Barnett: Nicht mit Zensur auf Fake News reagieren
„Zensur kann nicht die Antwort sein“: Mit diesen Worten erteilt Doris Barnett staatlichen Eingriffen in die Pressefreiheit angesichts der Ausbreitung von Falschmeldungen („Fake News“) eine Absage. Stattdessen solle man „seriösen Journalismus schützen und die Medienkompetenz der Bürger stärken“, fordert die SPD-Abgeordnete im Interview. Bei ihrer Wintertagung in Wien am 22. und 23. Februar 2018 befasst sich die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) auch mit der Frage, welche Folgen Falschmeldungen für die Demokratie haben und wie Parlamente auf diese Entwicklung reagieren sollen. Barnett leitet die Bundestagsdelegation. Das Interview im Wortlaut:
Frau Barnett, zur Parlamentarischen Versammlung der OSZE wird der im September gewählte Bundestag eine neue Delegation entsenden. Die muss erst noch formiert werden. Welche Probleme, Themen und Herausforderungen sind indes schon absehbar, mit denen sich die deutschen Abgeordneten in den nächsten Jahren befassen müssen?
Wir werden uns mit den großen Themen unserer Zeit auseinandersetzen müssen – mit der Digitalisierung, dem Klimawandel, den Fluchtbewegungen, dem weltweiten Rechtsruck und anderen Herausforderungen. All das wirkt sich direkt auf die Sicherheit im OSZE-Raum aus und birgt Risiken und Chancen bei alten und neuen Konflikten in sich. Dabei ist die Rolle der Bundesrepublik nicht zu unterschätzen. Und es ist wichtig, dass die deutschen Delegierten das große Vertrauen unserer Kollegen aus anderen Ländern nicht verspielen. Ein weiteres Thema ist die Parlamentarische Versammlung selbst: Wir beschäftigen uns intensiv mit der Frage, wie wir unsere Arbeit effektiver gestalten und unsere politische Wirkung steigern können.
Auf welche Resonanz stößt die Arbeit des OSZE-Parlaments und der deutschen Delegierten im Bundestag? Müssten die Aktivitäten der OSZE-Abgeordneten in den nächsten Jahren im Bundestag mehr Beachtung und in der deutschen Politik einen größeren Niederschlag finden?
Es ist mein großes Anliegen, die Arbeit der OSZE-Versammlung im Bundestag sichtbarer zu machen. Es gibt hierfür bereits einige gute Instrumente. Wir Delegierten agieren als eine Art Schnittstelle und tragen die Entscheidungen der Parlamentarischen Versammlung, aber auch unsere Erfahrungen und Beobachtungen weiter. Eine große Rolle spielt im Übrigen die Zusammenarbeit der Parlamentarischen Versammlung mit dem Ministerrat der OSZE. Bei dieser Kooperation haben wir in den vergangenen Jahren bereits einiges verbessert.
Schon jetzt bei der Wintertagung nimmt die Vorbereitung auf den Jahreskonvent der OSZE-Abgeordneten im Juli in Berlin einen breiten Raum ein. Unter welchem Motto wird dieses Treffen stehen? Welche Impulse sollen vom Berliner Kongress ausgehen?
Die Vorbereitungen für die Jahrestagung 2018 sind in vollem Gang. Dieses Treffen findet im Reichstagsgebäude unter dem Motto „Umsetzung der OSZE-Verpflichtungen: die Rolle der Parlamente“ statt. Das Thema ist in vielerlei Hinsicht von Bedeutung. In den Volksvertretungen zahlreicher Staaten sind mittlerweile rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien vertreten, welche die OSZE-Prinzipien missachten. Mancherorts regieren sie sogar mit. Oft werden die Parlamente zudem rigoros geschwächt – etwa durch Verfolgung der Opposition, durch Wahlfälschungen oder durch Korruption. Umso wichtiger wird die parlamentarische Diplomatie. Dabei dreht es sich nicht nur um Verhandlungen mit politischen Gegnern. Es geht obendrein darum, Gleichgesinnte zu vernetzen und unsere Bemühungen zu bündeln.
In Wien stehen auch die Fake News zur Debatte. Inwiefern ist dieses Problem, das die Medien umtreibt, ein Thema für die OSZE-Abgeordneten? Die Kernaufgaben der OSZE sind doch die friedliche Beilegung zwischenstaatlicher Konflikte und generell die Friedenssicherung.
Das Besondere an der OSZE ist deren umfassender Sicherheitsbegriff. Wir setzen uns mit der Sicherheit nicht nur auf der politisch-militärischen Ebene auseinander. Sicherheit muss auch im Blick auf Wirtschaft, Umwelt, Demokratie und Menschenrechte diskutiert werden. Insofern sind Falschmeldungen ein wichtiges und aktuelles Thema für die OSZE-Abgeordneten.
Mit der Debatte über Fake News begibt man sich auf vermintes Gelände. Im Sinne der Pressefreiheit ist doch die Befassung mit falschen Nachrichten eine Angelegenheit der Medien oder der Internetbetreiber. Die OSZE hingegen ist eine staatliche Instanz. Sollen künftig der Staat und Organisationen wie die OSZE entscheiden, was „wahr“ und was „unwahr“ ist? Und was veröffentlicht werden darf und was nicht?
Falschmeldungen sind kein neues Phänomen, die gab es schon immer. Mit der Digitalisierung bekommen Fake News jedoch eine neue Dimension. In Wien wollen wir uns mit der Frage beschäftigen, welche Folgen Falschmeldungen für die Demokratie haben und wie wir Parlamentarier auf diese Entwicklung reagieren sollen. Zensur kann dabei nicht die Antwort sein. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, seriösen Journalismus zu schützen und die Medienkompetenz der Bürger zu stärken.
(kos/15.02.2018)