Kontroverse um Oppositionsanträge zum Kohleausstieg
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt von der Bundesregierung, ein Kohleausstiegsgesetz vorzulegen. Ihren Antrag (18/12108) hat der Bundestag am Donnerstag, 1. Juni 2017, zur federführenden Beratung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen, zusammen mit einem weiteren Antrag der Grünen mit dem Titel „Finanzwende einleiten – Öffentliche Gelder nachhaltig anlegen“ (18/12381). Gegen das Votum der Opposition abgelehnt hat der Budnestag einen Antrag der Linken (18/8131, 18/11151), in dem die Bundesregierung aufgefordert werden sollte, den Kohleausstieg einzuleiten und den Strukturwandel sozial abzusichern.
CDU/CSU: Den Wirtschaftsstandort Deutschland schützen
Die CDU/CSU-Fraktion kritisierte die Vorstöße als realitätsfremd, nicht volkswirtschaftlich und ideologiegetrieben. „Mit der Energieversorgung in Deutschland wollen die Grünen und die Linken spielen wie mit einem Baukasten – das werden wir nicht zulassen“, sagte Matthias Heider (CDU/CSU). Es gehe auch darum, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu schützen.
Der Anteil der Kohlekraftwerke an der Stromversorgung werde sinken, aber schrittweise. Es gebe keinen Anlass für zusätzliche Daumenschrauben; ein sofortiger Ausstieg ginge vielmehr zu Lasten von qualifizierten Arbeitsplätzen. Da im Klimaschutzplan auch Mittel für die heutigen Braunkohlereviere vorgesehen seien, sei der Antrag der Fraktion Die Linke auch in dieser Hinsicht überflüssig.
SPD: Einsparziele festgelegt
Der SPD-Abgeordnete Thomas Jurk verwies auf die bisher getroffenen Maßnahmen der Bundesregierung. „Mit dem Klimaschutzplan der Bundesregierung wurden Einsparziele für verschiedene Sektoren festgelegt.“ Das bedeute Planungssicherheit, die Entwicklungsperspektiven für die erneuerbaren Energien seien fixiert, sagte Jurk.
Beim Wandel gehe es auch um eine verlässliche Energieversorgung: 67 Standorte, von denen 35 Standorte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen seien, 51.000 Megawatt elektrische Leistung und 14.000 Megawatt thermische Leistung würden aus dem Energieversorgungssystem herausgenommen, wenn der Antrag der Linken umgesetzt würde. Es gehe auch darum, den deutschen Industrie- und Sozialstandort in Balance zu halten.
Grüne: Endlich den Kohleausstieg einleiten
Die Grünen fordern in ihrem Antrag (18/12108), etwa die Einführung von Kohlendioxid-Budgets für fossile Kraftwerke und einen Kohlendioxid-Mindestpreis gesetzlich zu regeln. Die Budgets sollten im Verlauf „entsprechend der im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaverpflichtungen dynamisch angepasst werden“. Neue Kohlekraftwerke sollen nicht mehr gebaut werden, auch neue Kohletagebaue, Enteignungen und Umsiedlungen sollten der Vergangenheit angehören.
Außerdem müssten Bund und Länder Entwicklungsperspektiven in anderen Bereichen schaffen. „Die globale Klimakrise erfordert es, die Energieversorgung grundlegend neu aufzustellen“, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß. Deutschland drohe jedoch sein eigenes Klimaziel für 2020 zu verpassen. Die Treibhausgasemissionen seien 2016 sogar angestiegen – es sei Zeit für einen „schrittweisen und planvollen“ Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Es sei klimapolitische Schizophrenie, anderen Staaten höchste Technologiestandards nahezulegen, aber im Land dahinter zurückzubleiben, begründete die Grünen-Abgeordnete Annalena Baerbock den Vorstoß. „Die Unterschrift in Paris war ein Auftrag an Deutschland, endlich den Kohleausstieg einzuleiten.“
Linke: Es ist fünf nach zwölf
Die Fraktion Die Linke argumentierte ähnlich. Die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter sagte: „Wer über Klimawandel spricht, darf über den Kohleausstieg nicht schweigen.“ Es sei fünf nach zwölf. In ihrem Antrag (18/8131) forderte die Fraktion unter der Überschrift „Kohleausstieg einleiten – Strukturwandel sozial absichern“ ebenfalls einen gesetzlich geregelten Fahrplan für den Ausstieg aus der Energieversorgung mit Kohlestrom. Im Jahr 2035 sollte demnach das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden; die betroffenen Beschäftigten und weitere Menschen in den jeweiligen Regionen sollten aus einem „Strukturwandelfonds Kohleausstieg“ Unterstützung erhalten.
Gegenwärtig trennen die Welt dem Antrag zufolge 890 Gigatonnen Kohlendioxid von dem so genannten Zwei-Grad-Ziel. Auf Deutschland heruntergerechnet bedeute dies zehn Gigatonnen Kohlendioxid, die eingespart werden müssten; insofern sei es für einen Strukturwandel im Strombereich höchste Zeit. Der Bund sollte jährlich mindestens 250 Millionen Euro in diesen Fonds einzahlen, heißt es in dem Antrag weiter. (pez/01.06.2017)
„Überreste aus der alten Energiewelt“
Im Antrag der Grünen-Fraktion zum Kohleausstieg (18/12108) heißt es, ein solches Kohleausstiegsgesetz müsse zum Beispiel die Einführung von Kohlendioxid-Budgets für fossile Kraftwerke und ein Kohlendioxid-Mindestpreis regeln. Die Budgets sollten im Verlauf „entsprechend der im Pariser Abkommen vereinbarten Klimaverpflichtungen dynamisch angepasst werden“. Neue Kohlekraftwerke sollen nicht mehr gebaut werden dürfen. Verbote soll es auch für neue Kohletagebaue, Enteignungen und Umsiedlungen geben. Für die betroffenen Regionen sollen Bund und Länder Entwicklungsperspektiven in anderen Bereichen schaffen.
„Die globale Klimakrise erfordert es, die Energieversorgung grundlegend neu aufzustellen“, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß. Deutschland drohe jedoch, sein eigenes Klimaziel für 2020 zu verpassen. Die Treibhausgasemissionen seien 2016 sogar wieder angestiegen. Daher müsse ein „schrittweiser und planvoller“ Ausstieg aus der Kohleverstromung eingeleitet werden. Energiewirtschaftlich würden Kohlekraftwerke ohnehin zu den „Überresten aus der alten Energiewelt“ gehören.
Grüne verlangen nachhaltiges Investment
In ihrem zweiten Antrag (18/12381) spricht sich die Grünen-Fraktion für eine Finanzwende aus und fordert, dass öffentliche Gelder nachhaltig angelegt werden müssten. Bei Finanzanlagen der öffentlichen Hand soll Nachhaltigkeit künftig neben Liquidität, Stabilität und Rendite als gleichberechtigtes Anlagekriterium gelten. Divestment müsse bei den beiden großen öffentlichen Rücklagenportfolios sichergestellt werden.
Allein beim Fonds für Beamtenpensionen und den Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit müssten Aktien fossiler Unternehmen im Wert von rund 100 Millionen Euro verkauft und die Beträge nachhaltig investiert werden. Auch gesetzliche Krankenkassen sollen bei ihren Anlagen das Nachhaltigkeitskriterium beachten. Darüber hinaus fordert die Fraktion, „die anstehende Anlage des Atommüll-Fonds an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten und somit nicht in Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft zu investieren“.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, „grüne Bundesanleihen“ herauszugeben, um nachhaltige Investitionen zu finanzieren. Außerdem soll die Finanzierung von Kohleprojekten durch die staatliche KfW-Bank beendet werden. Unternehmen sollen über ihre Maßnahmen zur Minimierung von Klimarisiken berichten und Finanzinstitute Nachhaltigkeitsrisiken in ihren Kapitalanlagen und Kreditvergaben benennen.
Linke wollte Strukturwandelfonds Kohleausstieg
Wie die Grünen-Fraktion forderte auch die Fraktion Die Linke in ihrem Antrag (18/8131) die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem der Rahmen für einen planmäßigen Ausstieg aus der Kohleverstromung eingeleitet wird. Danach sollte der Ausstieg im zweiten Halbjahr 2017 mit der planmäßigen Stilllegung von Kraftwerksblöcken beginnen. 2035 sollte das letzte Kohlekraftwerk in Deutschland abgeschaltet werden.
Der schrittweise Ausstieg sollte sozial begleitet werden, indem ein „Strukturwandelfonds Kohleausstieg“ geschaffen wird. „Nach dem vielfach als historisch bezeichneten Pariser Klimagipfel müssen auch in Deutschland die Weichen für mehr Klimaschutz gestellt werden“, forderte die Linksfraktion. (nal/01.06.2017)