Gegen die Stimmen der AfD hat der Bundestag am Donnerstag, 28. Mai 2020, einen Entwurf dieser Fraktion „zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes“ (19/86) abgelehnt. Dazu lag eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses (19/3267) vor.
Erstmals beraten und im Anschluss an den federführenden Innenausschuss überwiesen wurden drei Vorlagen der übrigen Oppositionsfraktionen. Ein FDP-Antrag fordert eine „Reform des Staatsangehörigkeitsrechts für Zusammenhalt, Integration und rechtsstaatliche Konsequenz“ (19/19513), der Antrag der Linken ist mit dem Titel „Für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht und eine Einbürgerungsoffensive“ (19/19484) überschrieben und jener von Bündnis 90/Die Grünen trägt den Titel „20 Jahre modernes Staatsangehörigkeitsrecht – Das Fundament einer pluralen Gesellschaft erhalten und reformieren“ (19/19552).
Abgelehnter Gesetzentwurf der AfD
Die AfD-Fraktion drang mit ihrem Gesetzentwurf auf eine Rückkehr zur bis 2014 geltenden Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Fraktion verwies in der Vorlage darauf, dass das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht nach Abstammung (ius sanguinis) im Jahr 2000 „durch ein Staatsbürgerschaftsrecht nach Geburtsort (ius soli) erweitert“ worden sei. „Dieses für die seit 2000 hier geborenen Kinder ausländischer Eltern geltende Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit wurde regelhaft, jedoch nur auf Zeit (nämlich altersbezogen befristet) gewährt, sodass eine nur vorübergehende Doppelstaatigkeit entstand, die mit der Optionspflicht (für eine der beiden Staatsbürgerschaften) zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr endete“, heißt es in der Vorlage.
Damit sei eine erleichterte Einbürgerung unter prinzipieller Beibehaltung der einfachen Staatsbürgerschaft geschaffen worden. Diese Doppelstaatigkeit, die nur auf Zeit gewährt worden sei, werde „seit 2014 – im Gegensatz zum Sinn dieser Bestimmung – auf Dauer gewährt“. Die seit 2014 „bestehende unbefristet regelhafte Doppelstaatigkeit hier geborener Kinder ausländischer Eltern führt automatisch zu einer großen und wachsenden Anzahl doppelstaatiger Personen und damit in die vielfältige Problematik einer massenhaften, ja regelhaften Doppelstaatigkeit, die es zu vermeiden gilt“, schrieben die Abgeordneten weiter.
Daher sollten dem Gesetzentwurf zufolge in Paragraf 29 des Staatsangehörigkeitsrechts Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 1a gestrichen „und somit die Optionspflicht für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bei entstehender Doppelstaatigkeit“ wieder eingeführt werden.
Antrag der FDP
Die Bundesregierung soll nach dem Willen der FDP-Fraktion einen Gesetzentwurf zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes vorlegen. In ihrem Antrag fordert die Fraktion zugleich „ein begleitendes Gesamtkonzept zur Stärkung und Unterstützung der Integration von Einwanderern als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit“.
Die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit soll dabei laut Vorlage „konsequent von einer bereits erfolgten und gelungenen Integration“ abhängig gemacht und die bestehenden Einbürgerungstests daraufhin überprüft werden, wie „stärker auf die Rechte und Pflichten hingewiesen werden kann, die mit einer Staatsangehörigkeit einhergehen“.
Auch plädiert die Fraktion dafür, die Möglichkeit einer beschleunigten Einbürgerung einzuführen. „Langfristig soll eine Einbürgerung bereits nach vier Jahren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland möglich werden, wenn die übrigen Voraussetzungen der Einbürgerung vorliegen“, heißt es dazu in dem Antrag weiter. Erschwert wissen wollen die Abgeordneten dagegen die Einbürgerung von Personen, die über ihre Identität oder Herkunft getäuscht oder einen Aufenthaltsgrund vorgetäuscht haben.
Antrag der Linken
Die Integrations- und Partizipationsmöglichkeiten in Deutschland seien umso besser, je früher eine Einbürgerung erfolge, schreibt Die Linke in ihrem Antrag. Deshalb sollte die Mehrfachstaatsangehörigkeit künftig akzeptiert werden und die Pflicht zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit bei der Einbürgerung entfallen. Erleichtert werden soll, so die Abgeordneten, auch der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt.
Einbürgerungsberechtigt sollten all diejenigen sein, „die seit mindestens fünf Jahren ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, sofern sie zum Zeitpunkt der Antragstellung über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel verfügen“. Darüber hinaus, so die Fraktion, sollten die Gebühren für die Einbürgerung deutlich gesenkt und weitere Hürden wie verpflichtende Staatsbürgerschaftskurse abgeschafft werden. Seitens des Bundes und der Länder wünscht sich Die Linke Kampagnen, um „offensiv für Einbürgerungen zu werben“.
Antrag der Grünen
Die Grünen fordern in ihrem Antrag, die deutsche Staatsangehörigkeit solle fortan auch durch Geburt im Inland erworben werden, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Den Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht, nach welchem sich junge Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft im Alter zwischen 18 und 23 Jahren zwischen dem deutschen und dem ausländischen Pass entscheiden müssen, will die Fraktion abschaffen.
Aufgeben will sie den Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Die Anspruchseinbürgerung solle allen Personen offenstehen, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis sind oder aus anderen Gründen aufenthalts- oder freizügigkeitsberechtigt sind. Den bisherigen Ausschluss bestimmter Aufenthaltserlaubnisse will die Fraktion abschaffen.
Die Mindestaufenthaltsdauer für die Einbürgerung solle auf fünf Jahre herabgesetzt werden, für anerkannte Flüchtlinge und ihnen gleichgestellte Personen auf drei Jahre. Familienangehörige einbürgerungswilliger Personen sollen früher mit eingebürgert werden können. Bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer sollen alle Aufenthaltszeiten berücksichtigt werden, in denen der Betroffene im Besitz eines deutschen Aufenthaltstitels oder einer Duldung war. Der Nachweis der Sicherung des Lebensunterhalts solle von jungen Menschen, die sich in der Ausbildung befinden und von Studierenden nicht mehr, von älteren Menschen nur noch eingeschränkt verlangt werden. (sto/hau/ste/28.05.2020)