Ohne vorherige abschließende Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 8. November 2018, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Änderung des Fleischgesetzes: Auf Empfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (19/5128) hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur ersten Änderung des Fleischgesetzes (19/4721) angenommen. Die Annahme erfolgte in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, AfD, Die Linke und Bündnis 90/die Grünen bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP. Mit der Neuregelung werden Vorgaben der EU zur Qualifikation und Zulassung von Personen und Klassifizierungsmethoden für die Einstufung von Schlachtkörpern (Rinder, Schweine, Schafe) in deutsches Recht umgesetzt. Zudem sollen die deutschen Vorschriften zum Fleischhandelsrecht an EU-Vorgaben angepasst werden. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für die Kontrollpraxis in Deutschland zu verbessern.
Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes: Ebenfalls auf Empfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (19/5138) wurde der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes und milchrechtlicher Bestimmungen sowie zur Aufhebung der Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung (19/4728) einstimmig durch den Bundestag angenommen. Der Beschluss geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. September 2016 zurück, in dem die Strafvorschrift in Paragraf 10 Absatz 3 in Verbindung mit Absatz 2 des Rindfleischetikettierungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt worden war. Diese Bestimmungen regeln die Strafbarkeit von Verstößen gegen die Etikettierungsvorschriften für Rindfleisch. Das Karlsruher Urteil führt dazu, dass die genannten Vorschriften nichtig sind und damit auch die Rechtsgrundlage für die Rindfleischetikettierungs-Strafverordnung entfällt. Das zu verabschiedende Gesetz enthält eine Neuregelung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Darüber hinaus werden das Milch- und Margarinegesetz und das Gesetz über den Übergang auf das neue Lebensmittel- und Futtermittelrecht geändert.
Freizügigkeit von EU-Bürgern: Der Bundestag hat für einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Freizügigkeit von EU-Bürgern fördern soll. Der Entwurf der Bundesregierung (19/4851) wurde in geänderter Fassung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Grüne bei Stimmenthaltung der Fraktion der AfD angenommen. Gleichzeitig dient es deren Angaben zufolge der Neuregelung verschiedener Aspekte des internationalen Adoptionsrechts. Hintergrund sei die ab Mitte Februar 2019 geltende Verordnung (EU) 2016 / 1191 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 zur Förderung der Freizügigkeit von Bürgern. Hier seien Durchführungsbestimmungen zu erlassen und Vorschriften im Bereich des Urkundenverkehrs mit dem Ausland neu zu fassen. Das Recht der Auslandsadoption bedürfe einer teilweisen Modernisierung. Die wenig effiziente Verteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Bundesamt für Justiz (BfJ) und den anderen Stellen bei der Organisation der Auslandsadoption solle vereinfacht werden. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/5579) zugrunde.
Änderung im Eherecht: Der Bundestag hat dern Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zum Internationalen Güterrecht und zur Änderung von Vorschriften des Internationalen Privatrechts (19/4852) angenommen. Die Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung erfolgte mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Grüne gegen die Stimmen der Fraktion der AfD. Er dient in erster Linie der Durchführung von zwei EU-Verordnungen, die in den teilnehmenden Mitgliedstaaten ab Ende Januar 2019 anzuwenden sind, wie sie mitteilt. Dabei gehe es um Fragen des ehelichen Güterstands und güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften. Daneben solle eine Lücke im deutschen Internationalen Privatrecht geschlossen werden. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (19/5578) zugrunde.
Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen: Abgelehnt wurde ferner ein Antrag der Fraktion Die Linke, Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen konsequent zu ahnden und die „historische Möglichkeit“ für ein völkerrechtsverbindliches Abkommen zu nutzen (19/961). Dagegen stimmten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, AfD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der Grünen. Dazu hat der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine Beschlussempfehlung (19/2116) vorgelegt. Die Linke will, dass sich die Bundesregierung im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen für ein verbindliches Vertragswerk einsetzt, in dem multinationale Konzerne bei internationalen Geschäften entlang internationaler Lieferketten zur Einhaltung der Menschenrechte rechtlich verpflichtet werden.
Wahlprüfung: Die Abgeordneten des Bundestages haben einstimmig der Beschlussempfehlung des Wahlprüfungsausschusses (19/5200) zu Einsprüchen anlässlich der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag am 24. September 2017 zugestimmt. Gemäß Artikel 41 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes ist die Wahlprüfung Sache des Deutschen Bundestages. Dieser hat nach den Bestimmungen des Wahlprüfungsgesetzes auf der Grundlage von Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsausschusses über die Einsprüche anlässlich der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag zu entscheiden. Insgesamt seien 275 Wahleinsprüche eingegangen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegten Entscheidungen betreffen 60 Wahlprüfungsverfahren. Die Beschlussempfehlungen zu den weiteren Einsprüchen wird der Wahlprüfungsausschuss nach dem Abschluss seiner Beratungen vorlegen.
Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Der Bundestag hat mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der AfD, Grüne und Linksfraktion für eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (19/5552) zu dem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen: 2 BvQ 91 / 18) gestimmt. In dem Verfahren beantragt die AfD-Bundestagsfraktion beim Bundesverfassungsgericht, dass das Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes und anderer Gesetze vom 10. Juli 2018 (19/2509, 19/2734) bis zur Entscheidung über ein entsprechendes Organstreitverfahren der Antragstellerin nicht angewendet werden soll. Die AfD-Fraktion sieht sich in ihren organschaftlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten im parlamentarischen Verfahren zum Beschluss des genannten Gesetzes verletzt. Der Rechtsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen, in dem Streitverfahren eine Stellungnahme abzugeben und den Präsidenten zu bitten, einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen.
INF-Vertrag: Der Bundestag hat einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD für eine Bewahrung und Festigung des INF-Abrüstungsvertrages aus dem Jahre 1987 angenommen. Für die Annahme des Antrags stimmten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP gegen das Votum der AfD bei Stimmenthaltung der Fraktionen Die Linke und Grüne. „Der Vertrag verpflichtet die USA und alle Nachfolgestaaten der UdSSR zur dauerhaften Eliminierung ihrer landgestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörper mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometer; mit anderen Worten: der vollständigen Abschaffung aller landgestützten Mittelstreckenraketen“, heißt es in einem Antrag (19/956). Der INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty) sei ein Abrüstungsvertrag, der tiefe Einschnitte in das atomare Zerstörungspotential erreicht habe. Angesichts wechselseitiger Vertragsverletzungsvorwürfe durch Russland und durch die USA müsse sich die Bundesregierung „der Gefahr eines neuen nuklearen Wettrüstens auf dem europäischen Kontinent“ aktiv entgegenstellen und sich auf „höchster politischer Ebene für die Bewahrung des INF-Vertragsregimes“ einsetzen, fordern die Abgeordneten. Sie sei aufgefordert, nachdrücklich an die Vereinigten Staaten und Russland zu appellieren, „verstärkt und ernsthaft die Special Verification Commission zu nutzen, die als Instrument im Vertrag angelegt ist“. Russland müsse endlich belastbar darüber Auskunft geben, ob seine landgestützten, mobilen nuklearfähigen Marschflugkörper „SSC-8“ vertragskonform sind und bei Zweifeln Inspektionen vor Ort zuzulassen. Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (19/1925) zugrunde.
Invictus Games: Keine Mehrheit fand die Forderung der FDP-Fraktion gegen das Votum von CDU/CSU, SPD und Linke bei Unterstützung durch AfD und Grüne, dass die Bundesregierung die Invictus Games nach Deutschland holen soll. Dazu haben die Abgeordneten einen Antrag (19/4535) vorgelegt, der helfen soll, einsatzgeschädigten Soldatinnen und Soldaten den Rücken zu stärken. Die Bundesregierung soll sich demnach um die einmalige Ausrichtung der Invictus Games in Deutschland ab 2021 bemühen, mit dem Ziel, als einer der größten Truppensteller in internationalen Einsätzen, der Internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass sich Deutschland auch in diesem Kontext engagiert und bereit ist Verantwortung zu übernehmen. Der Antrag wurde direkt abgestimmt.
Naturschutz: Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag (19/5551) der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen mit der Forderung an die Bundesregierung gegen das Votum CDU/CSU, SPD, FDP und AfD gegen das Votum der Linksfraktion, die Konvention für biologische Vielfalt zu stärken. Mit höchster Priorität soll ein Biodiversitäts-Nothilfeprogramm aufgesetzt und entsprechend mit ressortübergreifenden Maßnahmen unterlegt werden, um das Verfehlen der deutschen Biodiversitätsziele abzuwenden. Darüber hinaus soll sich die Regierung bei der bevorstehenden Vertragsstaatenkonferenz der Convention on Biological Diversity (CBD) in Ägypten für eine ambitionierte Weiterführung der Agenda zum Erhalt der biologischen Vielfalt nach 2020 mit konkreten Maßnahmen und überprüfbaren Zwischenschritten einsetzen. Die wurde direkt abgestimmt.
Unwürdige Tiertransporte I: Der Bundestag hat einen Antrag, mit dem die FDP (19/435) die Situation beim Transport von lebenden Tieren verbessern will, abgelehnt. Gegen die Vorlage stimmten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und AfD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, Die Linke und Grüne. Ziel der FDP-Vorlage ist es, unwürdige Tiertransporte zu stoppen. Dazu fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass die Regelungen der EU-Verordnung Nr. 1 / 2005 zum Tiertransportrecht mindestens bis zum endgültigen Beförderungsort eingehalten werden, vor allem dann, wenn sich dieser außerhalb der EU befindet. Transporte lebender Tiere zu Zielen außerhalb der EU, die nicht die EU-Mindeststandards des Tierschutzes einhalten, müssten verhindert werden. Auf EU-Ebene solle die Regierung darauf hinwirken, dass Kontrollen stattfinden. Notfalls müsse durchgesetzt werden, dass die Tiere transportfähig sind. Der Abstimmung lag den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (19/4658) zugrunde.
Unwürdige Tiertransporte II: Die Abgeordneten stimmen gegen einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesserung der Situation beim Transport von lebenden Tieren (19/448) ab. Die Ablehnung des Antrags erfolgte mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen AfD, Die Linke und Grüne. Die Grünen treten dafür ein, dass beim Transport lebender Tiere in Nicht-EU-Staaten die EU-Verordnung eingehalten wird. Ist dies nicht der Fall, sollen solche Langstreckentransporte gar nicht mehr stattfinden dürfen, schreibt die Fraktion. Konkret fordert sie ein „Moratorium für Tiertransporte in außereuropäische Länder“. Außerdem soll die Verordnung nach dem Willen der Grünen so geändert werden, dass die maximale Transportdauer bei inländischen Transporten auf vier Stunden und bei Transporten ins Ausland auf acht Stunden festgeschrieben wird. Der Abstimmung lag den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (19/4658) zugrunde.
Beschlüsse zu Petitionen: Der Bundestag hat über elf Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses zu Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern abgestimmt, die beim Bundestag eingegangen und dort bereits beraten worden sind. Die Beschlussempfehlungen beziehen sich auf die Sammelübersichten 114 bis 124 des Petitionsausschusses (19/5082, 19/5083, 19/5084, 19/5085, 19/5086, 19/5087, 19/5088, 19/5089, 19/5090, 19/5091, 19/5092).
Petition: Ächtung von Atomwaffen in Verfassung aufnehmen
Darunter befindet sich auch eine öffentliche Petition mit der Forderung, das Grundgesetz dahingehend zu ergänzen, dass Deutschland keine CBRN-Waffen (Chemisch, Biologisch, Radiologisch und Nuklear) anschafft oder auf Bundesgebiet stationiert.
Die jüngsten Ereignisse zeigten, dass es immer möglich sei, „dass unberechenbare Regierungen - wie die USA und Nordkorea - den Einsatz solcher Waffen wahrscheinlicher werden lassen“, schreibt der Petent zur Begründung seiner Eingabe. Deutschland solle eine Vorreiterrolle einnehmen und „den Verzicht und die Ächtung in seine Verfassung aufnehmen“, heißt es in der Petition.
Kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zu erkennen
Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 17. Oktober 2018 mehrheitlich verabschiedete Beschlussempfehlung sieht nun vor, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf zu erkennen sei und daher „dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte“.
In der Begründung seiner Beschlussempfehlung verweist der Ausschuss auf die elementare Bedeutung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. In ihm würden mit den Grundrechten „subjektive Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie Pflichten des Staates geregelt, anerkannte Verfassungsprinzipien verankert und Kompetenzen zwischen Bund und Ländern verteilt“. Darüber hinaus sei das Grundgesetz laut seiner Präambel vom deutschen Volk mit dem Willen beschlossen worden, „dem Frieden der Welt zu dienen“.
Verzicht bereits „rechtlich umfassend abgesichert“
Der Verzicht Deutschlands auf atomare, biologische und chemische Waffen ist der Vorlage zufolge „rechtlich umfassend abgesichert“. Dieser Verzicht beruhe zum einen auf der Erklärung des Bundeskanzlers Konrad Adenauer vom 23. Oktober 1954 im Rahmen der Pariser Verträge, dass die Bundesrepublik sich verpflichtet, Atomwaffen, chemische und biologische Waffen auf seinem Gebiet nicht herzustellen.
Zum anderen beruhe er auf dem 1970 in Kraft getretenen Atomwaffensperrvertrag von 1968, mit dem Deutschland sich verpflichtet habe, Atomwaffen oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem anzunehmen, sie nicht herzustellen oder zu erwerben.
Regelung im Grundgesetz „nicht erforderlich“
Schließlich existiere noch der sogenannte Zwei-plus-vier-Vertrag vom 12. September 1990, in dem Deutschland seinen Verzicht auf die Herstellung und den Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen bekräftigt habe, schreibt der Ausschuss.
„Angesichts dessen erscheint eine entsprechende Regelung im Grundgesetz noch dem Dafürhalten des Ausschusses nicht erforderlich“, heißt es in der Beschlussempfehlung.
(vom/hau/eis/08.11.2018)