Zeit:
Donnerstag, 1. Oktober 2020,
16 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 200
Einhellig haben es Sachverständige begrüßt, dass alle Bundestagsfraktionen mehr Transparenz bei der politischen Interessenvertretung vor allem durch die Schaffung eines Lobbyregisters herstellen wollen. Die Gesetzentwürfe und Anträge der Fraktionen wurden indes am Donnerstag, 1. Oktober 2020, in einer Anhörung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung unter Leitung von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) unterschiedlich bewertet.
Die Initiativen der Fraktionen
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs von CDU/CSU und SPD (19/22179) steht die Schaffung einer Registrierungspflicht als eine Art „Lobbyregister“. Auch soll ein Verhaltenskodex vorgegeben werden.
Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion (19/22183) will durch Transparenz die „Wiederherstellung der politischen Chancengleichheit der Deutschen“ fördern – unter anderem durch eben die „legislative Fußspur“.
Die FDP-Fraktion fordert in ihrem Antrag (19/15773) ein Transparenzregister, in dessen Zentrum die Offenlegung der Finanzierungsquellen der jeweiligen Interessenvertretungen stehen soll.
Der Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke (19/15) sieht unter anderem vor , dass der Bundestag auf Vorschlag der Bundesregierung einen Bundesbeauftragten für politische Interessenvertretung wählt, der das Lobbyregister führen soll.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert in ihrem Antrag (19/836), dass Lobbyisten der Zugang zu Bundesministerien und nachgeordneten Bundesbehörden nur nach einer Registrierung möglich sein soll - ebenso die Ausgabe von Hausausweisen für den Bundestag an Lobbyisten.
„Lobbyregister mit begrenzter Wirkkraft“
Laut Prof. Dr. Philipp Austermann von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung kann bezweifelt werden, dass politische Interessenvertretung deutsche Amtsträger in größerem Ausmaß korrumpiere. Lobbyregister wie es sie etwa in den USA oder auf EU-Ebene gebe, blieben in ihrer Wirkkraft begrenzt und würden tendenziell überschätzt. Ob dadurch unlautere Verhaltensweisen verhindert werden können, erscheine sehr fraglich.
Die Gesetzentwürfe oder Anträge der Oppositionsfraktionen seien zum Teil verfassungsrechtlich bedenklich. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sei mit dem Grundgesetz vereinbar – bei allerdings sehr weiter verfassungsrechtlicher Auslegung der Hausausweisregelungen. Über Erteilung und Entzug von Hausausweisen dürfe allein der Bundestagspräsident entscheiden. Das Bundestagsplenum dürfe ihm keine Vorgaben machen.
Das freie Mandat der Abgeordneten sieht Austermann durch die vorgesehenen Regelungen nicht eingeschränkt. Er sprach sich gegen einen „legislativen Fußabdruck“ aus, also eine Dokumentation, wie Interessenvertreter an der Erstellung von Gesetzesentwürfen beteiligt waren.
„Finanzierungsquellen aufdecken“
Albrecht von der Hagen vom Verband „Die Familienunternehmer“ meinte, Interessenvertretung und Lobbyismus seien ein wichtiger Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Er stieß sich an vorgesehenen Ausnahmen und damit einer Ungleichbehandlung.
So seien die Kirchen nicht nur religiöse Gemeinschaften, sondern auch sehr große Arbeitgeber, Immobilienbesitzer und auch Unternehmer. Sehr wichtig sei, dass die Finanzierungsquellen der Lobbyisten aufgedeckt werden. Da müsse nachgebessert werden.
„Effektive Lobby-Regulierung“
Timo Lange (Lobbycontrol) hielt die Einbeziehung von Bundesregierung und Ministerien für wichtig und begrüßte eine entsprechende Ankündigung der Koalitionsfraktionen. Ihrem Gesetzentwurf bescheinigte er, wesentliche Elemente einer effektiven Lobby-Regulierung zu enthalten.
Er machte dies daran fest, dass ein verpflichtendes Lobbyregister vorgesehen sei, das alle Arten von Lobby-Akteuren erfasse, die Nennung der konkreten Auftraggeber vorsehe, Rechtsanwälte, die Lobbyarbeit betrieben, mit einbeziehe und Sanktionen bei der Verletzung der Vorschriften vorsehe.
„Verbindlichen Verhaltenskodex vorgeben“
Hartmut Bäumer, der Vorsitzende von Transparency International Deutschland, machte sich wie seine Kollegen für den „legislativen Fußabdruck“ stark. Vor allem bei diesem Punkt seien die Vorschläge der Koalitionsfraktionen absolut unzureichend.
Es sei für die Abgeordneten selbst von grundlegender Bedeutung, dass für sie der Entstehungsprozess eines Gesetzes transparent ist. Ein Verhaltenskodex müsse verbindlich vorgegeben werden.
„Legislativer Fußabdruck fehlt“
Dass dieser „legislative Fußabdruck“ im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen fehle, kritisierte auch Michaela Schröder vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Zudem sei das vorgeschlagene Lobbyregister bisher noch mit zu vielen Ausnahmen gespickt. Interessenvertretung sei legitim und wichtig in einer Demokratie.
Ob Verband, Unternehmen, Nichtregierungsorganisation, Stiftung oder Anwalt: alle hätten berechtigte Interessen, die sie bei politischen Entscheidungsträgern vorbringen wollten. Sie alle sollten sich daher ausnahmslos registrieren müssen, damit echte Transparenz hergestellt werde.
„Gefahr der unsachlichen Einflussnahme“
Prof. Dr. Heinrich Wolff (Universität Bayreuth) zählt zu den Vorteilen der Interessenvertretung für die Demokratie, dass sie das Einfließen von Sachargumenten und Expertenwissen garantiere, das ansonsten nicht gesehen würde. Andererseits sah er beispielsweise die Gefahr der unsachlichen Einflussnahme, indem falsche Informationen gestreut würden und es womöglich um persönliche Vorteile gehe.
Zudem verwies er auf die Gefahr der verborgenen Einflussnahme. Den Koalitionsentwurf hielt er – bei Korrekturvorschlägen im Detail – grundsätzlich für sehr geeignet, Schutzmaßnahmen gegen die Gefahren zu ergreifen.
„Umfassende Ausnahmen sind ein Manko“
Norbert Theihs vom Verband der Chemischen Industrie begrüßte vor allem, dass der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen die Offenlegung der finanziellen Aufwendungen und von Zuwendungen vorsieht. Diese Regelung werde künftig klar aufzeigen, wer für wen Interessen vertritt. Er unterstrich, umfassende Transparenz sei nur möglich, wenn ein Lobbyregister alle Lobbyisten erfasse und es keine Ausnahmen in der Registrierungspflicht gebe.
Die umfassenden Ausnahmen seien ein nennenswertes Manko und sendeten ein negatives Signal an alle pflichtbewussten Interessenvertreter. Zudem nannte er es ein großes Anliegen des Verbandes, dass ein Lobbybeauftragter die Vorgänge rund um eine Transparenzregelung überwacht.
„Versprechen würde ich mir davon nichts“
Prof. Dr. Christian Waldhoff (Humboldt-Universität zu Berlin) hielt das Gesetzesvorhaben für weitgehend symbolisch: „Versprechen würde ich mir davon nichts.“ Zentraler Kritikpunkt war für ihn die Frage des von der Verfassung garantierten freien Mandats der Abgeordneten. Ihnen könne nicht vorgegeben werden, offenzulegen, mit wem sie sich wo getroffen hätten und was Gesprächsgegenstand gewesen sei.
Dass im Koalitionsentwurf Ausnahmen für die Kirchen vorgesehen seien, hält er für richtig. Das entspreche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. (fla/01.10.2020)