Widerspruch gegen Forderung nach einem Bundespolizeibeauftragten
Mit ihrer Forderung nach einem unabhängigen Bundesbeauftragten zur Aufklärung polizeilicher Fehler und Missstände erntet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen energischen Widerspruch der Betroffenen. In einer Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Ansgar Heveling (CDU/CSU) sprachen Vertreter der Polizeigewerkschaften am Montag, 29. Mai 2017, von einem „Generalverdacht“ gegen die Beamten und von „politischer Paralleljustiz“. Als „Element der Qualitätssicherung“ und „Instrument moderner Mitarbeiterführung“ möchten dagegen die Grünen den Vorschlag verstanden wissen. Ihrem Gesetzentwurf zufolge (18/7616, 18/7617, 18/7618) soll der Beauftragte vom Bundestag gewählt werden und für Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zollverwaltung zuständig sein. Mindestens alle zwei Jahre solle er schriftlich Bericht erstatten.
„Schritt in die richtige Richtung“
Sympathie für den Gesetzentwurf äußerten in der Anhörung die beiden als Sachverständige geladenen unabhängigen Juristen. Dr. Hartmut Aden, Professor für Öffentliches Recht in Berlin, wies darauf hin, dass es in zahlreichen anderen Ländern, „sogar in manchen Nicht-Rechtsstaaten“, nationale Beauftragte zur Beobachtung polizeilichen Verhaltens bereits gebe. Insofern hinke Deutschland der internationalen Entwicklung „etwas“ hinterher. Der Gesetzentwurf enthalte „einiges interessantes Potenzial“ und sei „grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung“.
Nachholbedarf in Deutschland sah auch die Berliner Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak, die Stellungnahmen des Deutschen Instituts für Menschenrechte und Urteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes erwähnte. Dieser haben in mehreren Verfahren, wenn auch bisher noch nicht gegen die Bundesrepublik, die Unabhängigkeit der ermittelnden Instanz bei Beschwerden gegen die Polizei als entscheidendes Kriterium hervorgehoben.
„Gesetzentwurf schürt das Misstrauen“
Es dürfe nicht sein, dass in solchen Fällen Ermittler und Beschuldigte derselben Weisungskette unterlägen. Die geltende deutsche Rechtslage entspreche insofern nicht den Vorgaben des Gerichtshofes. Die Möglichkeit bestehe, dass Deutschland durch ein Urteil aus Straßburg gezwungen werden könne, einen Polizeibeauftragten zu berufen.
„Der Gesetzentwurf nimmt die Bundespolizei in einen Generalverdacht. Er schürt das Misstrauen“, erklärte dagegen der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek. Die deutsche Polizei genieße hohes Ansehen in der Bevölkerung, gerade auch im Vergleich zu den Polizeien anderer Länder. Der Hinweis auf die internationale Rechtslage sei daher nicht stichhaltig: „Wir haben in Deutschland eine andere Polizeikultur, die von Transparenz und gegenseitiger Achtung ausgeht. Deshalb brauchen wir in Deutschland keinen Bundespolizeibeauftragten.“
„Fülle von Einrichtungen der Selbstkontrolle“
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, machte geltend, dass die Bundespolizei bereits über eine „Fülle von Einrichtungen“ der Selbstkontrolle verfüge, und äußerte sich überzeugt, „dass es einer Ausweitung nicht bedarf“. Ein vom Bundestag berufener und dem Parlament verantwortlicher Polizeibeauftragter wäre nach seinen Worten nichts anderes als eine Instanz der „politischen Paralleljustiz“.
Auch Bundespolizeipräsident Dr. Dieter Romann hält nach eigenen Worten einen „Bundespolizeibeauftragten derzeit aus fachlicher Sicht für noch nicht ausreichend indiziert“. Romann widersprach für seine Behörde der Vermutung der Sachverständigen Luczak, dass bei der Aufklärung von Beschwerden gegen polizeiliche Übergriffe Ermittler und Beschuldigte derselben Weisungskette unterlägen: „Wir geben jeden Verdachtsfall sofort an die zuständige Landespolizei und die Landesstaatsanwaltschaft ab. Wir ermitteln in strafrechtlich relevanten Fällen nicht gegen uns selbst.“
„Vertrauensstelle“ seit Mai 2015
Seit Mai 2015 verfüge die Bundespolizei über eine „Vertrauensstelle“, die auch anonyme Hinweise auf Verfehlungen oder Misstände entgegennehme. Sie habe im ersten Jahr ihre Bestehens 22 Eingaben registriert, im vorigen Jahr 44 und bis Mai diesen Jahres bereits 47.
Aus der Praxis einer Landesbeschwerdestelle berichtete Volker Schindler, der seit vier Monaten als Bürgerbeauftragter in Baden-Württemberg amtiert. Unter den Fällen, die er zu bearbeiten habe, beträfen 15 bis 25 Prozent Klagen über polizeiliches Fehlverhalten. Auch Schindler äußerte sich kritisch über den Gesetzentwurf der Grünen, die dem Polizeibeauftragten die Rolle eines Ermittlers in Straf- und Disziplinarverfahren zuschrieben. Die mittlerweile fünf Bürgerbeauftragten der Länder verstünden sich dagegen eher als Konfliktmediatoren. Zweifel äußerte Schindler zudem an der Unabhängigkeit eines Polizeibeauftragten, der von 10 unterschiedlichen Gremien des Bundestags als Hilfsorgan mit Überprüfungen beauftragt werden kann. (wid/01.06.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
- Prof. Dr. Hartmut Aden, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin
- Dr. Anna Luczak, Rechtsanwältin, Berlin
- Jörg Radek, Polizieihauptkommissar, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Hilden
- Dr. Dieter Romann, Präsident, Bundespolizeipräsidium, Potsdam
- Volker Schindler, Bürgerbeauftragter des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart
- Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund, Berlin