Stadtentwicklung

CDU-Stadtplanungs­experte Peter Klein wirbt für mehr Wohneigentum

Ein Mann mit Sakko und Krawatte sitzt am Tisch eines Sitzungssaales.

Peter Stein (CDU/CSU) (© DBT/Simone M. Neumann)

Der CDU-Stadtplanungsexperte Peter Stein wirbt für eine Stärkung des Wohneigentums in Deutschland. In einem am Montag, 21. August 2017, erschienenen Gespräch mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ verweist der CDU-Bundestagsabgeordnete mit Blick auf künftige Herausforderungen für die Städte in Deutschland darauf, dass sich neben der Mobilität vor allem die Wohnbedürfnisse änderten. Altersarmut spiele dabei eine große Rolle. „Wir sollten Wohneigentum stärken, um im Alter das Wegbrechen von Wirtschaftlichkeit zu verhindern“, mahnt der langjährige Stadtplaner von Rostock, der im Ausschuss  für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Berichterstatter für das Thema Urbanisierung ist. Das Interview im Wortlaut:


Herr Stein, weltweit ziehen immer mehr Menschen in Städte. Ist dieser Trend wünschenswert oder sollte man versuchen, ihn zu bremsen?

Wir können den Urbanisierungstrend nicht aufhalten. Dazu ist er viel zu dynamisch, zumindest in Afrika und Asien. Aber wir müssen die Verstädterung steuern. Sonst werden wir viele Probleme haben, deren Dimensionen derzeit noch nicht abschätzbar sind.

Wie kann die Politik diese Verstädterung steuern?

Sie sollten staatliche Aufgaben dezentralisieren und dadurch die Klein- und Mittelstädte stärken. Diese Städte können eine zentrale Rolle für die ländliche Entwicklung übernehmen: als Marktplatz, als Angebotsplatz für höhere Bildung, für die Gesundheitsversorgung und die Daseinsvorsorge. Denn Verstädterung heißt ja nicht, dass sich die ländlichen Räume entleeren. Auf dem Land werden wahrscheinlich genauso viele Menschen wohnen wie bisher, nur das Bevölkerungswachstum verlagert sich mehr und mehr in die Städte.

Wie wirkt sich Verstädterung auf diese „Zurückgelassenen“ im ländlichen Raum aus?

Wir dürfen sie nicht zurücklassen. Deswegen müssen die kleinen und mittleren Städte eine zentrale Rolle für ländliche Regionen übernehmen. Ich gebe ein Beispiel aus Afrika: Die Leute auf dem Land produzieren Lebensmittel. Damit der lokale Handel funktioniert, müssen Transportrouten, Kühlketten und Marktplätze existieren. Das funktioniert aber nicht, wenn es in einem großen Land wie Nigeria nur noch eine Stadt gibt. Die Urbanisierung darf sich nicht allein auf die Megametropolen konzentrieren.

Welche Probleme bringt die unkontrollierte Verstädterung?

Große Herausforderungen gibt es in Afrika, wo momentan eine Bevölkerungsexplosion stattfindet. Die Menschen ziehen in die Städte, weil sie sich dort einen Rest an Perspektive erhoffen. Die Infrastruktur der Städte ist aber nicht leistungsfähig genug, um so viele Menschen zu versorgen. Hinzu kommen Sicherheitsprobleme. Ägypten beispielsweise baut deswegen eine neue Hauptstadt. Anders sieht es in Südamerika aus. Dort sind viele Gesellschaften stark urbanisiert, in einigen Ländern leben 80 Prozent der Bevölkerung in Städten. Die Regierungen haben es geschafft, die wachsenden Städte gut zu organisieren. Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass in Amerika das Bevölkerungswachstum gebremst wurde.

Wachsende Städte bedeuten einen hohen Ressourcenverbrauch. Wie muss sich Stadtplanung verändern, um die globalen Klimaziele nicht zu gefährden?

Wir stoßen allein dann an die CO2-Grenze des Pariser Klimaabkommens, wenn wir in den Städten weiterhin alles mit Beton und Asphalt bauen. Die Frage der Baustoffe ist sehr wichtig. Wir müssen schauen, wo wir traditionelle Baustoffe wie Holz einsetzen können. Dabei kommen wieder die Klein- und Mittelstädte ins Spiel. Denn in den Megacities läuft es eher auf Beton hinaus. In der Energieversorgung steckt auch viel Potenzial, vor allem in Afrika. Dort sollte stärker auf Solarenergie und den Energieträger Wasserstoff gesetzt werden. Die Stadtregionen, in denen Wissenschaft und Forschung angesiedelt sind, können diese positive Entwicklung selbst anstoßen.

Hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit Urbanisierung genug im Blick?

Inzwischen ja. Als ich meine Arbeit im Entwicklungsausschuss begann, gab es keine Berichterstattung zum Thema Urbanisierung. Ich habe das angeregt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie die Durchführungsorganisationen GIZ und KfW haben schon früher zu diesem Thema gearbeitet, etwa in den Bereichen Bauen und Energie. Es fehlte aber ein ganzheitlicher Ansatz.

2016 fand das dritte Gipfeltreffen des Wohn- und Siedlungsprogramms der Vereinten Nationen, UN-Habitat, statt. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Von einigen Beiträgen war ich inhaltlich ernüchtert, weil sie keine Weiterentwicklung im Vergleich zum vergangenen Gipfeltreffen zeigten. Europäische Beiträge für die Smart City dürfen sich nicht auf Dachbegrünungen und weniger Parkplätze beschränken. Denn in 20 Jahren rede ich über autonomes Fahren und neue Mobilitätsformen. Das hat nur der deutsche Beitrag „Mobilitätsinitiative“ aufgegriffen. Der zeitliche Abstand zwischen den Habitat-Konferenzen ist außerdem zu groß. Die Treffen finden alle 20 Jahre statt. In diesem Zeitraum passiert so viel, gerade in Städten. Bei der Konferenz 1996 gab es noch keine Energiewende, kein Smartphone und keine Digitalisierung.

Was bedeuten neue Mobilitätsformen für die Stadtplanung?

Unsere Mobilität verändert sich stark. Wer heutzutage Städte plant, muss über Ladeinfrastrukturen für Elektroautos nachdenken und autonomes Fahren in den Stadtraum einbeziehen. Denn Stadtplanung bedeutet immer, 20 Jahre vorauszudenken.

Sind Erfahrungen aus Deutschland und Europa auf andere Kontinente übertragbar?

Sicherlich nicht eins zu eins, aber unsere Expertise ist exportierbar. Für die Stadtplanung und Stadtentwicklung gibt es weltweit funktionierende Standards. Weil Stadtplaner überall die gleiche Sprache sprechen, kann ich einen russischen Entwicklungsplan genauso lesen wie einen deutschen oder kanadischen. Und anschließend kann ich mit Planern vor Ort und betroffen Bürgern darüber diskutieren.

Wo liegen die Schwierigkeiten, wenn man Lösungen übertragen möchte?

Große Probleme gibt es, wenn es um Kataster und Vermessung geht. Es gibt oft keine Grundbücher, Bodenrechte sind nicht geklärt. Das birgt ein hohes Konfliktpotenzial. Im nigerianischen Lagos sind mittlerweile 80 Prozent der Siedlungen informell. Wenn die Stadtregierung dort einmal ein Krankenhaus oder eine U-Bahn bauen möchte, muss sie die Bewohner enteignen. Das ist ohne Kataster schwierig. Das Gleiche passiert auch im ländlichen Raum, wo Landgrabbing ein großes Problem ist. Wie kann es sein, dass den eigentlichen Nutzern das Land unter den Füßen weggezogen und es verscherbelt wird, weil Bodenrechte nicht verbrieft sind?

Wie könnten diese Konflikte entschärft werden?

Wir brauchen eigentlich Planer, Ingenieure und Vermessungstechniker mit Blauhelm. Die Vereinten Nationen müssten sehr aufmerksam auf diese Konflikte schauen.

Wo sehen Sie als Stadtplaner die Herausforderungen für deutsche Städte?

Das ist einmal die Digitalisierung, die in einer Geschwindigkeit voranschreitet, wie wir sie von Entwicklungen der Vergangenheit nicht kennen. Neben der Mobilität ändern sich vor allem die Wohnbedürfnisse. Altersarmut spielt dabei eine große Rolle. Wir sollten Wohneigentum stärken, um im Alter das Wegbrechen von Wirtschaftlichkeit zu verhindern. Das funktioniert in Frankreich und Spanien, wo die Eigentumsquote bei mehr als 80 Prozent liegt. Ich sage es mal ein bisschen überspitzt: Wer sein ganzes Leben lang zur Miete wohnt, dient dem Vermögensaufbau des Vermieters und nicht dem eigenen. Dieses Problem müssen wir schärfer in den Blick nehmen.

(ebr/scr/21.08.2017)