Aussprache zur Wirtschafts- und Energiepolitik der neuen Regierung
Sein Geist schwebte über nahezu allen Redebeiträgen: Ludwig Erhard, Kopf der Idee einer sozialen Marktwirtschaft, durchzog die Aussprache über die wirtschaftspolitische Richtung der neuen Bundesregierung. Den Auftakt bildete Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der mit nahezu philosophischem Grundton die Grundpfeiler Erhards auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft bezog.
„Alles muss neu errungen werden“
„Wir verdanken den einzigartigen Erfolg von 70 Jahren deutscher Nachkriegspolitik im Hinblick auf Wohlstand und Wachstum vor allen Dingen auch der sozialen Marktwirtschaft“, sagte Altmaier am Donnerstag, 22. März 2018, in der Regierungserklärung im Deutschen Bundestag. Seit dem Fall der Mauer beziehungsweise des Eisernen Vorhangs erlebe dieses Wirtschaftsmodell zudem einen „unerhörten Siegeslauf“ rund um den Globus.
Für die Bundesregierung sei dies eine Motivation, die gute Wirtschaftslage weiter zu stärken. „Nichts ist auf Dauer gesichert, alles muss neu errungen werden“, erklärte Altmaier und verband damit eine Einladung an die Abgeordneten, gemeinsam an einer neuen, über die Legislaturperiode hinaus tragenden Charta der sozialen Marktwirtschaft zu arbeiten.
Altmaier will subventionsfreien Energiemarkt
Zu den Herausforderungen im Inland zählten die Gestaltung der Energiewende, der digitale Wandel, ein verlässlicher Rahmen für den Mittelstand, der Fachkräftebedarf auch unter dem Gesichtspunkt von Einwanderung und der Erwerbsbeteiligung von Frauen – und eben die Teilhabe idealerweise aller an den Errungenschaften einer sozialen Marktwirtschaft. Altmaier plädierte im Energiebereich für einen möglichst raschen, wettbewerbsfähigen und subventionsfreien Markt. Bei der Digitalisierung mahnte er zu mehr Risikofreude und Zuversicht. Ziel müsse sein, dass Deutschland bei der Digitalisierung so erfolgreich werde wie in vielen anderen Wirtschaftszweigen.
Der Minister sprach wenige Stunden vor einer erwarteten US-Entscheidung über Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte – und unmittelbar nach einer ersten Amtsreise zu Krisengesprächen darüber in die USA. Offener Welthandel müsse das Ziel bleiben, sagte er über die Reise lediglich. Die USA und Europa hätten in einer globalisierten Welt deutlich mehr gemeinsam, als sie trenne.
SPD: Chancen für eine faire Teilhabe eröffnen
Der Koalitionspartner SPD stimmte dem weitgehend zu. Freier Handel reiche indes allein nicht, es brauche auch fairen Handel, ergänzte Bernd Westphal (SPD). Ebenso müsse die Wirtschaftspolitik für die Menschen in Deutschland neue Chancen für eine faire Teilhabe eröffnen – etwa mit der Möglichkeit, Beschäftigte an ihren Betrieben zu beteiligen.
„Wir brauchen Bedingungen, bei denen Arbeit zufrieden und nicht krank macht“, forderte Westphal. Mit Blick auf die Energiewende erwähnte er die Notwendigkeit konventioneller Energieträger als Brücke hin zu einem von Erneuerbaren Energien dominierten Zeitalter.
AfD: Regierung betreibt Deindustrialisierungspolitik
Die oppositionelle AfD-Fraktion hingegen sprach der Bundesregierung den Bezug zur Sozialen Marktwirtschaft ab. Deutschland sei zu einem Land geworden, von dem man gut leben könne, egal woher man komme, sagte der Abgeordnete Prof. Dr. Heiko Heßenkemper (AfD).
Er warf Altmaier vor, eine Deindustrialisierungspolitik zu betreiben und zudem Migranten Leistungen und Möglichkeiten zuzugestehen, die Deutsche nicht hätten. Die Mittel, die nun etwa für die Integration von Migranten aufgewendet würden, hätte man besser zur Schuldentilgung oder zum Ankurbeln der digitalen Wende verwenden können, sagte Heßenkemper.
FDP fordert flexiblere Regelungen für Start-ups
Die anderen Oppositionsfraktionen widersprachen zwar der AfD in Inhalt und Rhetorik, gingen aber auch die Wirtschaftspläne der Koalitionäre an. Michael Theurer (FDP) sah in der Vergangenheit zu viele Eingriffe von Seiten des Staates in das System der sozialen Marktwirtschaft.
Seine Partei sei im Zweifel für Freiheit, Markt und Wettbewerb, und daran werde die FDP auch die Arbeit des Wirtschaftsministers messen. Theurer forderte flexiblere und unbürokratischere Regelungen für Start-ups und zeigte sich gespannt, welche Vorschläge Altmaier zur Flexibilisierung von Arbeitsmarkt und Arbeitszeiten vorlegen werde.
Linke: Außenhandelsüberschuss abbauen
Klaus Ernst (Die Linke) wiederum zeigte sich enttäuscht von den Ausführungen Altmaiers über die Gespräche in den USA. Er hätte sich mehr zu den Ergebnissen der Krisendialoge erwartet, sagte Ernst.
Zugleich warnte er davor, den USA mit einem Aufstocken des Rüstungsetats entgegenzukommen. Dies dürfe auf keinen Fall passieren. Für seine Fraktion wiederholte er das Plädoyer zu einem Abbau des Außenhandelsüberschusses.
Grüne monieren Klimapolitik der Regierung
Die Grünen fokussierten zunächst auf die Klimapolitik. Bei den Zielen für 2020 habe Deutschland in nahezu allen Indikatoren versagt, sagte die Abgeordnete Kerstin Andreae (Bündnis 90/Die Grünen).
Weder sei die Verkehrswende eingeleitet noch sei man bei der Gebäudeeffizienz weitergekommen. Sie forderte den Wirtschaftsminister zu mehr Mut auf, auch unbeliebte Maßnahmen einzuleiten. „Sie können Klimapolitik nicht nur aus der Wohlfühlzone heraus machen“, sagte Andreae an Altmaier gewandt. (pez/22.03.2018)