Kontroverse um parlamentarische Kontrolle in der Großen Koalition
Zu einen scharfen Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition über die parlamentarische Kontrolle ist es am Donnerstag, 29. Juni 2017, im Bundestag gekommen. Während Vertreter der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen Versäumnisse und Missstände bei der Kontrolle von Regierung und Nachrichtendiensten beklagten, wiesen Redner der CDU/CSU und SPD die Vorhaltungen zurück und hoben die für die ablaufende Legislaturperiode gestärkten Minderheitenrechte im Parlament hervor.
Grüne: Schikane und das Recht des Stärkeren
Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte in einer von seiner Fraktion beantragten Aktuellen Stunde, dass die Bundesregierung über die Herausgabe von Akten für Untersuchungsausschüsse bestimme. Wenn aber „die zu Kontrollierenden bestimmen, was die Kontrolleure wissen dürfen, wird der Bock zum Gärtner gemacht“. Dabei seien begründete Fälle von Geheimhaltung auch gegenüber dem Parlament die „absolute Ausnahme“.
Das Parlament mache sich lächerlich, wenn es nicht selbstbewusst seine Kontroll- und Aufklärungsfunktionen wahrnehme, sondern es der Bundesregierung und den Geheimdiensten überlassen werde, welche Information Bundestag und Öffentlichkeit bekommen. Dabei dürften sich die Parlamentarier der Mehrheitsfraktionen nicht „zu den Prätorianergarden der Regierung machen“.
Scharf kritisierte von Notz den Umgang mit dem Sondervotum der Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss. Dieses habe die Koalition „in der Geheimschutzstelle versenken“ wollen, obwohl der Text „an keiner einzigen Stelle einen geheimen Inhalt enthielt“. Man habe in dem Sondervotum Klarnamen nicht ausschreiben dürfen, obwohl sie bereits vielfach in der Presse genannt und vom Ausschussvorsitzenden in einem Buch ausgeschrieben und veröffentlicht wurden. Das sei „Schikane und das Recht des Stärkeren“.
CDU/CSU: Aufklärungsarbeit wurde mitnichten behindert
Nina Warken (CDU/CSU) nannte es „schlichtweg falsch“, dass es in der Großen Koalition keine parlamentarische Kontrolle gebe, wie es von Notz suggeriere. Diese Behauptung werde auch der Arbeit in fünf Untersuchungsausschüssen nicht gerecht. „Die Wahrheit ist doch: Wäre es streng nach dem Wortlaut des Grundgesetzes gegangen, hätte es in dieser Wahlperiode keinen Untersuchungsausschuss gegeben. Die Koalition hat aber die Problematik früh erkannt und es möglich gemacht“, fügte Warken hinzu.
Sie verteidigte zugleich den Umgang mit dem Oppositionsvotum zum NSA-Untersuchungsausschuss als „alternativlos“. Die Opposition selbst habe ihr Sondervotum „in die Geheimschutzstelle verbannt“, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, „einen Text vorzulegen, der ungeschwärzt direkt veröffentlichungsfähig ist“. Auch sei die Aufklärungsarbeit des Ausschusses „mitnichten“ behindert worden. Dass man es in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit der Tätigkeit der Nachrichtendienste befasst, auch mit geheimhaltungsbedürftigen Sachverhalten zu tun habe, dürfte keine Überraschung sein. Letztlich müsse man akzeptieren, „dass es Bereiche gibt, in denen auch wir als Untersuchungsausschuss nicht alle Informationen erhalten können“.
Linke: Opposition wurde im NSA-Ausschuss massiv behindert
Martina Renner (Die Linke) entgegnete, es sei das „vornehme Recht“ der Opposition, in einem Sondervotum ihre eigenen Feststellungen und Bewertungen zu schreiben. Sie warf zugleich dem Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) vor, er habe „mitgeholfen, drei Jahre die Opposition in diesem Ausschuss massiv zu behindern“.
Sensburg sei dafür verantwortlich, dass „in einem einmaligen Vorgang in diesem Haus die Berichterstatter der kompletten Opposition“ abberufen worden seien, ohne zu fragen, „ob die Stellvertreter in diese Rolle treten“. Dies habe er der Presse gegenüber damit begründet, dass die Berichterstatter grundlos ihre Unterschrift verweigert hätten. Der Grund dafür habe aber „in Ihrer Geheimeinstufung unseres Sondervotums“ gelegen.
Dies sei der „Höhepunkt einer Kampagne gegen die Kontrollfunktion des Parlaments, die allein auf dem Dogma beruht, dass Regierungsinteressen identisch mit dem Staatswohl sind“, fügte Renner hinzu. Das seien sie aber nicht. In einer Demokratie übe das Parlament eine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung aus, und wer diese Kontrolle „sabotiert“, schade der Demokratie.
SPD: Kontrolle der Dienste umfassend neu geregelt
Uli Grötsch (SPD) unterstrich dagegen, dass die Große Koalition bei der Kontrolle der Nachrichtendienste in der ablaufenden Legislaturperiode „wirklich jede Menge“ gemacht habe. So habe man die parlamentarische Kontrolle der Dienste „umfassend neu geregelt“. Auch habe die Koalition schon zu Beginn der Wahlperiode der Opposition freiwillig Minderheitenrechte bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen eingeräumt. Davon habe die Opposition „nun wirklich regen Gebrauch gemacht“.-
Grötsch verwies zugleich darauf, dass „noch nicht alles rund“ laufe. So hätten beispielsweise die Akten im Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt den Abgeordneten im Parlament vorliegen müssen. Er habe es „schon als befremdlich empfunden, unter ständiger strenger Aufsicht und ausschließlich im Bundeskanzleramt diese Akteneinsicht vornehmen zu können“. Das könne in Zukunft nicht so bleiben, worüber man in der neuen Wahlperiode werde reden müssen. Auch über das Thema der Einstufung von Akten durch die Bundesregierung werde der neue Bundestag zu beraten haben. (sto/29.06.2017)