Fraktionen kritisieren Vereinbarung zum Bund-Länder-Finanzausgleich
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 16. Februar 2017, in erster Lesung mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen befasst. Gegenstand der Beratungen sind zwei Gesetzespakete, die umfangreiche Änderungen im Grundgesetz (18/11131) sowie zahlreiche weitere Änderungen (18/11135) vorsehen. Die Pakete beruhen auf Vereinbarungen zwischen den Regierungschefs von Bund und Ländern aus dem vergangenen Jahr. Redner aller Fraktionen kritisierten in der Debatte die eigentliche Regelung zum Bund-Länder-Finanzausgleich. Teils kontroversere Diskussionen gab es zur Frage der geplanten Infrastrukturgesellschaft des Bundes.
„Geberländer“ profitieren, belastet wird der Bund
Ziel der Entwürfe ist es unter anderem, beim bundesstaatlichen Finanzausgleich ab 2020 den Länderfinanzausgleich im engeren Sinne und den Umsatzsteuervorwegausgleich abzuschaffen. Die Finanzkraft der Länder soll durch Zu- und Abschläge bei der Umsatzsteuerverteilung sowie durch Zuweisungen des Bundes ausgeglichen werden. Davon profitieren bisherige „Geberländer“, belastet wird der Bund.
Weitere Änderungen beziehen sich auf die Sanierungshilfen für das Saarland und Bremen, die Unterstützung von Seehäfen und die Stärkung des Stabilitätsrates. Der Bund soll zudem finanzschwachen Kommunen finanziell unter die Arme greifen dürfen, um Schulen und andere Bildungsinfrastrukturen zu sanieren. Darüber hinaus soll die Auftragsverwaltung der Länder für die Autobahnen abgeschafft werden, der Bund will dafür eine Infrastrukturgesellschaft einrichten. Neuregelungen sind unter anderem auch beim Unterhaltsvorschuss und der Steuerverwaltung vorgesehen.
Regierung: Pakete nicht wieder aufschnüren
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) warb bei der Einbringung der Gesetzentwürfe für Zustimmung und stellte die zahlreichen Aspekte des Vorhabens vor. Die Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs werde die Länder ab 2020 um etwas über 9,7 Milliarden Euro entlasten, stellte Schäuble dar. Dieser Betrag, der auf Steuerschätzungen beruhe, werde in den Jahren danach noch wachsen.
In Richtung der Bundesländer, die im Bundesrat bereits umfangreiche Änderungen gefordert hatten, mahnte der Minister, bei den beschlossenen Vereinbarungen zu bleiben und die Pakete nicht wieder aufzuschnüren. Schäuble betonte, dass es nicht gelungen sei, den Finanzausgleich grundlegend transparenter und berechenbar aufzustellen. Im Bund-Länder-Verhältnis sei man in einer „grundsätzlich richtigen Ordnung nicht gut aufgestellt“, sagte der Minister. Daran müsse in Zukunft gearbeitet werden.
Linke: Logik der Schuldenbremsenpolitik wird fortgesetzt
Dr. Dietmar Bartsch (Die Linke) betonte, dass seine Fraktion die vorgelegten Entwürfe „differenziert“ bewerte. Positiv sei, dass es weiterhin Ausgleichszahlungen an finanzschwachen Länder gebe. „Die Wortführer des Ellbogenföderalismus“ hätten sich nicht durchgesetzt. Auch die Lockerung des Kooperationsverbotes, um Bundesfinanzhilfen für Schulsanierungen zu ermögliche, sei positiv zu bewerten. Die Mittel reichten angesichts eines Investitionsstaus von 34 Milliarden Euro aber nicht aus, sagte der Fraktionschef der Linken.
Allerdings sei verpasst worden, ein großes Reformprojekt auf den Weg zu bringen. Die „Logik der Schuldenbremsenpolitik“ werde fortgesetzt, die negativen Folgen daher bei den Kommunen abgeladen. Der Stabilitätsrat werde zu einer „Troika für die Länder“ ausgebaut. Es brauche stattdessen Mehreinnahmen, sagte Bartsch mit Verweis auf das Steuerkonzept seiner Fraktion. Kritik übte der Linke-Abgeordnete auch an der geplanten Infrastrukturgesellschaft für die Bundesautobahnen – diese sei „offensichtlich ein Geschenk an Versicherungen und Anlagefonds“.
SPD: Unterschiede zwischen Ländern werden größer
Carsten Schneider (SPD) übte Kritik an dem von den Bundesländern untereinander ausgemachten Vorschlag zur Neuregelung des Finanzausgleiches. Die „strukturellen Unterschiede“ zwischen den Ländern würden damit größer werden. Dabei habe sich der bisherige Länderfinanzausgleich bewährt. Mit der geplanten Neureglung müsse sich der Bund nun stärker engagieren, finanzschwache Länder wären demnach künftig abhängiger von der Leistungsfähigkeit und dem Willen des Bundes.
Als einen „wirklichen Durchbruch“ bezeichnete der Sozialdemokrat die geplante Möglichkeit, Bundesfinanzhilfen für die Sanierung kommunaler Bildungsinfrastrukturen zur Verfügung zu stellen. Das sei „der Beginn des Endes des Kooperationsverbotes“, dessen Einführung im Zuge der Föderalismuskommission 2006 ein Fehler gewesen sei. „Erfreut“ zur Kenntnis genommen habe er zudem die Ankündigung von Bundesfinanzminister Schäuble, dass die Infrastrukturgesellschaft keine eigene Kreditfähigkeit bekommen soll, sagte Schneider.
Grüne: Keine Stärkung des Föderalismus
Anja Hajduk (Bündnis 90/Die Grünen) ging mit den Ländern scharf ins Gericht. Mit der Abschaffung des Länderfinanzausgleichs im engeren Sinne werde ein „sichtbares Zeichen ihrer Solidarität untereinander aufgegeben“. Eine Stärkung des Föderalismus könne sie darin nicht erkennen. Die Grünen-Abgeordnete sagte, sie glaube aber nicht, dass dieser Vorschlag von der Bundesebene zurückgedreht werden könne.
Auch den Bundesfinanzminister – und mittelbar die Fraktionen der Großen Koalition – nahm Hajduk in die Pflicht. Die drängendsten Herausforderungen, nämlich der demografische und sozialräumliche Wandel in der Republik, seien nicht angegangen worden. Stattdessen werde weiterhin die Finanzkraft per Kopf als Maßstab des Ausgleiches genommen, obwohl zweifelhaft sei, ob dies in überalterten, finanz- und wirtschaftskraftschwachen Regionen überhaupt noch richtig sei. Das sei „peinlich“ und den Herausforderungen inhaltlich nicht angemessen.
CDU/CSU kritisiert „Entsolidarisierung der Länder“
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) schoss ebenfalls Salven in Richtung Bundesländer. Die Ministerpräsidentenkonferenz sei kein Verfassungsorgan, Gesetze würden immer noch im Bundestag gemacht, völlig egal, ob sich die Länder 16 zu null oder 15 zu eins einigten. Der Christdemokrat kritisierte ebenfalls die „Entsolidarisierung der Länder“. Das möge zwar die Bayern freuen, aber Berlin werde damit zum Kostgänger des Bundes. Die Entlastung der Länder in Höhe von zehn Milliarden Euro ab 2020 „tut uns weh“, sagte Brinkhaus mit Blick auf den Bundeshaushalt.
Sollten weitere Bundesgelder an Länder und Kommunen fließen, schränke der Bund seine Spielräume ein. Grundsätzlich seien ohnehin die Länder für die Finanzausstattung ihrer Kommunen zuständig, betonte der Christdemokrat. Anders als Grüne, SPD und Linke brach Brinkhaus eine Lanze für das Kooperationsverbot. Dies sei grundsätzlich richtig. Mischfinanzierungen seien „Gift für den Föderalismus und Gift für die Demokratie“. Sie unterliefen das Prinzip klarer Verantwortungszuweisung.
Federführung beim Haushaltsausschuss
Die Federführung für die Gesetzentwürfe liegt beim Haushaltsausschuss. Dieser hat für die Sitzungswochen im März mehrere Anhörungen beschlossen. Abgeordnete aller Fraktionen kündigten intensive Beratungen der Entwürfe an.
Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/11131, 18/11186) zur Änderung des Grundgesetzes sollen die Artikel 90, 91c, 104b, 104c, 107, 108, 109a, 114, 125c, 143d, 143e, 143f, 143g des Grundgesetzes geändert werden. Der zweite Gesetzentwurf der Bundesregierung bezieht sich auf die Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften (18/11135, 18/11185). Mit den beiden Gesetzentwürfen sollen der Beschluss der Regierungschefinnen und -chefs von Bund und Ländern vom 14. Oktober 2016 sowie die Einigung vom 8. Dezember 2016 über die Konkretisierung in den Gesetzentwürfen umgesetzt werden.
Anträge der Linken zu Autobahnprivatisierungen
Die Linke hatte zur Debatte einen Antrag (18/11165) vorgelegt, der darauf abzielt, in das Grundgesetz eine Regelung aufzunehmen, wonach Autobahnprivatisierungen ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen werden müssen nach Ansicht der Fraktion neben einer zivilrechtlichen Übertragung des Eigentums an den Bundesfernstraßen und an einer etwaigen Bundesautobahngesellschaft vor allem Privatisierungen in Form von mittelbaren Beteiligungen an der Gesellschaft, in Form von „unwirtschaftlichen Formen der Fremdkapitalaufnahme“ sowie funktionale Privatisierungen nach dem Ansatz der öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP). Der Bundestag beschloss mit Koalitionsmehrheit, über diesen Antrag nicht abzustimmen, sondern ihn zur weiteren Beratung an die Ausschüsse zu überweisen.
Gegen das Votum der Antragsteller bei Enthaltung der Grünen lehnte der Bundestag einen Antrag der Linken (18/6547) ab, die Planungen für die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft sofort einzustellen. Er folgte damit einer Empfehlung des Verkehrsausschusses (18/8885).
Die Linke wollte alle Aktivitäten zur Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft, die mit der Bewirtschaftung des Bundesfernstraßennetzes oder Teilen des Netzes beauftragt wird, sofort stoppen und nach Vorliegen des Endberichts der von den Bundesländern ins Leben gerufenen Kommission „Bau und Unterhaltung des Verkehrsnetzes“ noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eine Reform der Auftragsverwaltung Straße erarbeiten und umsetzen. (scr/nal/16.02.2017)