Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat sich am Mittwoch, 26. April 2017, in einer öffentlichen Expertenanhörung unter Leitung von Dr. Edgar Franke (SPD) mit einem Gesetzentwurf (18/11488, 18/11930) der Bundesregierung zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen befasst. Die im Grundsatz unstrittige Vorlage beinhaltet neben dem eigentlichen Thema noch diverse sachfremde Regelungen, die in 21 Änderungsanträgen der Regierungsfraktionen eingebracht wurden und im „Omnibusverfahren“ mit verabschiedet werden sollen. Hier sind Detailregelungen, etwa aus dem Bereich der Pflege, unter den Experten teilweise umstritten, wie aus den schriftlichen Stellungnahmen hervorgeht.
Zu den umstrittenen Punkten im Bereich der Pflegeversorgung gehören die über Änderungsanträge eingebrachten „Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität“, die Kompetenzen des Qualitätsausschusses, die Personalbemessung in Pflegeeinrichtungen, die Vergütungskürzung bei Personalunterdeckung in stationärer Pflege sowie die Modellvorhaben.
Kritik an Eingriffsrechten in die Selbstverwaltung
Besonders kritisch äußerte sich der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der von einer „permanenten und nachhaltigen Diskreditierung der Branche“ sprach, die nicht nachzuvollziehen sei. Mit der Einführung des Qualitätsausschusses würden die Beteiligungs- und Eingriffsrechte sowie Genehmigungsvorbehalte und Kontrollfunktionen der zuständigen Ministerien gegenüber der Selbstverwaltung erheblich ausgebaut.Hier dränge sich fälschlicherweise der Eindruck auf, die Selbstverwaltung würde ihren gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.
Auch die Regelung zur Vergütungskürzung sei „unnötig, unbegründet und unverhältnismäßig“. Es bestehe weder eine Regelungslücke noch ein Kontrolldefizit. Dem Verband lägen zudem keine Hinweise auf eine strukturelle Unterbesetzung in den Pflegeeinrichtungen vor.
Unterstützung für den Qualitätsausschuss
Sozialverbände und der Deutsche Pflegerat begrüßten hingegen die geplanten Veränderungen, weil sie in der Praxis Vorteile brächten. Der Caritasverband erklärte, es sei richtig, dem Qualitätsausschuss die Entscheidungen etwa zu Auftragsvergaben zu übertragen, weil die jetzigen Regelungen dazu führten, dass die Vertragsparteien und der Qualitätsausschuss inhaltsgleiche Abstimmungsprozesse zu durchlaufen hätten, was unnötige Bürokratie verursache. Allerdings sei die jetzt geplante Regelung nicht ausreichend, um Doppelstrukturen zu vermeiden.
Mit der geplanten Vergütungskürzung werde Bezug genommen auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. September 2012, wonach solche Sanktionen auch unabhängig von Qualitätsmängeln erlaubt sind, wenn die Pflegeeinrichtung die vereinbarte Personalmenge vorsätzlich über längere Zeit erheblich unterschritten hat. Nach Ansicht der Caritas ist es „absolut sachgerecht, vorsätzliches Handeln, das eine Schädigung von Personen bewusst ins Kalkül zieht, scharf zu sanktionieren.“ Der Verbraucherzentrale Bundesverband monierte, die Neuregelung lasse Fragen offen und laufe ins Leere, solange es keine verbindliche Berechnungsmethode für den Personalbereich gebe.
Finanzierung der HIV-Stiftung
Mit dem Gesetz soll auch die Finanzierung der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ neu geregelt werden mit dem Ziel einer langfristig vom Bund garantierten Hilfe. So soll der Bund ab 2019 die Finanzierung der HIV-Stiftung allein übernehmen. Bislang werden die Stiftungsgelder vom Bund, den Ländern, mehreren Pharmafirmen und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) aufgebracht.
Die Betroffenen sollen lebenslang von der Zuwendung profitieren, die künftig regelmäßig an die höheren Kosten angepasst werden soll (Dynamisierung). Der Bund will dazu bis zu zehn Millionen Euro jährlich zur Verfügung stellen. In den 80er Jahren waren nach Angaben der Deutschen AIDS-Hilfe in Deutschland rund 1.500 Menschen durch verseuchte Blutprodukte mit HIV infiziert worden. Mehr als 500 der Betroffenen leben noch und sind auf Unterstützung angewiesen.
Fachverbände begrüßen die Neuregelung
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen sowie die Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten begrüßten die Neuregelung nachdrücklich und verwiesen auf die immensen Leiden der Betroffenen. Beide Fachverbände wiesen darauf hin, dass seit Errichtung der Stiftung 1995 kein Inflationsausgleich in die Leistungen einberechnet worden sei. Die Entschädigungshöhe entspreche somit schon lange nicht mehr der damals für notwendig erachteten Größenordnung. Nötig sei ein rückwirkender Inflationsausgleich.
Mit den sachbezogenen Neuregelungen will die Bundesregierung unter anderem die Versorgung mit Blut- und Gewebezubereitungen sowie Arzneimitteln für neuartige Therapien verbessern. Nach Angaben der Regierung sollen bestimmte Vorschriften an die wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen angepasst werden. Zugleich werden Genehmigungsverfahren vereinfacht, damit spezielle Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products /ATMP) wie Gen- oder Zelltherapeutika schneller verfügbar sind.
Meldepflichten für behandelnde Ärzte
So soll die Versorgung mit Gewebe- und Stammzellzubereitungen aus dem EU-Ausland bei Versorgungsengpässen erleichtert werden. Geplant sind auch vereinfachte Genehmigungsverfahren, die nicht mehr von mehreren Behörden erteilt werden, sondern allein vom Paul-Ehrlich-Institut. Die Änderungen sollen mehr Transparenz bringen und die Sicherheitsstandards für Blut- und Gewebezubereitungen sowie Arzneimittel für neuartige Therapien weiter verbessern.
Das beim Paul-Ehrlich-Institut angesiedelte Deutsche Hämophilieregister wird zugleich auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Eingeführt werden Meldepflichten für die behandelnden Ärzte. Mit Einwilligung der Patienten sollen pseudonymisierte Diagnose- und Behandlungsdaten an das Register übermittelt werden. Die Daten sollen für die Grundlagenforschung genutzt werden.
Änderungsanträge von CDU/CSU und SPD
Gegenstand der Anhörung sind auch zwei Änderungsanträge von CDU/CSU und SPD. Zum einen wollen die Koalitionsfraktionen klarstellen, dass auch der Parallelvertreiber, der Arzneimittel in den Handel bringt, pharmazeutischer Unternehmer ist und Arzneimittel unter seinem Namen in Verkehr bringt.
Zum anderen soll geregelt werden, dass auch Betriebe und Einrichtungen, die Aufzeichnungen aufbewahren (externe Archive) der behördlichen Überwachung nach dem Arzneimittelgesetz unterliegen. Dokumente müssen im Bereich der Blut- und Gewebezubereitungen bis zu 30 Jahre aufbewahrt werden.
Der Gesetzentwurf ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz soll im August 2017 in Kraft treten. (pk/25.04.2017)
Liste der Sachverständigen
- Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS)
- Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung und chronischer
- Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE)
- Bundesärztekammer (BÄK)
- Bundesverband der Arzneimittel-Importeure e. V. (BAI)
- Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e. V. (BPI)
- Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa)
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. (BDA)
- Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation – gemeinnützige Gesellschaft mbH (DGFG)
- Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e. V. (DHG)
- Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG)
- Deutsche Stiftung Patientenschutz
- Deutscher Caritasverband e. V.
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
- Deutscher Landkreistag
- Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. (DPWV)
- Deutscher Pflegerat e. V. (DPR)
- Deutscher Städte- und Gemeindebund
- Deutscher Städtetag (DST)
- Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband
- Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
- Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e. V. (GTH)
- GKV-Spitzenverband
- Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
- Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e. V. (MDS)
- Stiftung Europäische Gewebebanken
- Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands e. V. (VAD)
- Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V. (VFA)
- Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv)