Cum/Ex-Ausschuss übergibt Abschlussbericht an Norbert Lammert
Die Mitglieder des 4. Untersuchungsausschusses zur Aufklärung sogenannter Cum/Ex-Geschäfte haben am Mittwoch, 20. Juni 2017, Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert ihren abschließenden rund 800 Seiten umfassenden Untersuchungsbericht (18/12700) überreicht. Darin sind zwei Sondervoten der Linken und der Grünen enthalten, auf deren Initiative das Gremium im Februar 2016 eingesetzt worden war. Der Ausschussvorsitzende Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) hob hervor, dass das Gremium die übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zum Ende der Legislaturperiode abgeschlossen habe.
Lammert: Beleg für Aufklärung komplizierter Sachverhalte
Lammert bedankte sich für den „enormen Einsatz“ der Abgeordneten, die sich in ein schwieriges Thema eingearbeitet hätten und durch ihre Aufklärungsarbeit die Dimension dieser Geschäfte aufgezeigt hätten. „Ihre Arbeit ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass Untersuchungsausschüsse zur Aufklärung komplizierter Sachverhalte beitragen können“, sagte der Bundestagspräsident.
Der Untersuchungsausschuss sollte die Ursachen der Entstehung von Cum/Ex-Geschäften und ihre Entwicklung untersuchen. Geklärt werden sollte außerdem, ob geeignete Gegenmaßnahmen von Stellen des Bundes ergriffen wurden, ob diese ausreichten und wer gegebenenfalls jeweils die Verantwortung in diesem Zusammenhang trug. Cum/Ex-Geschäfte mit Leerverkäufen um den Dividendenstichtag zielten auf eine mehrfache Erstattung beziehungsweise Anrechnung von Kapitalertragsteuer, obwohl die Steuer nur einmal bezahlt wurde.
Fazit: Keine üblichen Steuertricks
Dass der Bericht Folgen haben werde, unterstrich Krüger, der darauf hinwies, dass bereits mehrere Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik die Unterlagen für ihre Untersuchungen angefordert hätten. „Der Bericht hat schon einiges bewirkt“, stellte der Sozialdemokrat fest. Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) fügte hinzu, dass es dem Ausschuss gelungen sei, die komplizierte finanz- und steuerrechtliche Materie in einer verständlichen Sprache zu erklären und verständlich zu machen.
Ein gemeinsames Fazit der mit der Untersuchung beauftragten Abgeordneten war, dass es sich bei den Cum/Ex-Geschäften nicht um übliche Steuertricks gehandelt habe. Die damit verbundene kriminelle Energie und Skrupellosigkeit wurde hervorgehoben, die durch alle Beteiligten bewusst verschleiert worden sei. Zudem sei zu spät von staatlicher Seite eingeschritten worden. Als besonders bitter beurteilte Lammert, dass bei diesen Geschäften Banken in einer Zeit mitgemacht hätten, die im selben Zeitraum von Steuerzahlern gestützt worden seien. „Und die Steuerzahler dann auch noch betrogen haben.“
Der Abschlussbericht
Der Abschlussbericht kommt zu dem Schluss, dass der Ausschuss nicht erforderlich gewesen ist. Alle Vorwürfe seien widerlegt, mit denen dessen Einsetzung begründet wurde. Das Gremium habe die Überzeugung gewonnen, so der Bericht, dass in den zuständigen Behörden sachgerecht und pflichtgemäß gearbeitet wurde. Der Bundesregierung, insbesondere dem Bundesfinanzministerium, könnten keine Vorwürfe gemacht werden. Der Ausschuss habe vielmehr öffentliche Aufmerksamkeit geschaffen für ein aufwendig verschleiertes Zusammenwirken von Kapitalmarktteilnehmern zum Betrug des Fiskus um große Summen.
Der durch Cum/Ex verursachte Steuerschaden dürfte laut Bericht nur einen Bruchteil der öffentlich immer wieder kolportierten zwölf Milliarden Euro ausmachen. Der Ausschuss geht von rund einer Milliarde Euro aus, die Größenordnung sei beim jetzigen Stand der Steuer- und Strafverfahren aber nicht seriös abschätzbar. Der Ausschuss stellte fest, dass Cum/Ex-Geschäfte schon immer rechtswidrig gewesen seien, bestimmte Marktakteure aber ihre Anlagestrategie bewusst vor den Behörden verschleiert und Gesetze gegen ihren Sinn ausgelegt hätten. Mittlerweile seien die Cum/Ex-Gestaltungen wie auch die ähnlich gelagerten Cum/Cum-Geschäfte, mit denen sich der Ausschuss ebenfalls beschäftigt hatte, unterbunden worden.
Opposition kritisiert Verhalten der Koalitionsfraktionen
Linke und Grüne erklärten zur Begründung ihrer Sondervoten, dass die Regierungsparteien die aus der Sicht der Opposition jeweils für die massiven Steuerbetrügereien verantwortlichen Minister in Schutz nehmen würden. Der Bericht sei „einseitig geschrieben“ (Grüne) und „entschärft“ worden (Linke). Die Linke will in ihrem Sondervotum nachweisen, dass insbesondere das Bundesfinanzministerium früher hätte eingreifen können und müssen, um einen Milliardenschaden zulasten der Allgemeinheit abzuwenden. Im Sondervotum der Grünen heißt es: „Die Koalitionsfraktionen wollten den Untersuchungsauftrag nie erfüllen und haben entsprechend agiert.“ Der organisierte Griff in die Staatskasse sei auch durch staatliches Versagen ermöglicht worden.
Der Ausschuss tagte 46 Mal, davon 19 Mal öffentlich, und hörte rund 70 Zeugen vom Börsenhändler bis zum Minister sowie fünf Sachverständige. Die Protokolle der Sitzungen füllen Krüger zufolge über 2.000 Seiten. (mwo/eis/21.06.2017)