Grußwort von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth am 15. März 2018
Internationales Parlaments-Stipendium (IPS), 32. Jahrgangsauftakt
15. März 2018
Reichstagsgebäude-Fraktionsebene
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Kerstin Radomski – Vorsitzende der Berichterstattergruppe Internationale Austauschprogramme -,
vor allem aber:
liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten!
Ich freue mich wirklich außerordentlich, heute den 32. Jahrgang unseres Internationalen Parlamentsstipendiums begrüßen zu dürfen.
117 junge Frauen und Männer aus 40 Ländern sind zu uns gekommen.
Seien Sie uns allen herzlich willkommen im Bundestag, herzlich willkommen bei Freundinnen und Freunden!
Wir alle stehen vor einem neuen, äußerst interessanten Programmjahr, an dem so viele Menschen mitgewirkt haben.
Lassen Sie mich deshalb zunächst einmal DANKE sagen.
Danke den Berliner Universitäten, aber auch den politischen Stiftungen, für die intensive inhaltliche und organisatorische Begleitung des Programms.
Danke den beteiligten Botschaften für den bilateralen Brückenbau – in einer Zeit, da es solche Brückenbauer braucht, denn Sprengmeister gibt es viel zu viele.
Danke auch allen teilnehmenden und hier zahlreiche anwesenden Abgeordneten dafür, dass Sie Einsicht gewähren in den parlamentarischen Alltag, der so viel mehr ist als reine Büroarbeit und ein paar Abstimmungen in der Sitzungswoche:
ein Alltag nämlich in der Herzkammer unserer Demokratie, in den Maschinenräumen des bundesdeutschen Parlamentarismus.
Und natürlich geht ein besonderer Dank an unsere hochmotivierte Verwaltung, allen voran an Sybille Koch, die immer wieder die vielen Stränge zusammenbindet und damit das IPS-Programm erst möglich macht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
drei Jahrzehnte nach dem Start des Internationalen Parlaments-Stipendiums hat sich die Welt grundlegend gewandelt.
Der Krieg in Syrien, die humanitäre Notlage in Ländern wie dem Südsudan und Birma, der Horror im Jemen halten an.
Die weltweite Klimakrise zeigt ihre dramatischen Auswirkungen.
Zugleich sieht sich Europa mehr denn je einer ganzen Reihe von Demokratieverächtern und Rechtsstaatsfeinden gegenüber.
Demokratische Werte und Minderheitenschutz, Toleranz und das Verständnis für kulturelle Vielfalt, das große Geschenk unserer Erinnerungskultur – sie alle werden wieder in Frage gestellt.
Im Umkehrschluss bedeutet das:
Sie zu erhalten,
zu stärken,
zu verteidigen –
das mag wahrlich kein Selbstläufer sein, ist aber Kernanliegen des IPS.
Roman Herzog,
unser früherer Bundespräsident, hat einmal gesagt:
„ Es gibt viele demokratische Tugenden, Bequemlichkeit gehört nicht dazu.“
Das ist ein sehr kluger Satz, der nicht nur für das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zum Staat gilt.
Er gilt auch für das Verhältnis der Politik gegenüber der Gesellschaft. Und er gilt für das Verhältnis von Parlamenten gegenüber Regierungen.
Der Austausch im Rahmen des IPS ist Gegenteil von Bequemlichkeit.
Sie alle,
die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, beweisen Engagement und Einsatz für die demokratische Sache, zeigen Mut und Offenheit, gehen voran statt zurückzublicken.
Sie ermöglichen sich damit neue Sichtweisen, auch auf ein derzeit unruhiges Deutschland, in dem es mehr denn je um Zusammenhalt gehen muss.
Sie eröffnen sich berufliche Perspektiven, knüpfen Kontakte – erlauben uns Abgeordneten aber zugleich einen immer wieder neuen Blick auf Ihr jeweiliges Herkunftsland.
Kurzum: Es entsteht nicht nur Wissen umeinander, Kontakt miteinander – sondern vor allem auch Vertrauen zueinander.
In Zeiten, da nicht nur in Deutschland die Angst vor dem Unbekannten, die Neigung zur einfachen Antwort auf höchstkomplexe Fragen wieder um sich greifen – in solchen Zeiten ist dieses Vertrauen die richtige Antwort, die wir geben können.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns einen guten Start in das Programmjahr 2018, viel Freude, vielfältige Erkenntnisse – und ja, auch die Kraft und Energie, die es braucht im Einsatz für die Demokratie, für die Menschenrechte, auch für Menschlichkeit, für Werte und Ideale – für die Vision, frei nach Ernst Bloch, einer besseren Zukunft als das noch nicht Seiende.
Eines jedenfalls steht fest: Es lohnt sich!
Und bevor ich das Wort übergebe, die wichtigste Sache zum Schluss:
Alles Liebe zum Geburtstag, lieber David Chikhladze aus Georgien!
Vielen Dank.