Parlament

Rede von Dr. h. c. Anita Lasker Wallfisch MBE zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! Liebe Familie! Ich danke Ihnen für die Einladung, hier im Bundestag ein paar Worte sagen zu dürfen. Ich bin eine der rapide verschwindenden Augenzeugen der damaligen Katastrophe.

Es gibt schlechthin keinen Genozid, der so umfassend dokumentiert ist wie der Holocaust. Stundenlange Interviews wurden mit Überlebenden gemacht. Man kann unzählige Berichte lesen, wenn man will. Und trotzdem gibt es Leugner, Menschen, die behaupten, dass das alles erfunden ist. Man schickt sogar jemanden nach Birkenau, der an den Wänden der gesprengten Gaskammern herumkratzt, um zu beweisen, dass das, was man sich erzählt, ganz einfach nicht wahr ist. Die Realität ist anders. Im Januar vor 73 Jahren wurde Auschwitz befreit, und die unvorstellbarsten Verbrechen an unschuldigen Menschen kamen langsam in die Öffentlichkeit. Das Ausmaß der Katastrophe war gar nicht zu fassen.

6 Millionen ist eine unvorstellbare Zahl. Mit einem Einzelschicksal kann man sich eventuell identifizieren. Ich erlaube mir, in Stichworten unsere Karriere als Überlebende von Auschwitz und Bergen-Belsen zu beschreiben. Renate und ich sind in diesem Land geboren, also deutsch. Unser Vater war Rechtsanwalt und Notar am Oberlandesgericht, unsere Mutter eine wunderbare Geigerin. Wir waren drei Töchter und lernten alle ein Instrument spielen, ich mit Begeisterung Cello, Renate mit weniger Begeisterung Geige.

Es gab bei uns ein paar Regeln, die ich als Kind überhaupt nicht verstanden habe und eigentlich ziemlich blöd fand, zum Beispiel, dass am Sonntag ausschließlich französisch gesprochen wurde. Am Sonnabendnachmittag versammelte sich die Familie. Wir lasen die Klassiker, und mein Vater erzählte von seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg als Frontkämpfer mit Eisernem Kreuz, und wir spielten Schach. Das schuldeten wir unserem Namen. Mein Onkel Edward Lasker war Grandmaster of America.

Plötzlich war alles zu Ende. Das Idyll war zu Ende. Radikale Ausgrenzung - „Juden unerwünscht“ war überall zu lesen -, man darf nicht mehr ins Schwimmbad gehen, auf Parkbänken sitzen. Fahrräder mussten abgegeben werden. Männer mussten den Namen „Israel“ und Frauen den Namen „Sara“ zusätzlich annehmen. Wir mussten unsere Wohnung räumen und zurück ins Mittelalter. Wir mussten den gelben Stern auf unserer Kleidung tragen. Auf der Straße wurde ich angespuckt und „dreckiger Jude“ genannt. Unser Vater - unverbesserlicher Optimist - konnte es nicht glauben: Die Deutschen können doch diesen Wahnsinn nicht mitmachen.

In dem Museum in Auschwitz kann man diese riesigen Schaufenster sehen mit Haaren, Zahnbürsten, Brillen und Prothesen. Wo kommen die her? Jüdische Frontkämpfer - das war der Dank des Vaterlandes.

1938, Kristallnacht - hier kann man nicht bleiben. Aber da war es zu spät, wir waren gefangen. Die Massenerschießungen begannen bereits 1939 mit der Besetzung Polens, und 1942 fand die bekannte Wannsee-Konferenz statt. Sogenannte kultivierte Menschen saßen zusammen und diskutierten ernsthaft, wie man am besten Millionen von Menschen - Juden - aus der Welt schaffen kann. Das einzige Problem schienen die Mischlinge zu sein: Was soll man eigentlich mit den Menschen machen, die nur halb jüdisch sind? Soll man die auch ermorden?

Die Deportationen fanden jetzt regelmäßig statt, und aus allen von Deutschland besetzten Gebieten, sogar aus Griechenland, wurden Menschen nach Auschwitz transportiert. Unsere Eltern wurden am 9. April 1942 deportiert. Wir wollten selbstverständlich zusammenbleiben, mitgehen, aber unser Vater sagte weise Worte: Nein, da, wo wir hingehen, kommt man zeitig genug hin.

Es erübrigt sich, zu sagen, dass wir sie nie wieder gesehen haben. Ich war damals 16 Jahre alt.

Also, wir waren allein, mussten in ein Waisenhaus, absolut entschlossen, uns nicht unterkriegen zu lassen, nicht zu warten, bis man abgeholt wird, um ermordet zu werden, weil man jüdischer Abstammung ist. Wir waren zum Arbeitsdienst in einer Fabrik eingezogen. In dieser Fabrik arbeiteten unter anderem auch französische Kriegsgefangene. Bald war ein Kontakt hergestellt, und so begann unsere Karriere als Urkundenfälscher; das waren Papiere, die von den Franzosen zur Flucht benutzt wurden.

Als wir bemerkten, dass man uns beobachtete, beschlossen wir, zu versuchen, selbst zu fliehen und mit gefälschten Papieren in die unbesetzte Zone von Frankreich zu gelangen - ein absolut absurdes Unternehmen, wenn ich jetzt zurückdenke. Aber was hatten wir zu verlieren? Gar nichts.

Natürlich misslang dieser letzte verzweifelte Versuch. Auf dem Breslauer Hauptbahnhof, genau als wir in den Zug einsteigen wollten, wurden wir von der Gestapo verhaftet. Ich mache es jetzt kurz. Wir sitzen also im Gefängnis, ein ganzes Jahr lang. Es war ein Riesenglück, nicht sofort nach Auschwitz verfrachtet zu werden. Wir sollten beim Sondergericht einen Prozess bekommen. Ich glaube, dass wir das einem Kollegen meines Vaters zu verdanken haben - einem gewissen Dr. Lukaschek, wenn ich mich nicht irre. Das Bürgerliche Gesetzbuch war damals nicht mehr aktuell, und in der neuen Ordnung war es vorteilhafter, als Verbrecher eingestuft zu werden und nicht als Jude; denn Verbrecher bekamen einen Prozess, Juden waren Freiwild.

Die Anklage lautete: Fluchtversuch, Feindesbeihilfe und Urkundenfälschung. Der Pflichtverteidiger erschien nicht, und - so unverständlich das heute klingen mag - wir wollten gar nicht verteidigt werden. Je höher die Strafe, desto besser. Wir wussten schon damals, dass Gefängnis besser ist als Konzentrationslager.

Es war nicht gerade angenehm. Man war 24 Stunden in einer Zelle eingeschlossen, mit der einzigen Unterbrechung des halbstündigen Rundgangs im Hof, Hände auf dem Rücken, in totalem Schweigen. Aber im Gefängnis wird man im Allgemeinen wenigstens nicht ermordet.

Renate bekam dreieinhalb Jahre Zuchthaus und ich anderthalb Jahre Gefängnis. Wir haben die Strafe nicht abgesessen und wurden beide separat nach Auschwitz geschickt. Es ist kaum zu glauben, aber ich sollte ein Papier unterschreiben, dass ich freiwillig nach Auschwitz gehe.

Was in Auschwitz geschah, war damals bereits bekannt, nur wollte man es einfach nicht glauben. Leider war es wahr. Also, ich komme in Auschwitz an, mit dem Versuch, mich auf das Schlimmste vorzubereiten - soweit so etwas überhaupt möglich ist.

Es kam anders. Ich war nicht mit einem dieser Riesentransporte von Juden angekommen, die an der Rampe zu Tod oder Leben verurteilt wurden, sondern als Verbrecher, und das war vorteilhafter. Wir waren sogenannte Karteihäftlinge. Mein Kopf wurde rasiert, und die Nummer 69388 wurde auf meinen linken Arm tätowiert. Die Anita Sara Lasker gibt es nicht mehr.

In Auschwitz - es ist kaum zu glauben - gab es Musik, und es wurde dringend jemand gebraucht, der Cello spielt. Ich wurde Mitglied der Lagerkapelle in Birkenau. Dirigentin war Alma Rosé, Nichte von Gustav Mahler und Tochter von Arnold Rosé, jahrelanger Konzertmeister der Wiener Oper, bis er „entlassen“ wurde. Er war Jude.

Die Kapelle wohnte auf Block 12, beinahe am Ende der Lagerstraße, nur ein paar Meter von Krematorium I entfernt und mit einem unbeschränkten Blick auf die Rampe. Wir konnten alles sehen: die Ankunftszeremonien, die Selektionen, die Kolonnen von Menschen, die Richtung Gaskammer gingen und in Rauch verwandelt wurden.

1944 kamen die Transporte aus Ungarn an. Die Gaskammern konnten nicht Schritt halten. Danuta Czech schrieb in ihrem bewundernswerten Buch „Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939 - 1945“: Der Lagerkommandant Höß ordnet an, „fünf Gruben zur Leichenverbrennung … auszuheben“. Die Transporte waren sehr zahlreich, und es kam vor, dass das Krematorium V nicht alle Menschen fasste, die mit dem Transport angekommen waren. Die, die in den Gaskammern keinen Platz hatten, erschoss man. In vielen Fällen warf man Menschen bei lebendigem Leibe in die brennenden Gruben. Auch das habe ich gesehen.

Wenn man nicht direkt bei der Ankunft in die Gaskammer kommt, überlebt man in Auschwitz sowieso nicht lange - maximal drei Monate. Wenn man irgendwie gebraucht wird, hat man eine winzige Chance. Ich hatte diese Chance - ich wurde „gebraucht“.

Wir spielten Märsche am Lagertor für die Gefangenen, die in den umliegenden Fabriken arbeiteten - IG Farben, Buna, Krupp usw. -, und Konzerte am Sonntag irgendwo auf dem Lagergebiet für das Personal oder wer immer auch zuhören wollte. Für viele war Musik in dieser Hölle eine absolute Beleidigung, für manche vielleicht eine Möglichkeit, sich für Momente in eine andere Welt zu träumen.

Renate kam dort etwas später aus dem Zuchthaus an, und durch einen geradezu unglaublichen Zufall haben wir uns wiedergefunden. Birkenau ist unwahrscheinlich groß. Der Zustand meiner Schwester ist kaum zu beschreiben: ein Skelett mit offenen Wunden an den Beinen, die einfach nie heilten. Natürlich hatten wir alle Typhus. Vor Läusen konnte man sich überhaupt nicht retten, und von Hunger will ich schon gar nicht sprechen. Eigentlich wäre es eine Gnade gewesen, wenn sie einfach stillschweigend gestorben wäre. Es war unglaublich: Sie überlebte.

Plötzlich hieß es: Antreten, Juden auf eine Seite, Arier auf die andere! - Das konnte nur eines heißen: Gaskammer. Aber wir hatten uns getäuscht, wir wurden in einen Viehwagen verladen. Renate kam ganz einfach mit. Jetzt trennen wir uns nicht mehr. Wir fuhren gen Westen, nach Bergen-Belsen.

Auschwitz wurde gesäubert, die Gaskammern wurden gesprengt - ganz gelungen ist es nicht. Wer hätte geglaubt, dass wir Auschwitz lebendig und nicht als Rauch verlassen würden!

Zu der Frage, ob es in Belsen besser war, kann ich nur eines sagen: Es war anders. In Auschwitz hat man Menschen auf die raffinierteste Art und Weise en gros ermordet. In Belsen ist man ganz einfach krepiert. Wir existierten inmitten verwesender Leichen und warteten auf das Ende. Dann kamen die Engländer, und wir waren befreit - 15. April 1945, ich war 19 Jahre alt.

Ich spreche oft hier zu jungen Menschen in Schulen, und nicht nur jungen Menschen. Eine der besten Fragen ist immer: Sind Sie dann nach Hause gefahren? - Ein Zuhause gab es nicht mehr. Wir waren diese neue Menschengattung: Displaced Persons - mit all den Problemen, die damit zusammenhängen. Was soll man mit diesen Menschen machen? Ich brauche die Antwort nicht zu buchstabieren.

Im Jahre 2000 fand die internationale Konferenz in Stockholm statt - und der Beschluss, den 27. Januar zum offiziellen Gedenktag zu ernennen und den Holocaust als Pflichtfach in Schulen einzuführen. Die Stimmung war voller Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Inzwischen sind über 70 Jahre vergangen, die Generation der Täter gibt es nicht mehr. Man kann es eigentlich der heutigen Jugend nicht verübeln, dass sie sich nicht mit den Verbrechen identifizieren will. Aber leugnen, dass auch das zur deutschen Vergangenheit gehört, darf nicht sein.

(Beifall)

Noch mehr zur Sache kann gar nicht sein. Worunter soll ein Schlussstrich gezogen sein? Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht mit einem Strich ausgelöscht werden. Es handelt sich auch gar nicht um Schuldgefühle - die sind vollkommen fehl am Platz -; es handelt sich jetzt um die Sicherheit, dass so etwas nie, aber auch nie wieder hier geschehen kann.

(Beifall)

Der eminente Historiker Professor Yehuda Bauer sagte in seiner Rede im Bundestag, dass Menschen selten aus der Geschichte lernen und dass der Holocaust keine Ausnahme bildet, aber dass hier einiges hinzugefügt wurde, was es bisher noch nicht gab: ein industrieller Massenmord - Menschen wurden recycelt.

Nach der Katastrophe hat sich Deutschland exemplarisch benommen. Nichts wurde geleugnet. Antisemitismus war nicht mehr modern. Heute sind andere Zeiten. Die Welt ist voller Flüchtlinge. Für uns haben sich die Grenzen damals hermetisch geschlossen und nicht, wie hier, geöffnet, dank dieser unglaublich generösen, mutigen, menschlichen Geste, die hier gemacht wurde.

(Beifall)

Heute gedenken wir der Millionen von unschuldigen Opfern. Wir sollten auch der mutigen Helfer gedenken. Es gab sie - nicht genug, aber es gab sie. Es gab Menschen, die damals ihr eigenes Leben gefährdet haben, um anderen Menschen zu helfen. Auch das sollen wir nicht vergessen.

(Beifall)

Antisemitismus ist ein zweitausend Jahre alter Virus, anscheinend unheilbar. Immer gibt es andere Gründe: Religion, Rasse. Nur sagt man heute nicht unbedingt „Juden“, heute sind es die Israelis, ohne wirklich die Zusammenhänge zu verstehen oder gar zu wissen, was hinter den Kulissen vor sich geht.

(Beifall)

Juden werden kritisiert, dass sie sich damals nicht verteidigt haben, was nur bestätigt, wie unmöglich es ist, sich in unsere damalige Lage hineinzuversetzen. Und dann werden Juden kritisiert, wenn sie sich verteidigen. Was für ein Skandal, dass jüdische Schulen und sogar jüdische Kindergärten polizeilich bewacht werden müssen!

(Beifall)

Man muss sich wirklich fragen: Warum?

Es gibt weder Entschuldigungen noch Erklärungen für das, was damals geschehen ist. Alles, was bleibt, ist Hoffnung, die Hoffnung, dass womöglich letzten Endes der Verstand siegt.

Seit Jahren bin ich regelmäßig hier eingeladen und habe einen sehr positiven Kontakt mit jungen Menschen. Bei meinem letzten Besuch habe ich etwas erlebt, was weniger positiv war. Ich war in Bayern, in Rosenheim. Zwei wirklich bewundernswerte Geschichtslehrerinnen hatten mit Riesenenthusiasmus und ohne irgendeine offizielle finanzielle Hilfe eine Lesereise in Schulen in Traunstein organisiert. Der Plan war, zwei sehr unterschiedliche Augenzeugen zu Wort kommen zu lassen: Niklas Frank, Sohn von Hans Frank, Generalgouverneur von Polen und auch „Judenschlächter“ genannt, und ich.

Wir trafen uns im Restaurant meines Hotels und besprachen die bevorstehenden Termine. Ein Mann in der Nähe hatte offensichtlich die Ohren gespitzt, kam wütend an unseren Tisch und beschwerte sich, dass wir hier die schöne Atmosphäre mit diesen Auschwitz-Geschichten verderben und Ähnliches. So etwas wäre vor, sagen wir, fünf Jahren vielleicht nicht möglich gewesen - also aufpassen.

Ich denke manchmal, dass die Kapelle in Auschwitz eine Art Mikrokosmos, eine Miniaturgesellschaft war, von der man etwas lernen könnte. Da waren alle Nationalitäten vertreten. Ein Turmbau von Babel. Mit wem kann ich sprechen? Nur mit Menschen, die deutsch oder französisch sprechen. Polnisch oder Russisch kann ich nicht; mit denen spreche ich also nicht. Man sieht sich misstrauisch an, glaubt automatisch, dass man feindlich gesinnt ist, fragt nicht einmal, warum auch sie in Auschwitz gelandet sind.

Viele Jahre nach diesen Ereignissen habe ich einen engen Kontakt mit einer dieser Mitgefangenen, einer Polin, rein arisch, die damals Geige in der Kapelle gespielt hat. Wir haben dort nie miteinander gesprochen. Dank eines geradezu unglaublich schlechten Buches über das Mädchenorchester kamen wir wieder in Kontakt. Wir trafen uns in Krakau, haben noch immer Sprachprobleme; aber wir sprechen miteinander. Wir korrespondieren auf Englisch. Kurzum: Wir sind Freunde geworden und haben gemerkt, dass wir viel mehr gemeinsam haben, als uns trennt. Vielleicht könnte das als Beispiel für die heutigen Probleme dienen: Sprecht miteinander, baut Brücken!

(Beifall)

Was den wieder aufblühenden Antisemitismus betrifft: Fragen Sie sich: Wer sind eigentlich diese Juden? Warum findet man sie überall? Vielleicht, weil sie vor zweitausend Jahren aus ihrer Heimat in alle Welt vertrieben wurden und immer wieder irgendeinen Platz gesucht haben, wo sie hofften in Frieden leben zu können, nicht ermordet zu werden. Juden sind kein Sammelbegriff, ganz einfach Menschen, zugegeben mit einer sehr ungewöhnlichen Geschichte, immer wieder Prügelknaben - verfolgt, ermordet und verleumdet.

Auf der positiven Seite ist, dass am 18. dieses Monats hier in diesem Hause einstimmig eine Resolution angenommen wurde, dass Antisemitismus entschlossen bekämpft werden muss. Man kann nur hoffen, dass Sie den Kampf gewinnen. Die Zukunft liegt in Ihren Händen.

Vor acht Jahren hat Schimon Peres, der damalige Präsident von Israel, hier eine Rede gehalten und gesagt: Während es sein Herz zerreißt, wenn er an die Gräueltaten der Vergangenheit denkt, blicken seine Augen in eine Welt von jungen Menschen, in der es keinen Platz für Hass gibt, eine Welt, in der Krieg und Antisemitismus nicht mehr existieren. - Utopia?

Endlose Schwierigkeiten waren zu überwinden, bevor wir beide Deutschland verlassen konnten - fast ein ganzes Jahr. Ich hatte geschworen, nie wieder meine Füße auf deutschen Boden zu setzen. Mein Hass auf alles, was deutsch war, war grenzenlos. Wie Sie sehen, bin ich eidbrüchig geworden - schon vor vielen, vielen Jahren -, und ich bereue es nicht. Hass ist ganz einfach ein Gift, und letzten Endes vergiftet man sich selbst.

(Beifall)

Ich verabschiede mich jetzt von Ihnen mit Dank für diese Einladung und Anerkennung für die Würde und Offenheit, mit der Sie jedes Jahr diesen Gedenktag begehen.

Thank you.

(Langanhaltender Beifall - Die Anwesenden erheben sich)

 

Ernest Bloch
„Nigun“, aus: Baal Shem (1923),
gespielt von Judith Stapf (Violine) und Kärt Ruubel (Piano)

 

(Langanhaltender Beifall)