Die geplante Einführung von Personaluntergrenzen in der Krankenhauspflege wird von Gesundheitsexperten grundsätzlich unterstützt, stößt bei den Krankenhäusern selbst aber auch auf Vorbehalte. Anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages am Mittwoch, 17. Mai 2017, unter Vorsitz von Dr. Edgar Franke (SPD) zu den geplanten Änderungen führte der Krankenhausverband finanzielle und organisatorische Probleme an. Wie auch aus den schriftlichen Stellungnahmen der geladenen Sachverständigen hervorgeht, wird die Stärkung des Pflegepersonals indes grundsätzlich sehr befürwortet.
Krankenhauspflege soll gestärkt werden
Die Krankenhauspflege soll in sensiblen Bereichen mit Personaluntergrenzen gezielt gestärkt werden. So werden die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) unter Beteiligung der Privaten Krankenversicherung (PKV) damit beauftragt, Personaluntergrenzen in sogenannten pflegesensitiven Bereichen verbindlich festzulegen. Hierbei werden Intensivstationen sowie die Besetzung des Nachtdienstes mit einbezogen.
Die konkreten Regelungen, die auf Empfehlungen einer Expertenkommission zurückgehen, sollen bis zum 30. Juni 2018 vereinbart und zum 1. Januar 2019 umgesetzt werden. Um die Pflege nicht in anderen Bereichen zu schwächen, sollen sogenannte Substitutionseffekte vermieden werden. Geplant sind auch Sanktionen für den Fall, dass ein Krankenhaus die Personaluntergrenzen nicht einhält. Wie sich die Personaluntergrenzen in der Pflege auswirken, soll bis Ende des Jahres 2022 wissenschaftlich überprüft werden.
Finanzierung durch Pflegestellenförderprogramm
Um die Reform finanziell abzusichern, sollen zum 1. Januar 2019 die Mittel aus dem Pflegestellenförderprogramm in den Pflegezuschlag einbezogen werden. Mit dem Krankenhausstrukturgesetz (18/5372, 18/6586) war ein Förderprogramm für Pflegestellen im Volumen von bis zu 660 Millionen Euro in den Jahren 2016 bis 2018 aufgelegt worden. Ab 2019 sollen dauerhaft 330 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stehen, um Jobs zu schaffen für die ,,Pflege am Bett„. Zugleich wurde als Ersatz für den wegfallenden Versorgungszuschlag ein Pflegezuschlag in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr beschlossen, der dazu dienen sollte, mehr Personal einzustellen. Nun sollen die Krankenhäuser künftig mit 830 Millionen Euro pro Jahr dabei unterstützt werden, dauerhaft mehr Pflegepersonal zu beschäftigen.
Die Personaluntergrenzen sollen über einen Änderungsantrag in den Gesetzentwurf zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten (18/10938) eingebunden werden.
Kliniken befürchten finanzielle Probleme
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) unterstützt zwar grundsätzlich das Ziel einer verbesserten Personalausstattung, sieht damit aber praktische und finanzielle Probleme auf die Kliniken zukommen. Allgemeine Personalvorgaben seien keine Lösung und würden strikt abgelehnt, heißt es in der Stellungnahme der DKG. So hänge der Personalbedarf von vielen Faktoren ab. Personaluntergrenzen seien auch nur in nachweislich besonders pflegesensitiven Bereichen zu rechtfertigen. Zu berücksichtigen sei auch die Arbeitsmarktlage. So könnten derzeit bis zu 10.000 Pflegestellen nicht besetzt werden. Der arbeitsmarktbedingte Mangel an Fachkräften dürfe nicht zu Lasten der Krankenhäuser gehen.
Nötig sei außerdem die vollständige Refinanzierung der tarifbedingten Kostensteigerungen. Die geplanten Vergütungsabschläge seien kontraproduktiv, weil ein Krankenhaus nicht Personal aufstocken könne, wenn auf der anderen Seite die dafür nötigen Mittel gekürzt würden.
Nachwuchsmangel bei Pflegekräften
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe begrüßte die geplanten Änderungen ausdrücklich. Wenn Pflegekräfte zu viele Patienten gleichzeitig versorgen müssten, wachse die Gefahr von Fehlern. Insoweit sei die Einführung von Personaluntergrenzen wichtig zur Verbesserung der Patientensicherheit. Allerdings werde sich die Lage nicht unmittelbar verbessern, weil die dringend benötigten Pflegekräfte nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden. Überdies sollte beispielhaft aufgeführt werden, was als pflegesensitiver Bereich konkret einzustufen ist.
Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sind viele Krankenhausmitarbeiter überlastet. In den Kliniken fehlten 162.000 Beschäftigte, allein rund 70.000 in der Pflege. Besonders kritisch sei die Pflege nachts. Im internationalen Vergleich liege Deutschland bei der Ausstattung mit Pflegepersonal ganz hinten. Zur nachhaltigen Verbesserung der Lage seien verbindliche Vorgaben für alle Pflegebereiche im Krankenhaus erforderlich.
Diskussion über Personaluntergrenzen
Die Bundesärztekammer (BÄK) plädierte dafür, nicht nur bei Pflegekräften, sondern auch bei Medizinern Personaluntergrenzen festzulegen. Personaluntergrenzen dürften aber nicht zur Norm der Personalbesetzung werden. Untergrenzen dienten ausdrücklich dazu, eine Gefährdung der medizinischen Versorgung und der Mitarbeiter zu vermeiden. Zu berücksichtigen sei überdies der erhöhte Pflegebedarf von demenziell erkrankten Menschen und solchen mit Behinderungen.
Der Einzelsachverständige Michael Simon von der Hochschule in Hannover monierte in seiner schriftlichen Stellungnahme, einige Vorschriften seien ungenau formuliert, was zu Fehlsteuerungen führen könnte. So müsse der Begriff Pflegepersonaluntergrenzen eindeutiger definiert werden. Es sei zudem wichtig, die Personalvorgaben pro Schicht zu benennen. Ferner müsse verhindert werden, dass in hohem Maß oder sogar überwiegend Pflegehilfskräfte herangezogen werden, also solche mit niedrigerer Qualifikation. Auch andere Sachverständige sprachen sich in der Anhörung dafür aus, möglichst präzise Vorgaben zu machen, um eine bestmögliche Wirkung zu erreichen.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit erweiterten Meldepflichten will die Bundesregierung den Schutz vor übertragbaren Krankheiten mit erweiterten Meldepflichten verbessern. Das Robert-Koch-Institut (RKI) wird dazu mit der Einrichtung eines elektronischen Meldewesens beauftragt, das spätestens 2021 in Betrieb gehen soll. Vorgesehen sind zudem zusätzliche Meldepflichten bei Krankenhausinfektionen. Auf diese Weise sollen mehr Informationen zu Übertragungswegen gesammelt werden. Das gilt zum Beispiel für bestimmte Erreger, die sich auf der Haut ansiedeln.
In Pflegeheimen und anderen Gemeinschaftsunterkünften ist in der Zukunft außerdem die Krätze (Skabies) meldepflichtig, um bei Ausbrüchen der Krankheit früh reagieren zu können. Zur Aufbewahrung und Vernichtung von Polioviren in Laboren werden neue Standards festgelegt. Damit setzt die Bundesregierung nach eigenen Angaben die Strategie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Ausrottung des Polio-Erregers um. Schließlich werden dem Entwurf zufolge für sogenannte Naturbäder Anforderungen an die Qualität des Wassers neu festgelegt. Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat zustimmungspflichtig und soll bis zum Sommer dieses Jahres in Kraft treten. (pk/17.05.2017)
Liste der geladenen Sachverständigen
Verbände/Institutionen:
- Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APD)
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF)
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. (BAGFW)
- Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und –Initiativen (BAGP)
- Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V. (BAG Selbsthilfe)
- Bundesärztekammer (BÄK)
- Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa)
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG)
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG)
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Deutscher Pflegerat e.V. (DPR)
- Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband)
- Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH (InEK)
- Marburger Bund
- Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V.
- Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
- Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV)
- Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
Einzelsachverständige:
- Bernadette Rümmelin
- Prof. Dr. Jonas Schreyögg
- Dr. Pia Wieteck
- Michael Simon