AfD fordert Ende der kalten Progression bei der Einkommensteuer
Für Albrecht Glaser, den steuerpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion, geht es um „konkrete Gerechtigkeit“. Seine Fraktion verlangt einen Ausschluss der heimlichen Erhöhungen der Einkommensteuer durch die sogenannte kalte Progression und hat einen entsprechenden Antrag (19/1844) eingebracht. Für die anderen Fraktionen existiert das von der AfD aufgezeigte Problem entweder gar nicht oder wurde bereits gelöst. Die Redner wiesen daher am Donnerstag, 26. April 2018, die Forderung der AfD zurück. Der Antrag wurde an den Finanzausschuss zur weiteren Beratung überwiesen.
AfD: Große Koalition nutzt Unwissenheit aus
Glaser rechnete vor, wie sich die kalte Progression im linear-progressiven Steuertarif auswirke: Er präsentierte den Fall eines Steuerzahlers mit 40.000 Euro Bruttogehalt, der zwölf Jahre lang zwei Prozent Lohnerhöhung erhalte, so das er dann auf 50.000 Euro Jahresgehalt komme. Dazu komme eine jährliche Inflationsrate von zwei Prozent. Einen realen Einkommenszuwachs gebe es nicht. Die Einkommensteuer unterstelle jedoch genau das und nehme einen Einkommenszuwachs von 25 Prozent an und besteuere diesen. Der Steuerzahler verliere über die zwölf Jahre fast 4.000 Euro.
Besonders ungerecht sei, dass der Effekt nur Leute mit bis zu 53.000 Euro Jahreseinkommen betreffe, denn höhere Einkommen würden einheitlich linear mit circa 45 Prozent besteuert. Es gebe eine „weit verbreitete Unwissenheit gutgläubiger Menschen“, die von der Großen Koalition ausgenutzt werde, indem sie verspreche, keine Steuern erhöhen zu wollen. Unter Bezugnahme auf Berechnungen des Ifo-Instituts beziffert die AfD-Fraktion in ihrem Antrag das Volumen der heimlichen Progression von 2011 bis 2016 auf 33,5 Milliarden Euro. Von 2017 bis 2030 sollen diese Belastungen 315 Milliarden Euro betragen.
CDU/CSU: Steuerzahler wurden durch Korrektur entlastet
Heftigen Widerspruch erntete Glaser bei Dr. h.c. Hans Michelbach (CDU/CSU), der die Finanzpolitik der Großen Koalition als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnete, da sie zu einem ausgeglichenen Haushalt geführt habe. Die Tarifeckwerte im Einkommensteuerrecht seien entsprechend der Preisentwicklung abgepasst worden: „Damit haben wir die kalte Progression unterbunden“, stellte Michelbach fest.
Die Steuerzahler seien durch die Tarifkorrektur für die Jahre 2017 und 2018 um sieben Milliarden Euro entlastet worden. Zusammen mit weiteren Maßnahmen habe es in diesen beiden Jahren 25 Milliarden Euro Entlastung gegeben. Der AfD warf Michelbach vor, die Wahrheit zu verbiegen.
FDP: Ganz knapp an den Fakten vorbei
Für Markus Herbrand (FDP) zeigt die AfD mit ihrem Antrag, „was sie am besten kann: Ganz knapp an den Fakten vorbei“. Zu den Fakten gehöre, dass die kalte Progression bei geringer Inflation keine Rolle spiele.
„Im Grundsatz besteht das Problem im Augenblick nicht. Es ist eine theoretische Debatte“, sagte Herbrand.
SPD: Kalte Progression nur bei höheren Inflationsraten
Auch Ingrid Arndt-Brauer (SPD) wies darauf hin, dass das Problem der kalten Progression nur bei höheren Inflationsraten eine Rolle spiele. Die habe in den letzten Jahren aber unter zwei Prozent gelegen, „und deshalb haben wir den Effekt der kalten Progression nicht“.
Im Übrigen sei der steuerliche Grundfreibetrag in den letzten Jahren regelmäßig angehoben worden. Den AfD-Antrag bezeichnete sie als „dünn“.
Linke: AfD will ein ungerechtes Steuersystem
Michael Leutert (Die Linke) warf der AfD vor, ständig die Abschaffung oder Senkung von Steuern zu fordern. Die AfD-Forderungen hätten inzwischen ein Volumen von rund 90 Milliarden Euro.
Allein dieser Antrag würde zu Steuerausfällen von fünf Milliarden Euro führen. Die AfD wolle ein gerechtes Steuersystem durch ein ungerechtes ersetzen.
Grüne: Die kalte Progression ist ein Scheinriese
Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) spottete, besser und schöner als mit dem AfD-Antrag könne man nicht darstellen, „wie aufgeblasen die Debatte um die kalte Progression ist im Vergleich zur Realität“.
Die kalte Progression sei „der Scheinriese“ in der der deutschen Steuerdebatte, sagte Paus, die den Tarifverlauf im Einkommensteuerrecht als das eigentliche Problem bezeichnete.
Antrag der AfD-Fraktion
In ihrem Antrag fordert die AfD-Fraktion die Bundesregierung auf, gesetzgeberische Lösungsmodelle zur Beratung in den Bundestag einzubringen, mit denen die kalte Progression ausgeschlossen werden kann. In der Begründung des Antrages heißt es, die kalte Progression sei ein seit vielen Jahren bekanntes Problem, das häufig Gegenstand politischer Diskussionen gewesen sei, ohne dass es je einer angemessenen Lösung zugeführt worden wäre.
„Der Verstoß dieser Praxis gegen elementare Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit zur Aufteilung des Volkseinkommens zwischen Bürger und Staat und die Tatsache, dass durch die Inflation der gesetzgeberische Wille des Steuergesetzgebers zur zumutbaren Belastung der Steuerpflichtigen durch Zeitablauf zunehmend verfälscht wird, verlangen eine dringende Korrektur dieses Missstandes“, fordern die Abgeordneten.
Deutschland eines der Länder mit höchster Steuerlastquote
Da Deutschland innerhalb der OECD ohnehin eines der Länder mit der höchsten Steuerlastquote, dem geringsten durchschnittlichen Vermögen der Privathaushalte und europaweit das Land mit der geringsten Wohnungseigentumsquote sei, sei es „höchste Zeit, dem guten legislativen Beispiel maßgeblicher vergleichbarer Länder zu folgen“, fordern die Abgeordneten.
Länder, die verdeckte Steuererhöhungen durch vorgeschriebene Indexierungen oder Überprüfungsklauseln kompensieren, sind nach Angaben der AfD-Fraktion neben der „urdemokratischen Schweiz, bei der eine entsprechende Regelung in der Verfassung verankert ist“, unter anderem die USA, Großbritannien, Kanada, Schweden, Frankreich, die Niederlande und Finnland. (hle/26.04.2018)