Fraktionen besorgt über Lage im Nahen und Mittleren Osten
Die Fraktionen im Deutschen Bundestag blicken mit Sorge auf die Verschärfungen der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten. In einer Aktuellen Stunde auf Verlangen der CDU/CSU-Fraktion diskutierten die Abgeordneten am Mittwoch, 22. November 2017, unter anderem über die Großkonflikte in Syrien und im Jemen, die wechselseitigen Machtprojektionen der Rivalen Saudi-Arabien und Iran sowie über die Bedrohung, der sich Israel in diesem Kontext ausgesetzt sieht.
Union fordert gemeinsame europäische Politik
Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU) warb für eine gemeinsame europäische Politik der Stabilisierung für die Region. Europa sei als direkter Nachbar am meisten von Instabilität und Krisen im Nahen Osten betroffen und habe doch zugleich am wenigsten Einfluss. Mit Blick auf die Rivalität des Irans und Saudi-Arabiens sprach Röttgen von einer „extrem verzwickten machtpolitischen Konstellation“ – unter anderem mit den Folgen eines „fürchterlichen Kriegs“ im Jemen und einer drohenden Krise im Libanon.
Röttgen warb für die „Erhaltung von Gesprächsfähigkeit“ mit den Akteuren in der Region. Es sei bitter, dass Russland und die iranische Hisbollah dem syrischen Assad-Regime zu einem „Sieg über die syrische Bevölkerung“ verholfen hätten. Gleichwohl müsse man versuchen, sich mit Russland auf einen politischen Prozess für Syrien zu verständigen.
SPD: Atomabkommen nicht schwächen lassen
Dr. Rolf Mützenich (SPD) erinnerte daran, dass die Proteste des „Arabischen Frühlings“ 2010 und 2011 der Beginn, aber nicht die Ursache gewaltsamer Auseinandersetzungen in der gesamten Region gewesen seien. Die deutsche Außenpolitik müsse daran festhalten, sich mit den Gesellschaften dieser Länder bei ihrem Aufbegehren gegen autoritäre Herrschaft, gegen Korruption zu solidarisieren. Noch immer säßen wie zum Beispiel in Ägypten Träger „Arabischen Frühlings“ als politische Gefangene in Haft.
Mützenich lenkte zudem den Blick auf das Atomabkommen mit dem Iran. Die Bundesregierung stehe in der Pflicht, weiterhin „alles dafür zu tun“, dass die Führung der USA einen Vertrag nicht weiter schwächt, der einen weiteren Großkonflikt in der Region verhindert habe.
AfD: Deutschland hat keinen Einfluss auf die Lage
Dr. Alexander Gauland (AfD) kritisierte, dass die „wirklichen machtpolitischen Spieler“ im Nahen und Mittleren Osten heute vor allem die USA und Russland, Saudi-Arabien, der Iran und die Türkei seien und Deutschland „nicht den geringsten Einfluss“ auf die Lage habe.
Gauland erinnerte unter anderem an das Sykes-Picot-Abkommen zwischen Großbritannien und Frankreich zur Aufteilung des Nahen Ostens, an den UN-Teilungsplan für Palästina und den zweiten Irakkrieg. Fast immer seien „fehlgeleitete imperiale Eigeninteressen“ und „westliche Fehleinschätzungen“ der Grund für das Scheitern solcher Interventionen gewesen. Der Nahe Osten habe immer unter dem Einfluss anderer gestanden, nicht aber unter dem Einfluss Deutschlands – mit der Ausnahme des moralisch richtigen Bekenntnisses zum Existenzrecht Israels als Teil der deutschen Staatsräson.
FDP: Wegschauen ist keine Option
Alexander Graf Lambsdorff (FDP) bezeichnete diese Argumentation als „selektive Lesart der Geschichte“ und verwies auf die Mitwisserschaft der deutschen Reichsregierung beim „Genozid an den Armeniern“ im Osmanischen Reich ab 1915. Die Bundesregierung könne in der Gegenwart nicht so tun, als gehe sie das Geschehen im Nahe und Mittleren Osten nichts an. Die massenhafte Flucht infolge des syrischen Bürgerkriegs mache das Interesse Deutschlands an einer Stabilisierung in der Region evident.
„Wegschauen ist keine Option“, sagte Lambsdorff. Das gelte insbesondere auch für Israel, das sich mit einem „schiitischen Bogen“ von Iran über Syrien bis in den Libanon konfrontiert sehe. Die Frage eines erneuten bewaffneten Konflikts zwischen Hisbollah und Israel sei womöglich nur noch eine Frage der Zeit.
Linke kritisiert Partnerschaft mit Saudi-Arabien
Sevim Dağdelen (Die Linke) kritisierte die Bundesregierung für ihr Festhalten an einer Partnerschaft mit Saudi-Arabien. Die „Terrorherrscher in Riad“ hätten im Syrien-Konflikt den „Islamischen Staat“ unterstützt, einen Aufstand im benachbarten Bahrain niedergeschlagen und den Jemen überfallen, in dem heute sieben Millionen Menschen wegen der saudischen Blockade vom Hungertod bedroht seien.
Die Bundesregierung lasse es aber weiterhin zu, dass Waffen aus Deutschland nach Saudi-Arabien geliefert würden und die Firma Rheinmetall dort sogar Rüstungsgüter produziere. „Wer so handelt wie das saudischen Königshaus, der darf doch nicht unsere Partner sein“, sagte Dagdelen.
Grüne: Saudi-Arabien keine Waffen verkaufen
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) stellte klar, dass Saudi-Arabien den Konflikt im Jemen nicht begonnen, durch seine Kriegsführung aber eine „humanitäre Katastrophe ohnegleichen“ heraufbeschworen habe. Deutschland sei daran nicht unbeteiligt, „durch Waffen, die wir geliefert haben“. Weder Saudi-Arabien noch der Iran seien strategische Partner, sagte Nouripour.
Die Hisbollah sei eine Bedrohung für Israel, und sie schwäche darüber hinaus den Libanon, der eine Millionen syrische Flüchtlinge beherberge. Deshalb käme auch niemand auf die Idee, an den Iran Waffen zu liefern. „Und deshalb sollte man auch Saudi-Arabien keine Waffen verkaufen.“ (ahe/22.11.2017)