Die Situation in Syrien hat der Bundestag am Donnerstag, 7. November 2019, thematisiert. Ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Friedensprozesse in Syrien fördern, Völkerrecht wiederherstellen“ (19/8357) wurde im Anschluss zur federführenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Für eine neue Syrienpolitik – Frieden sichern, Wiederaufbau fördern“ (19/14767) wurde kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt.
Antrag der Linken
Die Linke setzt sich für einen Friedensprozess und Verhandlungen unter Einbeziehung aller Akteure in Syrien ein. In ihrem Antrag (19/8357) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, „sich für einen sofortigen Waffenstillstand in Syrien an allen Fronten und von allen Seiten einzusetzen, auch um den ungehinderten Zugang zu Hilfslieferungen zu ermöglichen“ und „den Bundeswehreinsatz in und über Syrien zu beenden und sich gegenüber allen Konfliktparteien dafür einzusetzen, die Kampfhandlungen einzustellen und ihre Truppen abzuziehen“.
Die Bundesregierung solle zudem alle Gesprächsformate für eine friedliche Beilegung der Konflikte unterstützen und „sich für politische Verhandlungen unter dem nachdrücklichen Bekenntnis zu der territorialen Einheit und Souveränität und mit dem Ziel einzusetzen, eine Übergangsregierung zu bilden sowie Neuwahlen und einen Verfassungsprozess vorzubereiten, wie es die Resolution 2254(2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 18.12.2015 vorsieht“.
Anträge der Grünen und der Linken abgelehnt
Abgelehnt wurden drei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Zum Antrag mit dem Titel „Syrien – Beweise sichern, Völkerstraftaten ahnden“ (19/1876) hatte der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine Beschlussempfehlung (19/5029) vorgelegt. Alle anderen Fraktionen stimmten gegen den Antrag.
Zum zweiten Antrag mit dem Titel „Völkerrecht in Syrien hochhalten – Eskalation verhindern und den politischen Prozess vorantreiben“ (19/2513) lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/5028) vor. Bis auf die AfD, die sich enthielt, stimmten die übrigen Fraktionen gegen den Antrag.
Zum Antrag mit dem Titel „Militäroffensive der Türkei in aller Schärfe als völkerrechtswidrig verurteilen und klare Konsequenzen ziehen“ (19/14094) lag ebenfalls eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/14865) vor. Bis auf Die Linke, die sich enthielt, stimmten die übrigen Fraktionen gegen den Antrag.
Auch zur Abstimmung über den Antrag der Linken mit dem Titel „Militärische Angriffe von den USA und der Türkei auf Syrien als völkerrechtswidrig verurteilen“ (19/2518) hatte der Aiswärtige Ausschuss eine Beschlussempfehlung erarbeitet (19/5027). Bis auf die AfD, die sich enthielt, stimmten die übrigen Fraktionen gegen den Antrag.
Erster Antrag der Grünen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisiert, dass „keines der in Syrien begangenen Kriegsverbrechen, keines der dort begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bislang geahndet worden sei. Wie die Abgeordneten in ihrem Antrag (19/1876) schreiben, sei auf internationaler Ebene der Weg zu einer Ahndung der in Syrien begangenen Völkerstraftaten de facto versperrt. „Da Syrien kein Vertragsstaat des Römischen Statuts ist, kann sich der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court - ICC) oder aber ein zu gründendes Ad-hoc-Sondertribunal nur mit der dortigen Situation befassen, wenn ihm der Sicherheitsrat den Fall zur Bearbeitung überweist.“ Der Versuch einer solchen – auch von Deutschland unterstützten – Überweisung an den ICC sei am Veto von Russland und China gescheitert.
Die Abgeordneten fordern mit ihrem Antrag die Bundesregierung unter anderem auf, die Ahndung von in Syrien begangenen Völkerstraftaten in Deutschland zu intensivieren und zu beschleunigen, unter anderem durch „die signifikante Aufstockung von Personal und finanziellen Ressourcen“ der Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen und weiteren Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (ZBKV) und des Völkerstrafrechtsreferats beim Generalbundesanwalt.
Zweiter Antrag der Grünen
Im zweiten Antrag der Grünen (19/2513) wird die Bundesregierung aufgefordert, sich in der EU stärker für diplomatische Initiativen einzusetzen und „damit die bisherige Passivität der EU angesichts der katastrophalen Lage in Syrien zu beenden“. Außerdem solle sie sich in der EU dafür einsetzen, „den VN-Sicherheitsrat aufzufordern, die unterschiedlichen Verhandlungen von Genf, Astana, Sotchi, Wien und der ,Small Group‘ durch zentrale Verhandlungen aller relevanten Akteure unter Leitung des VN-Sicherheitsrates zusammenzuführen“.
Weitere Forderungen zielen auf die Durchsetzung der Ächtung von Chemiewaffen, auf Konsequenzen aus der „völkerrechtswidrigen Intervention der Türkei in Nordsyrien“, auf einen Stopp deutscher Rüstungsexporte in die Türkei sowie auf die Aufrechterhaltung des Nuklearabkommen mit dem Iran.
Dritter Antrag der Grünen
In einem dritten Antrag (19/14094) fordern die Grünen die Bundesregierung auf, sich für einen sofortigen Stopp des türkischen Angriffs in Nordsyrien einzusetzen – „bilateral, auf europäischer Ebene, bei den Vereinten Nationen, insbesondere im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und im Rahmen der Nato“.
Der „Einmarsch der Türkei in Syrien“ müsse als völkerrechtswidrig verurteilt und diese Position auf allen diplomatischen Ebenen bekräftigt werden, wird verlangt. Der türkischen Führung sei zu verdeutlichen, dass „sie für ihre völkerrechtswidrige Invasion keinen Beistand der Nato erwarten kann“.
Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke will die „militärischen Angriffe von den USA und der Türkei auf Syrien“ als völkerrechtswidrig verurteilen. In ihrem Antrag (19/2518) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, „den Völkerrechtsbruch durch die Türkei beim Einmarsch in Syrien im Januar 2018“ und den „Völkerrechtsbruch durch die USA, Großbritannien und Frankreich beim Militärschlag gegen Syrien am 14. April 2018 festzustellen und zu verurteilen“.
Außerdem solle die Bundeswehr sowohl aus dem Einsatz im Rahmen der Anti-IS-Koalition als auch aus der Türkei und von den AWACS-Flügen der Nato abgezogen werden.
Abgesetzter Antrag der AfD
Die AfD fordert in ihrem von der Tagesordnung abgesetzten Antrag (19/14767), die „von der türkischen Regierung angekündigte Eroberung der Gebiete im Norden Syriens und die Vertreibung der angestammten kurdischen Bevölkerung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu klassifizieren“. Nach dem erklärten Rückzug der USA aus dem betreffenden Gebiet solle die Bundesregierung sich mit Russland über die Umwandlung der bisherigen russisch-türkischen Schutzzone in Nordsyrien in eine Schutzzone der Vereinten Nationen ins Benehmen setzen. Als deutschen Beitrag sei eine maßgebliche Beteiligung am Wiederaufbau der Basisinfrastruktur in Syrien durch deutsche Unternehmen zu vereinbaren.
Den deutschen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen solle die Regierung nutzen und in Abstimmung mit den Verbündeten sowie China eine Resolution auf der Basis des deutsch-russischen Benehmens ein- und durchbringen, welche die Einrichtung einer Schutzzone sowie von Flüchtlingslagern der Vereinten Nationen in Nordsyrien und den Wiederaufbau der Basisinfrastruktur in Syrien beinhaltet. (hau/07.11.2019)