Bundesregierung will Familiennachzug neu regeln
Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ja, aber nur limitiert: Das sind die Pläne der Koalition für eine Neuregelung des umstrittenen Themas, über die der Bundestag am Donnerstag, 7. Juni 2018, erstmals diskutiert hat. Grundlage der Debatte waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (19/2438) und Entwürfe der FDP (19/2523) sowie der Linken (19/2515).
Der Regierungsentwurf sieht vor, Mitgliedern der Kernfamilie – also Ehegatten, minderjährige ledige Kinder und Eltern minderjähriger Kinder – den Familiennachzug ab dem 1. August 2018 aus humanitären Gründen wieder zu gewähren. Dieser ist seit 2016 ausgesetzt und soll auf 1.000 Menschen pro Monat beschränkt werden, um „die Integrationsfähigkeit der Aufnahmegesellschaft zu gewährleisten“.
Die Liberalen wollen den Nachzug von Personen, die subsidiären Schutz genießen, weitere zwei Jahre mit nur strengen Ausnahmen aussetzen, die Linke will diese Aussetzung dagegen sofort aufheben.
Minister: Missbrauch verhindern
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte in seiner Rede, es gehe um einen Personenkreis von 265.000 Menschen, die von der Regelung profitieren könnten. Die Grenze von 1.000 Personen monatlich sei sinnvoll angesichts der Integrationsfähigkeit des Landes und stelle einen guten Kompromiss hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit, der humanitären Verpflichtungen und der Interessen der Schutzbedürftigen dar.
Um einem Missbrauch vorzubeugen, gebe es Regelungen, um den Nachzug von Gefährdern und Straftätern zu verhindern. Gleichzeitig wolle man Anreize verhindern, dass minderjährige Kinder von ihren Eltern auf die gefährliche Reise geschickt werden, um später von der Möglichkeit des Familiennachzugs zu profitieren. Seehofer sprach sich in diesem Zusammenhang für höhere Strafen für Schlepper minderjähriger Flüchtlinge aus.
SPD: Entwurf ist ein Kompromiss
Der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka nannte das Gesetz „einen Kompromiss“, der einerseits den humanitären Grundsatz „Kinder gehören zu ihren Eltern“ einlöse und andererseits für „Ordnung und Sicherheit“ sorge.
Die Zahl von 1.000 Menschen pro Monat sei keine Willkür, sondern sorge für Planbarkeit insbesondere für die Kommunen, die den Nachzug umsetzen müssten.
CDU/CSU: Keine Magnetwirkung schaffen
Für die Unionsfraktion sagte Dr. Stephan Harbarth, mit dem Gesetz komme ein zweijähriges politisches Ringen an ein Ende. Würde man allein „nach dem Herzen entscheiden“, würde man „gern jeder Familie helfen, zueinander zu kommen“. Aber es gelte, dass die Möglichkeiten endlich sind – der Entwurf sei daher ein Kompromiss, der nicht die Augen verschließe vor der Not der Betroffenen, aber auch nicht vor der Notwendigkeit, Migration zu begrenzen, um die Gesellschaft nicht zu überfordern.
Die Große Koalition habe hart dafür gearbeitet, den Zustrom von Migranten zu begrenzen. Diese Zielsetzung solle nicht durch einen uneingeschränkten Nachzug „konterkariert werden“, der innerhalb Europas eine „Magnetwirkung“ entfalten würde.
FDP will Sachgrund für die Begrenzung
Die FDP stört sich an der Kontingentierung der Menschen, die nachziehen können. Die Liberalen seien nicht für einen unbegrenzten Familiennachzug, sagte Stephan Thomae, aber es müsse „ein Sachgrund gefunden werden“, der zum Nachzug berechtige.
Sich auf eine „aus der Luft gegriffene“ Zahl festzulegen „ist und bleibt falsch“. Der Entwurf sei in zu vielen Punkten „misslungen“, das sehe auch der Normenkontrollrat so, der Gesetzentwürfe auf ihre Bürokratielastigkeit hin überprüft.
Linke will Nachzug für alle
Für Die Linke sagte Ulla Jelpke, die Regierung schaffe mit ihrem Entwurf das Recht auf Familiennachzug ab. Damit zwinge sie „Zigtausende auf Jahre hinaus in eine humanitäre Katastrophe“. Ihre Fraktion wolle „das Recht auf ein gemeinsames Familienleben für alle Flüchtlinge uneingeschränkt“ wiederherstellen.
Der Familiennachzug sei auch „aus Gründen der Integration“ geboten – wer sich um seine Angehörige sorgen müsse, könne nicht wirklich in Deutschland ankommen.
Grüne: Regierung schafft „Gnadenrecht“
Auch die Grünen lehnen den Entwurf ab. Der Antrag sei „schmerzhaft“, so Luise Amtsberg, die Debatte darüber aber auch, weil es dabei um Kinder gehe – und an deren Schutzstatus immer wieder „herumgeschraubt“ werde. Das Gesetz trete das fundamentale Anrecht darauf, mit seiner Familie in Frieden zu leben, „mit Füßen“.
Damit werde aus einem Grundrecht „ein Gnadenrecht“, das das Grundgesetz beschneide. Es sei unklar, wie die Auswahl der Menschen erfolgen solle. Das Gesetz werde die Integration von Menschen „dauerhaft verhindern“.
AfD: Gesetz ist „absurd“
Fundamentale Ablehnung für den Entwurf gab es von der AfD. Dr. Bernd Baumann sagte, statt „den Wahnsinn zu stoppen“, dass Tausende Menschen, über die man nichts wisse, ins Land strömten, habe die Regierung „die Chuzpe, die Schleusen weiter zu öffnen“. Daher säßen die „größten Gefährder“ des Landes „auf der Regierungsbank“.
Das Gesetz sei „absurd“, weil „unsere Grenzen“ noch immer „jedem sperrangelweit offen“ stünden, da es seit 2015 keine Grenzkontrollen mehr gebe.
Petry: Probleme bleiben ungelöst
Die fraktionslose Abgeordnete Dr. Frauke Petry sagte, der massive Kontrollverlust in Sachen Migration seit 2015 sei bis heute unvergessen. In den letzten drei Jahren habe die Regierung striktere Regelungen in Sachen Familiennachzug erlassen müssen, weil dieser nach wie vor eine Form der auch illegalen Migration sei.
Man gehe dabei fahrlässig vor, weil die Probleme, dass vieles über die nachziehenden Menschen gar nicht bekannt sei, ungelöst blieben. (suk/07.06.2018)