Einfluss der über 60-Jährigen bei Bundestagswahlen nimmt weiter zu
Das Wahlverhalten der über 60-Jährigen gewinnt bei Bundestagswahlen immer mehr an Gewicht. Das liegt zum einen daran, dass bei der letzten Bundestagswahl am 24. September 2017 mehr als jeder dritte Wahlberechtigte 60 Jahre oder älter war (36,3 Prozent). Bei der ersten gesamtdeutschen Wahl am 2. Dezember 1990 gehörte nur jeder vierte Wahlberechtigte dieser Altersgruppe an (26,8 Prozent). Zum anderen ist die Wahlbeteiligung bei den 60- bis 69-Jährigen mit 81 Prozent auch die höchste aller Altersgruppen. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 76,2 Prozent. Bei den 18- bis 39-Jährigen lag sie unter dem Durchschnitt, bei den über 40-Jährigen darüber.
Wichtige Datenquelle der empirischen Wahlforschung
Dr. Georg Thiel, seit 1. November 2017 Präsident des Statistischen Bundesamtes und in Personalunion seitdem auch Bundeswahlleiter, stellte am Freitag, 26. Januar 2017, in Berlin die Ergebnisse der repräsentativen Wahlstatistik der Bundestagswahl 2017 vor. Die Ergebnisse stützen sich auf die tatsächliche Stimmabgabe und nicht auf nachträgliche Angaben der Wählerinnen und Wähler.
Gut 2.250 Stichprobenwahlbezirke und 500 Briefwahlbezirke seien ausgewählt worden, betonte Thiel. Damit seien 2,2 Millionen Wahlberechtigte in der Stichprobe gewesen. Die repräsentative Wahlstatistik, die zum 16. Mal das Wahlverhalten nach Altersgruppen und Geschlecht analysiert, gehöre somit zu den wichtigsten Datenquellen der empirischen Wahlforschung.
Frauen wählten häufiger CDU als Männer
Während 69,9 Prozent der Erstwähler zur Urne gingen oder per Brief wählten, wies die Altersgruppe der 21- bis 24-Jährigen mit 67 Prozent erneut die niedrigste Wahlbeteiligung auf, sagte Karina Schorn, Leiterin des Büros des Bundeswahlleiters, die die Ergebnisse im Einzelnen vorstellte. Damit werde deutlich, dass das politische Einflusspotenzial der älteren Wahlberechtigten weiter steigt.
Ein weiteres Ergebnis der repräsentativen Wahlstatistik ist, dass Frauen mit 29,8 Prozent deutlich häufiger CDU gewählt haben als Männer (23,5 Prozent). Im Gegensatz dazu stimmen Männer mit 16,3 Prozent öfter für die AfD als Frauen (9,2 Prozent). Keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen bei der Stimmabgabe gab es bei der SPD.
CDU, CSU und SPD punkten bei älteren Wählern
36,5 Prozent der Altersgruppe ab 70 Jahren wählten CDU, 25,2 Prozent die SPD und 8,1 Prozent die CSU. Diese drei Parteien konnten damit bei den ältesten Wählern am meisten punkten. Die AfD erreichte bei der mittleren Altersgruppe der 25- bis 69-Jährigen Stimmanteile, die zwischen 12,8 und 15,4 Prozent lagen. Deutlich weniger erfolgreich war sie bei den jüngsten und den ältesten Wählern. Die geringsten Schwankungen in den einzelnen Altersgruppen wiesen die FDP und Die Linke auf. Besonders gut schnitten Bündnis 90/Die Grünen bei den Jung- und Erstwählern ab.
44,6 Prozent der CDU-Wähler waren mindestens 60 Jahre alt, bei der CSU lag dieser Anteil bei 43,2 Prozent und bei der SPD bei 43,9 Prozent. Am ehesten bilden die Wähler der Linken und der FDP die Altersstruktur aller Wahlberechtigten ab. Über die Hälfte der Linke- und FDP-Wähler war zwischen 45 und 69 Jahre alt, während die jüngeren und die älteren jeweils unterdurchschnittlich vertreten waren.
Jeder Vierte nutzte das Stimmensplitting
Das sogenannte Stimmensplitting, also die Möglichkeit, die Erststimme nicht dem Kandidaten der Partei zu geben, die man mit der Zweitstimme wählt, haben 27,3 Prozent der Wähler genutzt. Am geringsten ausgeprägt war es bei der CSU: 87 Prozent der CSU-Wähler haben ihre Erststimme auch dem CSU-Kandidaten gegeben. Besonders häufig haben FDP-Wähler ihre Stimmen gesplittet: 56,4 Prozent wählten mit der Erststimme die Direktkandidaten anderer Parteien, zu 33,8 Prozent gaben sie ihre Erststimme dem CDU-Kandidaten.
Die größten Ost-West-Unterschiede zeigten sich bei der AfD, die 2017 in den neuen Ländern zweistärkste Partei wurde. In der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen erzielte sie mit 26,4 Prozent im Osten ihr bestes Ergebnis, bei den 35- bis 44-Jährigen kam sie auf 25,7 Prozent. Das beste Ergebnis im Westen erzielte sie bei den 35- bis 44-Jährigen mit 13,1 Prozent. Den geringsten Rückhalt fand sie bei den über 70-Jährigen im Westen mit 6,9 Prozent. Insgesamt habe sich im Vergleich zur Bundestagswahl 2013 die Wählerschaft der Linken, der Grünen und der FDP verjüngt, während die der CDU, CSU und SPD weiter altert, sagte Karina Schorn.
Wahlkreis Würzburg mit dem höchsten Briefwähleranteil
Der Anteil der Briefwähler lag den Angaben zufolge mit 28,6 Prozent um 4,3 Prozentpunkte höher als bei der Bundestagswahl 2013. Auffallend sei, dass die Briefwahlquoten in den neuen Ländern zum Teil deutlich niedriger ausfielen als im alten Bundesgebiet.
In Sachsen-Anhalt gaben nur 17,9 Prozent ihre Stimme per Brief ab, in Mecklenburg-Vorpommern immerhin 23,9 Prozent. Im Westen reichte die Spanne von 22 Prozent in Niedersachsen bis 37,3 Prozent in Bayern. Der Wahlkreis Würzburg hatte mit 45,7 Prozent den höchsten Briefwahlanteil.
Deutlich mehr Auslandsdeutsche wollten wählen
Zu den Briefwählern zählen auch die dauerhaft im Ausland lebenden Deutschen. 112.989 Wahlberechtigte hatten die Eintragung in das Wählerverzeichnis ihres letzten Wohnortes in Deutschland beantragt, was gegenüber 2013 eine Steigerung um 68,5 Prozent bedeutet. Mehr als jeder vierte Antragsteller wohnte in der Schweiz (28 Prozent), gefolgt von Österreich (10,1 Prozent). Fast 80 Prozent der Antragsteller wohnten in Europa, 11,3 Prozent in Amerika, 5,8 Prozent in Asien, 1,8 Prozent in Australien und Ozeanien und 1,5 Prozent in Afrika.
Die AfD, die SPD und Die Linke hatten bei den Urnenwählern größeren Erfolg als bei den Briefwählern. Bei den übrigen Parteien lag das Zweitstimmenergebnis der Briefwahl zum Teil deutlich über dem Urnenwahlergebnis: bei der CSU um 3,2 Prozentpunkte, bei der CDU und FDP jeweils um 1,7 sowie bei den Grünen um 0,8 Prozentpunkte. (vom/26.01.2018)