Streit um Steigerung oder Rückgang bei Rüstungsexporten
Schon die Überschrift war strittig bei einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der Fraktion Die Linke über „Erneute Steigerungen bei Rüstungsexporten“ am Mittwoch, 28. Februar 2018. Denn Redner von CDU, CSU und SPD sahen keine Steigerung, sondern einen Rückgang bei Rüstungsexporten, und auch aus der FDP-Fraktion wollte man sich der Kritik von Linken, Grünen und AfD nicht anschließen.
Linke für Rüstungsexportverbot
Während sich die Rüstungsexporte unter der schwarz-gelben Bundesregierung noch auf 21 Milliarden Euro summiert hätten, seien sie in den letzten vier Jahren „unter Schwarz-Rot“ auf mehr als 25 Milliarden angestiegen, rechnete Sevim Dağdelen (Die Linke) vor. Dies seien 21 Prozent mehr. Die Exporte in Drittstaaten außerhalb der EU und der Nato hätten sogar um 47 Prozent zugenommen. Exporte in Entwicklungsländer hätten sich verdoppelt.
Dağdelen warf der amtierenden Bundesregierung vor, „Fürsten der Finsternis“ aus Ländern wie Saudi-Arabien, die „den Jemen in die Steinzeit bombardieren“, in großem Umfang mit Rüstung zu beliefern. Die Redner der Linken erneuerten die Forderung ihrer Fraktion nach einem generellen Rüstungsexportverbot.
SPD: Rüstungsexporte rückläufig
Bernd Westphal (SPD) stellte dem ganz andere Zahlen gegenüber. Im Jahr 2015 hätten sich die deutschen Rüstungsexporte auf 7,8 Milliarden Euro summiert, 2016 auf 6,8 Milliarden und 2017 noch auf 6,24 Milliarden. Die Zahlen seien also im Verlauf der letzten Legislaturperiode rückläufig gewesen. Dabei sei noch 2017 ein großer Teil auf Exporte entfallen, die bereits von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden seien.
Auch wies Westphal darauf hin, dass längst nicht alle Rüstungsgüter Waffen seien. Er verwies unter anderem auf geschützte Fahrzeuge für das Kinder- und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, die geliefert worden seien.
CDU/CSU verteidigt Genehmigungen
Als „an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten“ brandmarkte Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) die Argumentation der Linken. Entscheidend sei nicht, wie viele Exporte genehmigt würden, sondern warum. So sei es „in unserem Interesse“, Ausrüstungen für den Grenz- und Küstenschutz an arabische Länder zu liefern. Ebenso sei es „in unserem Interesse“ gewesen, den Peschmerga im Irak Waffen zu liefern, um den Völkermord an den Jesiden zu stoppen, oder an Mali, um sich gegen Islamisten verteidigen zu können.
Bernhard Loos (CDU/CSU) trug vor, dass laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI der Anteil Deutschlands an den weltweiten Rüstungsexporten zwischen 2007 und 2014 von 9,4 auf 5,6 Prozent zurückgegangen sei.
AfD für Türkei-Embargo
Für die AfD-Fraktion bezeichnete Prof. Dr. Heiko Heßenkemper die deutschen Leitsätze für Rüstungsexporte, die unter anderem die Beachtung der Menschenrechte verlangen, als „hohle Phrasen“. So sei die Türkei in großem Umfang mit deutschen Waffen beliefert worden.
Sehe man „auf die politische Situation in der Türkei, die Presse- und Meinungsfreiheit, die Justiz et cetera“, so sei diese „eher ein Fall für ein Wirtschaftsembargo, gerade auch im Vergleich zu Russland“. Sein AfD-Fraktionskollege Steffen Kotré forderte ausdrücklich eine „Sicherheitspartnerschaft mit Russland“.
Grüne: Lieferungen in Drittstaaten die Regel
An die Forderung ihrer Fraktion nach einem Rüstungsexportgesetz erinnerte Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen). In ihm müssten die Grundsätze für Exportgenehmigungen festgeschrieben und ein Verbandsklagerecht gegen Genehmigungen eingeführt werden.
Derzeit seien, anders als in der Rüstungsexportrichtlinie vorgegeben, Lieferungen in Drittstaaten außerhalb von EU und Nato „nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel“. Zu den Hauptempfängerländern gehörten mit Algerien und Ägypten Länder mit Militärherrschaft.
Kritik und Verständnis von der FDP
Eine Mittelposition nahm Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ein. Die Regeln für Rüstungsexporte seien „in Deutschland so streng wie in kaum einem anderen Land – und das ist auch gut so“. Auf dem Papier lehnten die Bundesregierung und die Parteien der Großen Koalition Exporte in Krisengebiete ab – allein „es fehlt der Glaube“, dass dies im Fall der am Jemen-Krieg beteiligen Ländern „zu einem tatsächlichen Stopp der Exporte führen wird“. Sie wolle aber in die „naive Kritik an Rüstungsexporten generell nicht einstimmten“, sagte Strack-Zimmermann.
Nach dem Verständnis ihrer Fraktion sei „deutsche Sicherheitspolitik immer eingebunden in internationale Gemeinschaften“, vor allem in die EU, die Vereinten Nationen und die Nato. Dem müsse auch die Rüstungsexportpolitik Rechnung tragen. Allerdings sei die Türkei zwar Nato-Partner, entferne sich aber mit ihrem völkerrechtswidrigen Vorgehen in Syrien „von unserer Wertegemeinschaft und von der Nato“. Und solange „diese unsägliche Offensive nicht beendet ist“, müsse die Bundesregierung von sämtlichen Rüstungsexportgenehmigungen, auch für Ersatzteile, absehen. (pst/28.02.2018)