Das Vorhaben der FDP-Fraktion, den Fälligkeitstermin für die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Arbeitgeber nach hinten zu verschieben um die Bürokratiekosten für Unternehmen zu senken, ist während einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales unter Vorsitz von Matthias W. Birkwald (Die Linke) am Montag, 24. September 2018, überwiegend auf Ablehnung gestoßen. In einem Antrag (19/1838) fordern die Liberalen, das Fälligkeitsdatum der Sozialversicherungsbeiträge auf den drittletzten Werktag des Folgemonats zu verschieben. Derzeit seien Unternehmen verpflichtet, Gesamtsozialversicherungsbeiträge am drittletzten Bankarbeitstag des Monats den Sozialversicherungsträgern zu übermitteln, heißt es in dem Antrag.
Antrag der FDP
Dadurch, dass die Beiträge im laufenden Monat fällig würden, seien Unternehmen verpflichtet, ihre Beiträge für den Rest des Monats zu schätzen und mögliche Differenzen bei der nächsten Überweisung mitzuverrechnen, kritisieren die Abgeordneten. Unternehmen müssten infolgedessen seit der im Jahr 2006 vorgenommenen Änderung der Fälligkeit 24 anstelle von zwölf Monatsabrechnungen für die Sozialversicherungsbeiträge erstellen.
Damit die Rückverschiebung der Fälligkeit keine Liquiditätslücken bei den Sozialversicherungen schafft, soll nach den Vorstellungen der FDP-Fraktion am Jahresbeginn eine Sondervorauszahlung von Sozialversicherungsbeiträgen geleistet werden, die sich auf ein Elftel des Vorjahresumsatzes belaufen soll.
„Lücke von 28 Milliarden Euro bei den Sozialkassen“
Dr. Thea Dückert vom Nationalen Normenkontrollrat sah keinen Bedarf für eine Neuregelung. Sie verwies auf ein gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt erstelltes Gutachten, wonach die Rückkehr zu dem Verfahren von vor 2006 Einsparungen in Höhe von 81 Millionen Euro mit sich bringen würde. Die 2016 im Rahmen des Bürokratieentlastungsgesetzes gefundene Regelung, die allen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, das erleichterte Beitragsberechnungsverfahren anzuwenden, das die Übernahme des Vormonatswertes zulässt, habe zu Einsparungen in Höhe von 64 Millionen Euro geführt, was eine Differenz von 17 Millionen Euro darstelle.
Mit dieser Regelung sei aber zugleich verhindert worden, dass den Sozialkassen „eine Lücke von 28 Milliarden Euro“ entstehen würde, was bei einer Rückverlegung der Fall gewesen wäre. Aus Sicht von Dückert könnte durch die Komplexität des von der FDP vorgeschlagenen Verfahrens sogar eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen entstehen.
„Kein Benefit für die Unternehmen“
Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bringt die vorgeschlagene Änderung „keinen Benefit für die Unternehmen“, sagte DGB-Vertreter Markus Hofmann.
Es sei nicht zu erkennen, dass durch die Änderung Bürokratie abgebaut werden kann. Stattdessen wirke die Verschiebung der Fälligkeit in den Folgemonat wie ein zinsloses Darlehen für die Arbeitgeber.
„Gefühlte Unzufriedenheit bei Arbeitgebern“
Gerald Friedrich von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte, das jetzige System sorge bei den Arbeitgebern für eine „gefühlte Unzufriedenheit“. Seiner Ansicht nach bezieht sich die Kritik aber eher grundsätzlich auf die zu komplizierte Lohnabrechnung.
Aus Sicht der BDA führt die vorgeschlagene vorgezogene Beitragsfälligkeit nicht dauerhaft zu einer Entlastung der Betriebe. „Deshalb und auch wegen des hohen einmaligen Umstellungsaufwands sollte der Vorschlag nicht aufgegriffen werden“, sagte Friedrich.
„Dringende Notwendigkeit nicht zu erkennen“
Auch die Vertreter der Kranken- und Rentenkassen stehen der geplanten Neuregelung skeptisch gegenüber. Aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung Bund spricht zwar bei einer vollen Finanzierung der dadurch in einem Jahr entstehenden Beitragsausfälle durch die Arbeitgeber nichts gegen eine Verschiebung der Fälligkeit. Eine dringende Notwendigkeit dafür sei allerdings nicht zu erkennen, sagte Rentenversicherungsvertreter Holger Viebrock.
Peggy Horn von der Knappschaft Bahn-See sagte, die 2016 erfolgte Gesetzesänderung habe deutliche Vorteile gebracht. Mit der von der FDP geplanten Vorauszahlung würde hingegen ein neuer Verwaltungsvorgang initiiert, was dazu führen würde, dass alle Programme erneut angepasst werden müssten.
„Derzeitiges Modell automatisiert und etabliert“
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenklassen (GKV) sieht das derzeitige Modell als „automatisiert und etabliert“ an. Das angedachte Optionsmodell würde hingegen für zusätzlichen Verwaltungsaufwand sorgen, sagte GKV-Vertreter Pekka Helstelä.
Gudrun Martens von der Arbeitsgemeinschaft der Personalabrechnungs-Software-Ersteller sagte, durch die Regelung würden neue Prozesse eingeführt, die die Belastungen der Arbeitgeber sowohl in finanzieller als auch in organisatorischer Hinsicht erheblich erhöhen würden. Alte Bürokratie werde so lediglich durch neue Bürokratie ersetzt.
„Entzug von Liquidität nicht hinnehmbar“
Für den FDP-Antrag sprach sich Prof. Dr. h. c. Mario Ohoven vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft aus. Die derzeitige vorfällige Zahlung führe dazu, dass Betriebe Zahlungen für Arbeitsleistungen tätigen müssten, die noch gar nicht erbracht worden seien, sagte er.
Gerade Kleinbetriebe müssten die Zahlung der Sozialabgaben durch Bankkredite vorfinanzieren. Der Entzug von Liquidität für kleine Unternehmen sei nicht hinnehmbar, befand Ohoven. Aus seiner Sicht wäre mit der Neuregelung eine spürbare bürokratische Entlastung verbunden. (hau/24.09.2018)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Deutsche Rentenversicherung Bund
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
- Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
- Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands e.V.
- Arbeitsgemeinschaft der Personalabrechnungs-Software-Ersteller
- Nationaler Normenkontrollrat