die Exekutivorgane wollten eng und kooperativ mit der Parlamentarischen Versammlung zusammenarbeiten, betonte der Schweizer. Die PV sei kein Ort von gegenseitigen Schuldzuweisungen, mahnte er die Abgeordneten. Er sehe die Versammlung vielmehr als eine Einrichtung, die innovative Ansätze für die gesamte OSZE erarbeite.
Die demokratisch gewählten Parlamentarier sollten sich ihrer Schlüsselrolle in der Organisation bewusst sein. Sie hätten eine privilegierte Position, verfügten sie doch über einen einzigartigen Zugang sowohl zu den Entscheidungsträgern der Regierungen als auch zu den Bürgern.
„Kooperation ist möglich“
Als das neue und zentrale Gesprächsformat hob Greminger den 2016 ins Leben gerufenen strukturierten Dialog der OSZE hervor. Dieser müsse sämtliche Institutionen einbeziehen, die sich mit Sicherheitspolitik in und um Europa befassen, und solle kein geschlossener Club der Wiener Diplomaten bleiben. Es sei an den Parlamentariern, dieses Format nun bekannt zu machen und auf die jeweiligen Regierungen zuzugehen. „Alle müssen über den strukturierten Dialog Bescheid wissen. Bitte rühren Sie die Werbetrommel.“
Als sicherheitspolitische Hoffnungszeichen in Europa erwähnte Greminger die Verhandlungserfolge zwischen Griechenland und Mazedonien sowie in Transnistrien. „Kooperation ist möglich und kann zu friedlichen Ergebnissen führen, selbst in lange andauernden Konflikten“, ermutigte er seine Zuhörer. Sorge bereite weiterhin vor allem die Lage in der Ukraine. Auch die Sicherheit der Beobachtermission in der Ukraine werde immer wieder gefährdet. Die Konfliktparteien müssten sich an den in Minsk gemeinsam erarbeiteten Weg halten, um zu einem Frieden zu kommen. „Zu den Minsker Vereinbarungen gibt es keine Alternative.“
„OSZE finanziell besser ausstatten“
Greminger sprach auch die chronische Unterfinanzierung der OSZE an und rief die Parlamentarier dazu auf, die Organisation zur Bewältigung ihrer Arbeit finanziell besser auszustatten. Das Nullwachstum des Haushalts werde zu einem Streichen von Stellen und Aktivitäten führen, mahnte er. Die Organisation werde nicht alle Verpflichtungen erfüllen können, den in sie gesetzten Erwartungen nicht mehr gerecht werden und so an Relevanz verlieren.
Das Sekretariat habe seinen Beitrag bereits geleistet und eine Haushaltsreform durchgeführt. Diese Schritte umfassten auch die Einführung eines Doppelhaushalts und den Übergang zur Mehrjahresfinanzplanung, was den Projekten vor Ort entgegenkomme. Um seiner Bitte Nachdruck zu verleihen, illustrierte Greminger dies mit einem einprägsamen Bild und einer Frage, um welche finanzielle Größenordnung es sich beim OSZE-Haushalt handelt: „Sollte kooperative Sicherheit nicht mehr Wert sein als als ein einzelnes, modern ausgestattetes F16-Kampfflugzeug?“
Berliner Erklärung verabschiedet
Als Abschlussdokument ihrer Arbeit in Ausschüssen und Plenum verabschiedeten die Delegierten eine Berliner Erklärung, die Empfehlungen enthält zu allen Handlungsfeldern der OSZE, vor allem der ständigen Ausschüsse, und die sich an die nationalen Regierungen und Parlamente der Mitgliedstaaten richtet, aber auch Leitfaden sein soll für die Arbeit der Organisation selbst.
Schließlich wurde George Tsereteli aus Georgien als Präsident der Versammlung wiedergewählt. Auch die Vizepräsidenten wurden bestimmt. In seinem Schlusswort erinnerte Tsereteli daran, bei allen harten Debatten und gegenseitiger Kritik das Hauptziel der Arbeit der Parlamentarier nicht aus den Augen verloren werden sollte: den Bürgern zu dienen. (ll/11.07.2018)