Spahn kündigt „Kassensturz“ und höheren Pflegebeitrag an
Der Bundestag hat sich am Freitag, 18. Mai 2018, erstmals mit dem Gesundheitsetat (19/1700) für das Jahr 2018 befasst. In der rund anderthalbstündigen Debatte ging es unter anderem um die Zukunft der Pflegeversorgung und geplante Beitragssatzanhebungen, die paritätische Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge sowie um die Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte (eGK).
Der Einzelplan 15 bleibt mit Gesamtausgaben in Höhe von rund 15,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr (15,16 Milliarden Euro) stabil. Allein 14,5 Milliarden Euro gehen als Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds, deklariert als pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Mit dem Geld werden sogenannte versicherungsfremde Leistungen finanziert, etwa die beitragsfreie Familienmitversicherung oder Aufwendungen für Schwangerschaft und Mutterschaft.
Versorgung von Pflegebedürftigen
Für Maßnahmen zur besseren Versorgung von Pflegebedürftigen sind im Haushalt 6,9 Millionen Euro vorgesehen (2017: 4,9 Millionen Euro). Hinzu kommen rund 52 Millionen Euro zur Förderung der privaten Pflegezusatzversicherung (2017: rund 46 Millionen Euro). Für die gesundheitliche Prävention und Aufklärung der Bevölkerung sind rund 50 Millionen Euro veranschlagt. Zur Unterstützung von Forschungsvorhaben und Forschungseinrichtungen sind im Haushalt 2018 rund 91 Millionen Euro (2017: rund 84,5 Millionen Euro) vorgesehen. Die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens wird mit rund 98 Millionen Euro (2017: rund 75 Millionen Euro) gefördert.
Der Haushaltsplan umfasst auch die Etats der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie des Robert-Koch-Instituts (RKI).
Minister: Defizit bei Pflege drei Mal höher als erwartet
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies wie andere Redner darauf hin, dass der Gesundheitsetat vergleichsweise klein ausfalle, ein Großteil der Gesundheitsausgaben jedoch über die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von den Bürgern finanziert werde. So liegen allein die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei über 200 Milliarden Euro pro Jahr. Mit Blick auf unlängst veröffentlichte Zahlen des GKV-Spitzenverbandes zur Pflegeversicherung betonte Spahn, das gesellschaftliche Versprechen einer umfassenden Versorgung in Gesundheit und Pflege sei nicht billig.
Die bereits in die Wege geleiteten Pflegereformen hätten zu einer vermehrten Nachfrage nach Leistungen geführt. Dies sei erwartet worden und im Grundsatz positiv, allerdings sei die Nachfrage nun höher als angenommen. Das für dieses Jahr prognostizierte Defizit in der Pflegeversicherung liege mit drei Milliarden Euro drei Mal höher als erwartet. Er werde nun mit den Pflegekassen beraten und schauen, was zu dieser unerwarteten Bewertung geführt habe. Geplant sei ein „Kassensturz“. Es zeichne sich ab, dass der Pflegebeitrag spätestens ab dem kommenden Jahr erhöht werden müsse. Im Gespräch ist eine Anhebung von 0,2 Prozentpunkten. Derzeit liegt der Beitragssatz bei 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens (2,8 Prozent für Kinderlose).
Spahn räumte ein, dass viele Pflegekräfte in einer schwierigen Lage seien und versprach, den Alltag der Fachkräfte unter anderem mit dem Sofortprogramm für mehr Pflegestellen zu verbessern. So sollen 13.000 neue Stellen in Altenpflegeeinrichtungen geschaffen werden. Geplant sei überdies, die Pflegefinanzierung in den Kliniken aus den Fallpauschalen (DRG) auszugliedern sowie Pflegepersonaluntergrenzen festzulegen. Spahn betonte, man müsse wertschätzen, was die vielen Pflegekräfte leisteten und ihnen im Alltag konkret helfen.
AfD kritisiert steigende Ausgaben
Die AfD-Fraktion warf dem Minister vor, die verfehlte Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre einfach fortzuschreiben. Axel Gehrke (AfD) monierte, es seien keine Zeichen eines Wechsels festzustellen, der Haushalt repräsentiere den Geist der vergangenen Jahre. Es heiße ja, neue Besen kehrten gut, sagte Gehrke, fügte jedoch in Anspielung auf den neuen Gesundheitsminister hinzu: „Das ist kein neuer Besen, das ist bestenfalls ein alter Besen mit neuen Borsten.“
Der AfD-Politiker kritisierte eine zunehmende Planwirtschaft, Regulierung und steigende Ausgaben statt eines „kooperativen Miteinanders“. Es bestünden Zweifel, ob das eingezahlte Geld wirklich für Gesundheit ausgegeben werde. Konkret forderte Gehrke den „Rückbau des menschenverachtenden DRG-Systems im Krankenhaus“ und rügte ferner, dass Versicherte „fast blind“ sein müssten, um in der GKV eine Brille bezahlt zu bekommen (DRG: Diagnosis Related Groups, diagnosebezogene Fallgruppen).
FDP moniert paritätische Beitragsfinanzierung
Die FDP stört sich unter anderem an der ab 2019 geplanten Rückkehr zur vollständigen paritätischen Finanzierung der Beiträge in der GKV. Michael Theurer (FDP) warnte vor zusätzlichen Belastungen der Arbeitgeber, die schon die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ganz allein zu schultern hätten.
Er warf dem Minister zudem vor, dieser wolle im „Handstreich“ wichtige Vorhaben angehen, sorge damit aber eher für Schlagzeilen als für eine konkrete Umsetzung. So habe Spahn mit seinem Zickzackkurs bei der eGK unlängst für große Verunsicherung gesorgt. Erst habe er die Gesundheitskarte abschaffen wollen, dann sei er wieder zurückgerudert. Das Digitalprojekt sei in mehr als zehn Jahren kaum vorangekommen, was ein Armutszeugnis sei.
SPD: Die Krankenpflege wurde „kaputtgespart“
Redner der SPD verteidigten ihre Forderung nach einer Rückkehr zur Parität. Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) betonte, die Arbeitnehmer könnten künftige Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht allein tragen. In der Kranken- und Altenpflege sei eine große Kraftanstrengung nötig sowie mehr Geld. In der Altenpflege fehlten wahrscheinlich zwischen 50.000 und 100.000 Kräfte. Nötig seien daher Initiativen, um Fachkräfte, die ausgestiegen seien, zur Rückkehr in die Pflege oder zur Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit zu bewegen.
Den Vorschlag des Pflegebeauftragten Andreas Westerfellhaus, Pflegekräfte mit Prämien zur Rückkehr zu bewegen, nannte Lauterbach „innovativ und richtig“. Die Krankenpflege sei „kaputtgespart“ worden, sagte Lauterbach weiter. Hier sei eine „Totaloperation“ nötig mit einem System der Kostendeckung.
Linke warnt vor „Dreiklassenmedizin“
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke) erneuerte die Forderung ihrer Partei nach Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung. Sie sprach in ihrer Rede in Anspielung auf Nichtversicherte sowie unterschiedliche Leistungsangebote für gesetzlich und privat Versicherte (PKV) von einer „Dreiklassenmedizin“. Viele Ärzte wanderten in Regionen mit besonders vielen PKV-Versicherten ab, was zu einer ungleichen Versorgung führe. Damit müsse Schluss sein.
Susanne Ferschl (Die Linke) nannte den Pflegenotstand skandalös. Manche Angehörige seien mit dem Eigenanteil in Pflegeheimen finanziell völlig überfordert. Insofern beinhalte die Pflege eine Armutsrisiko. Auch die Preise für Medikamente hätten sich in den vergangenen Jahren vervielfacht.
Grüne lehnen „Beitrags-Jojo“ ab
Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: „In der Pflege brennt die Hütte.“ Auch sie lobte die Vorschläge des Pflegebeauftragten. Schnelle Hilfe sei nötig, sagte sie und forderte angesichts der absehbar höheren Kosten einen Nachtragshaushalt für die Pflege. Die problematische demografische Entwicklung beginne gerade erst.
Maria Klein-Schmeink (Bündnis 90/Die Grünen) monierte, der Haushalt gebe keine Antworten auf drängende Fragen. Sie warnte den Minister davor, mit einer gesetzlichen Regelung darauf hinzuwirken, dass hohe Rücklagen der Krankenkassen aufgelöst werden. Dies werde ein „Beitrags-Jojo“ auslösen. Die Gelder fehlten am Ende für wichtige Ausgaben.
Internationale Gesundheitspolitik
Mehrere Redner gingen auch auf die aus ihrer Sicht wichtige Förderung der internationalen Gesundheitspolitik im Haushalt ein. Karsten Klein (FDP) verwies in seiner Rede auf die jüngst im Kongo aufgetretenen Ebola-Fälle. Dies zeige, wie wichtig etwa die Zuschüsse zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) seien. Krankheiten machten an Grenzen nicht halt, sie müssten global bekämpft werden.
Auch Emmi Zeulner (CDU/CSU) sagte, in der Gesundheitspolitik müsse über nationale Grenzen hinaus gedacht werden. Die dafür vorgesehenen Gelder seien gut angelegt.
Zuschuss an den Gesundheitsfonds
Von den Gesamtausgaben des Einzelplans 15 entfallen 14,74 Milliarden Euro auf Zuweisungen und Zuschüsse, davon wiederum 14,5 Milliarden Euro (wie 2017) auf den Zuschuss an den Gesundheitsfonds zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben. Durch diesen Zuschuss sollen die Krankenkassen bei der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen teilweise entlastet werden.
Für die Pflegevorsorge und sonstige soziale Sicherung sind 67,79 Millionen Euro eingeplant (2017:59,13 Millionen Euro). Darin enthalten sind 51,9 Millionen Euro (2017: 45,75 Millionen Euro) für die Förderung der freiwilligen privaten Pflegevorsorge und 6,9 Millionen Euro (2017: 4,9 Millionen Euro) für die bessere Versorgung Pflegebedürftiger vorgesehen. Präventionsmaßnahmen und Einrichtungen auf dem Gebiet des Gesundheitswesens sollen mit 50,39 Millionen Euro gefördert werden (2017: 50,48 Millionen Euro).
Forschung und Internationales
Forschungsvorhaben und -einrichtungen sollen 90,94 Millionen Euro erhalten (2017: 84,49 Millionen Euro). Für das internationale Gesundheitswesen will Minister Spahn 98,36 Millionen Euro ausgeben (2017: 75,34 Millionen Euro). Davon sind 28,43 Millionen Euro als Beiträge an internationale Organisationen verplant (2017: 64,41 Millionen Euro).
Das Robert-Koch-Institut in Berlin, das sich unter anderem mit der Vorbeugung gegen übertragbare Krankheiten beschäftigt, soll mit 92,64 Millionen Euro bedacht werden (2017: 100,45 Millionen Euro), das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn, das unter anderem Fertigarzneimittel zulässt und registriert, mit 80,66 Millionen Euro (2017: 81,41 Millionen Euro) und das Paul-Ehrlich-Institut in Langen bei Frankfurt am Main, das Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zulässt, mit 72,16 Millionen Euro (2017: 73,11 Millionen Euro). (pk/sas/vom/18.05.2018)