Auswärtiges

Sachverständige kritisieren zu geringe Mittelvergabe für Gewaltprävention

Hände reichen durch Stacheldraht eine Trillerpfeife und Blumen.

Der Unterausschuss „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ führte ein öffentliches Fachgespräch mit zwei Sachverständigen. (© picture-alliance/AP-Photo)

Wie sehr der Beitrag Deutschlands zur weltweiten Prävention und Bewältigung von Konflikten auf der Arbeit der Fachkräfte von Durchführungs- und Nichtregierungsorganisationen beruht, das riefen Martin Vehrenberg vom Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD) und Peter Wittschorek vom Förderprogramm „zivik“ beim Institut für Auslandsbeziehungen bei einer Expertenanhörung des Unterausschusses „Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln“ unter Leitung von Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 25. Juni 2018, in Erinnerung. 

Einsatz für Dialog, Menschenrechte und Frieden

So unterstützen aktuell 300 ZFD-Fachkräfte unterschiedlichster Berufsgruppen lokale Kräfte in 42 Ländern bei ihren Bemühungen für Dialog, Menschenrechte und Frieden. Im Konsortium Ziviler Friedensdienst sind neun deutsche Entwicklungsorganisationen wie „Brot für die Welt“ zusammengeschlossen und führen den ZFD gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen durch. Die Finanzierung erfolgt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. 

Das Programm „zivik“ (zivile Konfliktbearbeitung) beim Institut für Auslandsbeziehungen berät Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und das Auswärtige Amt in der zivilen Konfliktbearbeitung. Zivik fördert, dokumentiert und evaluiert weltweit Projekte in Krisenregionen und wird vom Auswärtigen Amt finanziert.

Sinkendes Engagement für Gewaltprävention

Im Hinblick auf die bevorstehenden Beratungen des Bundeshaushalts 2019 waren die beiden Experten aufgefordert, finanzielle und personelle Bedarfe aus Sicht der Durchführungsorganisationen darzustellen. Martin Vehrenberg beklagte, dass das Engagement für Gewaltprävention und Frieden in vielen Ländern habe reduziert werden müssen. Nur bei einem deutlichem Anstieg der Mittel könne man außerdem an die Aufnahme neuer Länder in die Projektförderung denken.

Vehrenberg unterstrich neben der staatlichen Förderung die Bedeutung zivilgesellschaftlicher und einheimischer Kräfte bei der Konfliktbearbeitung und mahnte, die Zivilgesellschaft und die Bevölkerung in ihrer ganzen Bandbreite noch stärker einzubinden. Vor Ort arbeiteten Deutsche und Einheimische idealerweise Hand in Hand, internationale ZFD-Fachkräfte seien in lokalen Partnerorganisationen tätig. 

„Die Pluralität der Akteure ist die Basis für den Erfolg von Friedensprozessen. Der ZFD stärkt lokale Kräfte in ihren Friedensbemühungen“, sagte Vehrenberg. Gefördert würden auch einheimische Mitarbeiter und Sachmittel. Die Konflikte in Südsudan und Kamerun müsse man als Negativbeispiele bezeichnen, in denen zivilgesellschaftliche Kräfte nicht genügend einbezogen worden seien.

Versöhnungsarbeit in Kolumbien und Sri Lanka

In der Ukraine, jenseits der großen Konfliktlinien, die die Politik vor allem im Auge habe, würde man gerne zivile Kräfte einsetzen, wenn denn die Mittel dafür vorhanden wären, sagte Peter Wittschorek. Zivile Akteure arbeiteten genau dort, wo sie gebraucht würden, um bei der Krisenbewältigung voranzukommen, nämlich vor Ort, im Kleinen, an den Wurzeln der Konflikte. Als Erfolgsbeispiele ziviler Krisenbearbeitung nannten die Experten Kolumbien und insbesondere die Versöhnungsarbeit in Sri Lanka. Dort gelinge es, Versöhnung zu stiften, indem man ganz konkret Individuen zusammenbringe statt sich entlang der Trennlinien der Religionen zu bewegen.

Auch das IFA-Programm unterstützt lokale Organisationen finanziell, sagte Wittschorek und begrüßte den kontinuierlichen Anstieg der staatlichen Zuwendungen der letzten Jahre. Er empfahl, die lokalen NGOs weiter zu stärken. Nur sie verfügten über die nötigen örtlichen Kenntnisse, um den Konfliktursachen beizukommen. Außerdem müsse man das Zuwendungsrecht praxisnäher gestalten, mahnte Wittschorek, und illustrierte, wie das aktuelle Regelwerk der Bundeshaushaltsordnung zahlreiche Antragsteller und kleine Projektträger überfordert, beispielsweise was Förderdauer, Fristen oder Belegpflichten unter konkreten Einsatzbedingungen in Krisengebieten betreffe. „Viele Organisationen kapitulieren vor dem administrativen Aufwand.“

Das Förderprogramm zivik des IFA als ein wesentliches Instrument der Außenpolitik zu stärken, sei richtig. Allerdings hielt die personelle Ausstattung des Berliner Büros mit zehn Mitarbeitern, darunter die meisten in Teilzeit, nicht Schritt mit dem Aufwuchs der finanziellen Mittel der letzten Jahre. „Wir könnten mit zwei bis drei Vollzeitstellen noch mehr Fördermittel bewältigen, aber aktuell sind die personellen Ressourcen nicht mit dem gestiegenen Fördervolumen gewachsen“, stellte Wittschorek fest.

Finanzielle Knappheit beschränkt Arbeit 

Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Unterausschusses, stimmte einer Überarbeitung des Bundeshaushalts im Hinblick auf die internationale Projektarbeit zu. „Die Bundeshaushaltsordnung kann man auch mal hinterfragen, sodass darunter nicht die eigentliche, fachliche Friedensarbeit leidet.“ Vielleicht wäre auch die Hinwendung zu einer institutionellen Förderung gegenüber der Projektarbeit eine Lösung, überlegte von Holz.

Der Vorsitzende fragte außerdem, ob die Organisation bei einer beträchtlichen Erhöhung der Projektmittel überhaupt genügend Leute für die internationale Friedensarbeit finden würden. Dem entgegnete Vehrenberg, man stehe nicht vor einem generellen Rekrutierungsproblem. „Die finanzielle Knappheit ist der eigentliche beschränkende Faktor.“ Verfüge man über Projektmittel und könne diese personell verwalten, dann fänden sich auch Organisationen und Mitarbeiter auf der Durchführungsseite. Es gingen stets mehr Projektanträge ein, als das vorhandene Budget an Mitteln hergebe.

Einschränkung des Engagements fällt schwer

Auf die Überlegung von Obmann Thorsten Frei (CDU/CSU), ob es angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen nicht sinnvoll sei, die Hilfe basierend auf außenpolitischen Interessen gezielt auf eine geringere Zahl an Ländern zu fokussieren, entgegnete Vehrenberg, mit einer solchen Konzentration tue man sich eher schwer. 

Engagements zu beenden sei schmerzhaft, seien doch alle – wohl durchdachten und in einem transparenten Verfahren ausgewählten – Projekte sinnvoll. Aus inhaltlichen Erwägungen gehe man kaum aus einem Land heraus, allenfalls eine Reduktion der Fördermittel, mit der eine Unterschreitung einer sinnvollen Personalstärke einhergehe, könne einen Anstoß dazu geben, ein Länder-Engagement zu beenden. (ll/26.06.2018)

Liste der geladenen Sachverständigen

  • Martin Vehrenberg, Konsortium Ziviler Friedensdienst (ZFD)
  • Peter Wittschorek, Förderprogramm „zivik“, Institut für Auslandsbeziehungen