Minister Gerd Müller: Entwicklungspolitik hat neuen Stellenwert erhalten
Der Etat für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) soll in diesem Jahr kräftig steigen – um 900,25 Millionen Euro auf 9,44 Milliarden Euro. Bei der ersten Lesung des Einzelplans 23 laut Haushaltsentwurf der Bundesregierung (19/1700) zeigte sich Ressortchef Dr. Gerd Müller (CSU) dementsprechend zufrieden. Der Opposition reicht der geplante Aufwuchs hingegen nicht, sie forderte neben mehr Mitteln mehr Kohärenz und Multilateralität in der Entwicklungszusammenarbeit.
Minister fordert Europäisierung der Afrika-Politik
„Die Entwicklungspolitik hat heute einen vollkommen neuen Stellenwert erhalten“, betonte der Minister in der rund 90-minütigen Debatte. „Unser Haushalt wächst 2018 um 10,5 Prozent. (…) Damit können wir eine Menge zusätzlich tun und Probleme vor Ort lösen, etwa in den Krisengebieten um Syrien.“ Er kündigte an, 25 Prozent des Etats unter anderem in eine neue Sonderinitiative „Ausbildung und Beschäftigung“ investieren zu wollen.
Außerdem forderte er eine Europäisierung der Afrika-Politik. Die EU gebe in der kommenden Siebenjahresperiode 420 Milliarden Euro für die europäische Landwirtschaft aus. 42 Milliarden Euro seien für die Afrika- und Entwicklungspolitik. „Das wird den Zukunftsherausforderungen nicht gerecht“, erklärte Müller.
SPD will sogenanntes ODA-Ziel erreichen
Die Bundesregierung will 2018 insgesamt 0,5 Prozent des Bruttonationalprodukts für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit („ODA-Quote“) ausgeben, verfehlt damit aber weiterhin das international erklärte 0,7-Prozent-Ziel. Ein Umstand, den nicht nur die Opposition, sondern auch der eigene Koalitionspartner bemängelte.
„Die SPD-Fraktion wird sich weiterhin für die Erreichung des ODA-Ziels einsetzen“, betonte Sonja Amalie Steffen. „Dafür brauchen wir Aufwüchse bei der Entwicklungszusammenarbeit, aber auch beim Auswärtigen Amt im Bereich der humanitären Hilfe, im Umweltministerium für Klimaschutzmaßnahmen und im Gesundheitsministerium für globale Gesundheit.“
Grüne kritisieren mittelfristige Finanzplanung
Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte die mittelfristige Finanzplanung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Der zufolge werde der Ausgabenaufwuchs im Entwicklungsbereich nicht wie im Koalitionsvertrag festgeschrieben im Verhältnis von eins zu eins mit dem Verteidigungsetat steigen. „Sie nehmen in Kauf, dass die ODA-Quote wieder Jahr für Jahr sinken wird“, warf Hajduk der Bundesregierung vor. Deswegen wäre, wenn es so bliebe, „unter diesem Gesichtspunkt der BMZ-Etat eine milliardenschwere Mogelpackung“.
Auch Ressortchef Müller zeigte sich unzufrieden: „Ein Absinken der ODA-Quote unter das jetzt erreichte Ziel von 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens muss verhindert werden“, stellte er klar. Er forderte von den Bundestagshaushältern eine „Verstärkungsmilliarde“ für alle ODA-Ministerien (Ministerien, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen).
Linke will jährlich zwei Milliarden Euro mehr
Michael Leutert (Die Linke) warf der Regierung ebenfalls vor, mit der Finanzplanung bis 2021 gegen den Koalitionsvertrag zu verstoßen. „Genau 20 Milliarden Euro bräuchten wir im BMZ, um die 0,7-Prozent-Quote, die seit Jahren immer wieder angekündigt und bemüht wird, endlich zu erfüllen. Jedes Jahr zwei Milliarden Euro mehr; dann würden wir das Ziel erreichen.“ Zugleich betonte er, dass Geld allein nicht genüge, um die Aufgaben zu bewältigen. So könne man in Afrika keine wettbewerbsfähigen Strukturen in der Landwirtschaft aufbauen, wenn die EU auf der anderen Seite mit 55 Milliarden Euro ihre einheimische Landwirtschaft subventioniere.
Eine ähnliche Kritik äußerte Anja Hajduk. Sie rechnete zudem vor, dass der Anteil an der multilateralen Organisationsfinanzierung in der deutschen ODA-Quote im Jahr 2011 bei 62 Prozent gelegen habe. Jetzt sei er auf 26 Prozent abgesunken. „Das halte ich für nicht glaubwürdig und nicht richtig – schon gar nicht in Zeiten, wie wir sie im Moment angesichts der Flüchtlingsdynamik erleben.“
AfD: Auf Leuchtturmprojekte konzentrieren
Für die AfD bezeichnete Volker Münz die Vielzahl von Projekten und Trägern als problematisch. Es wäre aus Sicht seiner Fraktion effektiver, „wenn sich die Entwicklungshilfepolitik auf wenige, dafür große Projekte konzentrieren würde, auf sogenannte Leuchtturmprojekte“.
Außerdem rechnete er vor, dass Deutschland mit den rund 50 Milliarden Euro pro Jahr, die Deutschland für Asylbewerber aufbringe, „einhundertmal mehr Menschen in den Herkunftsregionen Hilfestellung und eine Lebensperspektive bieten“ könnte. „Dann hätten wir auch die von der OECD geforderte Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent des Bruttonationalprodukts mehr als erfüllt.“
FDP fordert unabhängige Evaluierung der Entwicklungsprojekte
Michael Georg Link (FDP) forderte eine unabhängige externe Evaluierung der deutschen öffentlichen Entwicklungsprojekte, mehr Investitionen in die multilaterale Entwicklungszusammenarbeit und die Arbeit der Vereinten Nationen sowie einen „effizienten Außenauftritt im Rahmen eines vernetzten Ansatzes aus Entwicklungs-, Außen- und Verteidigungspolitik“.
Nur so könne ein größerer Haushalt tatsächlich auch mehr bewirken, sagte Link.
Großteil der Ausgaben für Investitionen
Von den Ausgaben des BMZ in diesem Jahr soll ein Großteil – 6,64 Milliarden Euro – auf Investitionen entfallen (2017: 5,8 Milliarden Euro), auf Zuweisungen und Zuschüsse 2,92 Milliarden Euro (2017: 2,69 Milliarden Euro). Knapp die Hälfte – 4,46 Milliarden Euro – hat die Bundesregierung für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit eingeplant. Im vergangenen Jahr waren es 4,12 Milliarden Euro. Vor allem den Bereich „Krisenbewältigung und Wiederaufbau, Infrastruktur“ will die Koalition aufstocken – von 500 Millionen auf 700 Millionen Euro.
Der zweite große Ausgabenbereich betrifft die Europäische Entwicklungszusammenarbeit und die Beiträge an die Vereinten Nationen sowie andere internationale Organisationen. Hierfür sind statt bisher 1,57 Milliarden Euro 1,88 Milliarden veranschlagt. Darin enthalten ist der Beitrag an den Europäischen Entwicklungsfonds (987,63 Millionen Euro statt bisher 821,82 Millionen Euro), mit dem die EU die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der sogenannten AKP-Staaten unterstützt. Derzeit sind das 79 Länder in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum.
An Einnahmen erwartet die Bundesregierung 2018 rund 938,71 Millionen Euro. 235 Millionen Euro sind für die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria vorgesehen (2017: 230 Millionen Euro). (joh/17.05.2018)