Parlament

Internationale Fachta­gung der Parlaments­ste­no­grafen im Bundestag

Der Deutsche Bundestag hat einen der schnellsten Protokollierungsdienste der Welt – schon am nächsten Werktag liegt das Protokoll einer Plenardebatte vollständig vor. Welche Prozesse und Grundlagen der Qualitätssicherung dafür notwendig sind, erfuhren 125 Parlamentsstenografen aus über 16 Ländern bei der IPRS-Fachtagung im Deutschen Bundestag.

Die Konferenz der International Parliamentary and other Reporter Section“ (IPRS) am Mittwoch, 26. Juli 2017, ist Teil des 51. Intersteno-Kongresses, der vom 22. bis 28. Juli 2017 in Berlin stattfindet. 500 Teilnehmer aus 25 Ländern beraten und diskutieren über Themen der Informationsverarbeiten und messen ihre Fähigkeiten unter anderem bei den Weltmeisterschaften im Stenografieren.

Von den Kollegen profitieren

„Es ist wirklich erfreulich, dass die Konferenz in diesem Jahr im Deutschen Bundestag stattfinden kann“, sagt Dr. Wolfgang Behm, Leiter des Stenografischen Dienstes der Bundestagsverwaltung. „In jedem Parlament ist die Situation anders – selbst die Protokolle sehen anders aus. Wir können immer von den Erfahrungen der Kollegen profitieren.“ Doch wie sind die Prozesse im Bundestag organisiert? Und welche rechtlichen Grundlagen gibt es? 

Diese und andere Fragen konnten Parlamentsstenografen aus den Vereinigten Staaten, Südkorea oder Argentinien bei der internationalen Fachkonferenz stellen. Auch wenn die stenografischen Systeme in jedem Land und jeder Sprache variieren, sind Themen wie die Sicherung der Qualität von Texten und die organisatorischen Rahmenbedingungen für alle Stenografen, die in Parlamenten arbeiten, von Interesse.

Alle Geschehnisse erfassen

Im Deutschen Bundestag erfassen insgesamt 33 Stenografinnen und Stenografen das Geschehen im Parlament. Auch die Redebeiträge und Inhalte einiger Ausschüsse werden nach Bedarf stenografisch protokolliert. In der sogenannten Redeschrift nehmen die Stenografen durch ein System von Abkürzungen alle Vorgänge auf – dabei schreiben sie sieben bis acht Mal schneller als mit ihrer normalen Handschrift. Von Reden über Zwischenrufe bis zu Applaus oder Widerspruch können sie so alle Geschehnisse im Plenarsaal erfassen.

„Immer wieder wird gefragt, warum wir überhaupt noch Stenografen benötigen“, sagt Dr. Bärbel Heising, Leiterin des Arbeitsbereiches Gewinnung und Ausbildung von Stenografen“. „Die Videoaufzeichnung kann vielleicht wiedergeben, dass es Zwischenrufe gab, aber wer genau gerufen oder gelacht hat, kann man nicht immer sehen.“ Darüber hinaus schreibt die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vor, dass jede Sitzung des Parlaments protokollarisch festgehalten werden soll.

Inhaltlich vorbereitet sein

An einem Sitzungstag sind 16 Stenografinnen und Stenografen im Deutschen Bundestag im Einsatz. Alle fünf Minuten wird ein Stenograf von einem Kollegen oder einer Kollegin abgelöst. Nach ihrer Zeit im Plenarsaal übertragen sie das sogenannte Stenogramm mit der Unterstützung einer Schreibkraft in einen Text in Langschrift.

Unklare Inhalte oder Worte können dabei recherchiert und nachgetragen werden. „Man muss sich inhaltlich immer vorbereiten und wissen, was gerade aktuell debattiert wird“, sagt Bärbel Heising.

Mehr als 600 Abgeordnete kennen

Eine Datenbank mit allen Abgeordneten ermöglicht außerdem, nachzuprüfen, wer welchen Zwischenruf getätigt hat. Sie und ihre Kollegen würden versuchen, alle Abgeordneten weitestgehend auswendig zu lernen, so Heising. Bei über 600 Mitgliedern des Parlaments eine Aufgabe, die auch die Konferenzteilnehmer überrascht. „Zu Beginn der Wahlperiode machen wir oft ein Quiz, um zu prüfen, wer die meisten Abgeordneten kennt.“

Zwei Stunden bleiben jedem Redner nach seinem Vortrag im Parlament, um Korrekturen am Protokoll vorzunehmen. Schon am gleichen Tag liegt eine vorläufige Form des Protokolls vor, das von Revisoren und Schlussredakteuren zusätzlich geprüft wird. Am nächsten Tag kann jedes Parlamentsmitglied und jeder Bürger die Texte öffentlich einsehen.

„Durch die maschinelle Spracherfassung und andere technische Neuerungen wird sich in den kommenden Jahren einiges verändern“, sagt Wolfgang Behm. Trotzdem werde es in absehbarer Zeit keine technischen Neuerungen geben, die die Arbeit der Stenografen ersetzen könnten, resümierte Bärbel Heising. (lau/26.07.2017)
 

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