Der Bundestag hat am Donnerstag, 14. Juni 2018, auf Basis der anvisierten Freihandelsabkommen zwischen EU und Kanada sowie Japan über die Ausrichtung deutscher Handelspolitik diskutiert. In namentlicher Abstimmung lehnten 585 Abgeordnete einen Gesetzentwurf der FDP-Fraktion (19/958) ab, der vorsieht, die Zustimmung zum Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) gesetzlich festzuschreiben. 78 Abgeordnete stimmten bei einer Enthaltung für den Gesetzentwurf. Den Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vor (19/1767).
Gegen die Stimmen der AfD und der Linken bei Enthaltung der Grünen lehnte das Parlament einen Antrag der Linken (19/2521) ab, in dem die Fraktion für eine faire Handelspolitik und gegen das geplante Freihandelsabkommen Jefta zwischen der EU und Japan Stellung bezieht. Auch dazu hatte der Ausschuss für Wirtschaft und Energie eine Beschlussempfehlung vorgelegt (19/2729). Mit der Mehrheit von Union, SPD und FDP gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen fand darüber hinaus ein neuer Antrag der Grünen (19/2696) keine Mehrheit, das Jefta-Abkommen nachzuverhandeln und ihm in der jetzigen Form nicht zuzustimmen.
FDP: Europa kann Schicksal in eigene Hände nehmen
Redner der FDP-Fraktion appellierten eindringlich dafür, dem Gesetzentwurf ihrer Fraktion zuzustimmen. Europa könne sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen, sagte der Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. An die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gerichtet sagte er, Kanada sei keine Bedrohung. Vielmehr sei das Land einer der besten Freunde Deutschlands, und auch eine Front gegen Japan sei falsch. Auch Japan zähle darauf, dass ein starkes Signal von Deutschland für den Welthandel ausgeht.
Graf Lambsdorff zeigte sich überzeugt davon, dass die Koalitionsfraktionen nur mit Nein stimmten, weil der Gesetzentwurf von der FDP kommt. Das Argument, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen der Schiedsgerichte abwarten zu wollen, sei vorgeschoben. In dem Gesetzentwurf heißt es unter anderem, dank des geplanten Ceta-Abkommens würden europäische Unternehmen schätzungsweise 590 Millionen Euro jährlich einsparen können. Zudem würde so ein verlässlicher Investitionsrahmen geschaffen. Das jährliche Bruttoinlandsprodukt der EU werde sich ebenfalls Schätzungen zufolge um etwa zwölf Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
CDU/CSU: Verfassungsgerichtsurteil abwarten
Vertreter der Koalitionsfraktionen widersprachen dem Vorwurf des FDP-Kollegen. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) erklärte zwar, der Gesetzentwurf gefalle ihm. Es komme darauf an, dass Europa seine Rolle als verlässlicher Partner im Welthandel behalte, gerade vor dem Hintergrund der turbulenten US-Politik. Erfolgreich könne dieser Gesetzentwurf aber nicht sein, denn es gelte, das Verfassungsgerichtsurteil abzuwarten. Der Linksfraktion warf Lämmel vor, überhaupt nicht wahrzunehmen, dass die aktuell verhandelten Freihandelsabkommen wesentliche Kritikpunkte früherer Handelsabkommen aufnehmen. Auch die Kritik der Grünen, die Jefta-Vertragsdokumente würden nicht ausreichend diskutiert, wies er zurück: Der Text liege seit Dezember öffentlich aus.
Der CDU-Abgeordnete Stefan Rouenhoff untermauerte die Haltung gegenüber den Anträgen der Grünen und Linken: Die Abkommen schafften enorme wirtschaftliche Chancen, die zwei Fraktionen pflegten lediglich ihre „Legenden“.
SPD: EU kommt nur ihrer Zuständigkeit nach
Auch Markus Töns (SPD) erklärte, der Antrag der Linken zeige großes Unverständnis. Er verwies darauf, dass die EU lediglich ihrer Zuständigkeit nachkomme, wenn sie die Verhandlungen führe – dies entspreche dem Vertrag von Lissabon. Der Bundestag könne sich weiter einbringen und das Verhalten der Bundesregierung in Stellungnahmen beeinflussen.
An die Adresse der Grünen sagte Töns, er habe den Eindruck, dass die Abgeordneten immer schon dagegen sind, bevor sie den Text lesen. Im Übrigen handele es sich bei Jefta um ein Abkommen, das nur von der EU verhandelt werde – anders als das Kanada-Abkommen Ceta, bei dem auch nationale Parlamente beteiligt waren. Das erkläre die intensiveren und längeren Beratungen auf Bundesebene.
AfD: Eine Art Mittelalter 2.0
Für die AfD-Fraktion erklärte der Abgeordnete Hansjörg Müller, der Gesetzentwurf der FDP entspreche genau nicht sozialer Marktwirtschaft, sondern könne eine „Feudalwirtschaft nach mittelalterlichem Muster“ zur Folge haben. Es entstehe eine Art Mittelalter 2.0.
In einer sozialen Marktwirtschaft sollten allerdings Freiheit und Verantwortung Hand in Hand gehen, so Müller. Dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimme er zu, denn das Abkommen müsse in der Tat nachverhandelt werden. Derzeit sehe sich seine Fraktion in ihrer Fundamentalkritik an der EU bestätigt.
Linke: Ceta und Jefta unzureichend
Klaus Ernst (Die Linke) fand es bemerkenswert, dass die FDP dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgreifen wolle. Außerdem handele es sich um eine Scheindebatte, da das Abkommen ja vorläufig längst in Kraft ist. Ernst kritisierte es als wenig klug, nationale Parlamente bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen auszuschließen. Dies erwecke den Eindruck, dass die EU über die Köpfe der Bürger hinweg entscheidet. Beide Abkommen sind seiner Ansicht nach in wesentlichen inhaltlichen Punkten unzureichend, etwa was Umwelt- oder Arbeitsschutzstandards betrifft.
Der Abgeordnete warf seinen Kollegen von den Regierungsfraktionen und der FDP außerdem vor, die Politik von US-Präsident Donald Trump lediglich als Vorwand zu nutzen, um ihre Liberalisierungspolitik durchzusetzen.
Grüne für „Vorsorge und Klimaschutz“
Schließlich pflichtete Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) dem Oppositionskollegen in der Kritik an Vertragsinhalten bei. So würden etwa demokratische Spielräume von Kommunen weiter eingeschränkt werden können. Die Abkommen seien nicht geeignet für ein wirksames Zeichen gegen Abschottung. Die Grünen wollten freien Handel, seien aber überzeugt von der notwendigen Definition von Regeln: Für Vorsorge und Klimaschutz. Das erwarteten die Menschen von der Politik.
Die Abgeordnete Anja Hajduk ergänzte, ihre Fraktion sei nicht gegen Abkommen, sondern es gehe ihr um den Gestaltungsanspruch.
FDP: Strategischer Partner für Deutschland und Europa
Die Liberalen begründen ihre Forderung, die Zustimmung zum Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada gesetzlich festzuschreiben, unter anderem damit, dass Kanada ein strategischer Partner für Deutschland und Europa mit gemeinsamen Werten und Interessen sei. Die EU und Kanada könnten auf eine langjährige handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zurückblicken.
Dank des geplanten Ceta-Abkommens würden europäische Unternehmen schätzungsweise 590 Millionen Euro jährlich einsparen können, heißt es in der Vorlage. Zudem würde so ein verlässlicher Investitionsrahmen geschaffen. Das jährliche Bruttoinlandsprodukt der EU werde sich ebenfalls Schätzungen zufolge um etwa zwölf Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Linke: EU-Handelspolitik „weiter entdemokratisiert“
Die Linksfraktion fordert in ihrem Antrag, die Bundesregierung solle das Freihandelsabkommen Jefta zwischen der EU und Japan im Europäischen Rat ablehnen. Außerdem müssen aus Sicht der Fraktion die parallel laufenden Verhandlungen über ein Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Japan ausgesetzt und damit die stetige Erweiterung von Sonderrechten für Unternehmen und Investoren beendet werden.
Die Abgeordneten kritisieren, dass auf EU-Ebene entschieden worden sei, den Investitionsschutz separat zu verhandeln. Damit könne Jefta als reines EU-Abkommen gelten und bedürfe – anders als Ceta – nicht der Zustimmung der nationalen Parlamente. Die Einwirkung auf nationaler Ebene werde damit bewusst erschwert und die EU-Handelspolitik weiter entdemokratisiert, heißt es in der Vorlage.
Grüne: Bundestag an Jefta angemessen beteiligen
In die gleiche Richtung geht auch die Kritik der Grünen. Sie fordern in ihrem Antrag die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, „dass kein Beschluss über die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens Jefta getroffen wird, bevor der Deutsche Bundestag ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Prüfung des Vertragstextes hatte, und eine angemessene Beteiligung des Deutschen Bundestages zu ermöglichen“.
In ihrem neuen Antrag zu Jefta (19/2696) fordern die Grünen, sicherzustellen, dass es auch künftig kein Investitionsschutzabkommen zwischen der EU und Japan gibt, das Investor-Schiedsgerichte enthält. Auch müsse gewährleistet sein, dass das Pariser Klimaschutzabkommen zu einer tatsächlich wirksamen Regelung weiterentwickelt wird.
Mit Japan sollte darüber verhandelt werden, den Marktzugang im Dienstleistungskapitel über eine Positivliste zu regeln, zumindest aber sicherzustellen, dass die kommunale Daseinsvorsorge von der Liberalisierungsverpflichtung ausgenommen wird, so die Fraktion. (pez/hau/vom/14.06.2018)