Reaktorsicherheit

Streit um Export von Atom-Brenn­elemen­ten

Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben in einer Debatte am Freitag, 28. April 2017, einen sofortigen Exportstopp für Brennelemente aus der Brennelementefabrik in Lingen in die aus ihrer Sicht problematischen grenznahen Atomkraftwerke (AKW) Tihange und Doel in Belgien gefordert. Zudem verlangten beide Fraktionen, langfristig die Fabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage Urenco in Gronau stillzulegen. Vertreter der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung zweifelten in der leidenschaftlich geführten Debatte an der rechtlichen Machbarkeit der Forderungen und warfen den Grünen vor, mit ihrem Vorstoß vor allem den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen im Blick zu haben.

Anlass der Debatte waren zwei Anträge der Grünen zur Atompolitik. Neben dem Antrag zum Exportverbot (18/12093) berieten die Abgeordneten auch einen Antrag zu einer „konsequenten“ Umsetzung des Atomausstiegs (18/11743). Beide Anträge wurden zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss überwiesen. Die Grünen scheiterten nach einer Geschäftsordnungsdebatte mit dem Vorstoß, den Antrag zum Exportverbot sofort abstimmen zu lassen.

Landesminister: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg 

Insbesondere die Frage, ob die Bundesregierung ein sofortiges Exportverbot anordnen könne, wurde kontrovers diskutiert. Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen), Umweltminister in Nordrhein-Westfalen, sah dafür durchaus eine Möglichkeit. Ihm sei bewusst, dass es dazu verschiedene Rechtsauffassungen gebe. Im Zweifel müsste ein Exportverbot von Gericht überprüft werden. Alternativ könnten auch Gesetze geändert werden, sagte Remmel. 

„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, sagte der Landesumweltminister. Er kritisierte den aus seiner Sicht mangelnden Einsatz der Bundesregierung, auf nationaler und internationaler Ebene alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um gegen die problematischen belgischen Reaktoren vorzugehen.

Grüne: Gefährlichste Reaktoren stehen an deutscher Grenze 

Ähnlich äußerte sich Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen). Es könne mehr getan werden, „wenn man den Mumm dazu hätte“. Der Antrag sei natürlich nicht unabhängig vom Wahlkampf, allerdings sei er auch in der Sache richtig – gerade nach den Jahrestagen der Reaktorkatastrophen von Tschernobyl (26. April 1986) und Fukushima (11. März 2011).

In Europa gebe es viele überalterte Reaktoren, und die gefährlichsten stünden an der deutschen Grenze, betonte Kotting-Uhl.

Bundesministerin: Remmels Ansatz rechtlich nicht haltbar

Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks (SPD) sagte, dass sie die Sorgen um die Sicherheit der ausländischen AKW teile. Der Ansatz von Remmel – „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“ – sei aber rechtlich nicht haltbar. Es bestehe keine rechtlich belastbare Grundlage, um Exporte in Atomkraftwerke mit genehmigten Betrieb in der EU zu verbieten. Gangbar wäre nur der Weg, die Anlagen zu schließen. Ob dies rechtlich möglich ist, werde von ihrem Haus gerade geprüft. 

Die Bundesumweltministerin griff die Grünen für ihren Antrag scharf an: Es sei „verantwortungslos“, den Eindruck zu erwecken, durch einen Stopp der Lieferungen würde der Betrieb der belgischen AKW unterbunden. Die Grünen weckten Hoffnungen, die niemand in Deutschland erfüllen könne, und schürten Ängste. Dafür gebe es keine Rechtfertigung, „auch nicht, wenn man gerade schlechte Umfragewerte hat“, sagte Hendricks.

SPD: Schwerwiegende Eingriffe in Rechte

Hiltrud Lotze (SPD) wies die Kritik an der Bundesregierung ebenfalls zurück. Dass diese nicht handle, sei „Quatsch“. Die Sozialdemokraten teilten viele Ziele des Grünen-Antrags, es sei aber nicht alles rechtlich so umsetzbar, wie diese sich das vorstellten. 

Exportverbote und Stilllegungen seien schwerwiegende Eingriffe in Rechte, die geprüft werden müssten, sagte Lotze.

CDU/CSU: Alles getan, was machbar ist

Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) sah in den Anträgen der Grünen „Wahlkampfmanöver“. Man könne viel fordern, es sei aber zielführender, wenn man sich dabei „im Rahmen der Realität und des Machbaren“ bewege. Mit Blick auf die Sicherheit der grenznahen AKW habe Deutschland alles getan, was machbar sei. 

Weisgerber verwies unter anderem auf das deutsch-belgische Abkommen zur Zusammenarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit und die geplante Expertenkommission. Zu einer möglichen Schließung der Anlagen in Gronau und Lingen äußerte sich die Christsoziale skeptisch. Es müsse Know-how und Kompetenz in Deutschland erhalten werden, auch um in internationalen Gremien mitreden oder die Sicherheit ausländischer AKW bewerten zu können, sagte Weisgerber.

Linke: Unerträgliches Doppelspiel

Hubertus Zdebel (Die Linke) stellte sich hinter das geforderte Exportverbot und die Stilllegung der Anlagen. Die Urananreichungsanlage und die Brennelementefabrik müssten in den Atomausstieg aufgenommen werden. Das fordere seine Fraktion schon seit Jahren. Es sei ein „Skandal“, dass der Betrieb in den „Schrottreaktoren“ in Belgien durch Lieferungen aus Deutschland ermöglicht werde. 

Zdebel warf den Koalitionsfraktionen zudem ein „unerträgliches Doppelspiel“ vor, würden doch auch alle Landtagsfraktionen in Nordrhein-Westfalen – darunter auch die SPD und die CDU – einen Exportstopp fordern. (scr/28.04.2017)