Barnett: OSZE-Parlamentarier bleiben gegenüber Russland hartnäckig
Die Parlamentarische Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will ihre Vermittlungsbemühungen in Krisen wie etwa bei den militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine verstärken, wie Doris Barnett ankündigt. ,,Wir Abgeordnete wollen unsere parlamentarische Diplomatie ausbauen, um in höherem Maße als bislang einen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten zu können„, so die SPD-Politikerin im Interview: ,,Unsere Waffe ist das Wort.“ Barnett leitet die Bundestagsdelegation bei der Jahrestagung der OSZE-Abgeordneten im weißrussischen Minsk vom 5. bis 9. Juli 2017. Das Interview im Wortlaut:
Frau Barnett, lange Zeit sorgten die autokratische Herrschaft von Präsident Alexander Lukaschenko und besonders die Anwendung der Todesstrafe für heftige internationale Kritik an Weißrussland. Inzwischen ist es ziemlich ruhig geworden. Woher kommt diese Zurückhaltung?
Internationale Organisationen wie etwa die OSZE weisen oft auf Defizite bei den Bürger- und Menschenrechten hin, die in Weißrussland trotz einiger positiver Entwicklungen nach wie vor erheblich sind. Die Kritik hat sich keineswegs beruhigt, schafft es jedoch seltener in die Medien. Dies hat vielleicht auch damit zu tun, dass Verletzungen von Grundrechten leider nichts Außergewöhnliches mehr sind, und dies nicht nur in Weißrussland. Unsere Jahrestagung in Minsk bietet eine hervorragende Gelegenheit, Missstände anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Haben sich die Abgeordneten mit Lukaschenkos Dauerherrschaft abgefunden? Oder setzt Ihre Versammlung weiter auf Reformen in Weißrussland?
Weißrussland gehört zu den sechs Staaten der Östlichen Partnerschaft der EU und ist an einer engeren Zusammenarbeit mit Brüssel interessiert. Diese Bereitschaft dürfen wir nicht ignorieren. Im Rahmen der Östlichen Partnerschaft unterstützt die EU politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen in den sechs Ländern. In unserer Versammlung kümmert sich seit vielen Jahren eine Arbeitsgruppe um Weißrussland. Deren Mitglieder fördern den Dialog zwischen Regierung und Opposition. Zudem setzt sich das Gremium für freie und faire Wahlen sowie für demokratisch-rechtsstaatliche Standards ein.
Ein Resolutionsentwurf des Politischen Ausschusses fordert Russland zur Aufgabe der Annexion der Krim auf und verlangt die Einstellung der Kämpfe in der Ostukraine. Von solchen schon öfter gefassten Beschlüssen zeigt sich Moskau indes unbeeindruckt.
Unsere Versammlung lässt sich nicht beirren und bleibt hartnäckig. Unsere Waffe ist nun mal das Wort. Andere Mittel haben wir nicht. Bei jeder Gelegenheit weisen wir darauf hin, dass Vereinbarungen auch umgesetzt werden müssen. Dies gilt nicht zuletzt für das von der OSZE unterstützte Minsker Abkommen zu einem Waffenstillstand in der Ostukraine.
Zur Waffenruhe im Donbass ist es nie gekommen. Müssen sich die OSZE-Abgeordneten frustriert ihre Ohnmacht eingestehen? Oder hat die Versammlung noch Möglichkeiten, diesen militärischen Konflikt zu entschärfen?
In dieser schwierigen Situation unterstützen wir mit den Mitteln unserer parlamentarischen Diplomatie die Sonderbeobachtungsmission der OSZE in der umkämpften Region und konnten so eine Eskalation verhindern. Wir machen uns weiter für die Umsetzung des Minsker Abkommens stark. Um unsere Bemühungen bei der Suche nach Lösungen zu bündeln und zu stärken, haben die Abgeordneten im Herbst 2016 einen Sonderbeauftragten für Mediation berufen und diese Aufgabe dem ehemaligen finnischen Außenminister Ilkka Kanerva übertragen. Er war einst auch Präsident unserer Versammlung.
Was soll diese neue Instanz leisten?
Sie soll die Vermittlungskompetenz der Versammlung stärken und dazu geeignete Maßnahmen vorschlagen. Wir Abgeordnete wollen unsere parlamentarische Diplomatie ausbauen, um in höherem Maße als bislang einen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten zu können. Das Mandat sieht eine enge Kooperation mit den sonstigen Institutionen der OSZE sowie mit anderen internationalen Organisationen vor, die sich mit Mediation und Konfliktprävention befassen.
Die Vorlage des Politischen Ausschusses betont, wie wichtig bei den vielen Krisen im OSZE-Raum der Aufbau von Vertrauen zwischen den Gegnern sei. Den Abgeordneten komme bei der Förderung des Dialogs zwischen Konfliktparteien eine besondere Rolle zu. Übernimmt sich dabei Ihre Versammlung nicht?
Keineswegs. Es gehört zu den wichtigsten Stärken unserer Versammlung, den Dialog zwischen Konfliktparteien auch dann zu erhalten und zu fördern, wenn die Möglichkeiten der betroffenen Staaten erschöpft sind. Neben der Gremienarbeit sind es beispielsweise Seminare, die zwischen den Vertretern der beteiligten Konfliktparteien eine intensive Auseinandersetzung bei konkreten Sachfragen ermöglichen. Ein gutes Beispiel sind die Leinsweiler Gespräche, die in diesem Jahr zum dritten Mal in der Pfalz stattfanden und die Lage auf dem Balkan zum Thema hatten.
(kos/30.06.2017)