Opposition kritisiert Pläne zur Durchsetzung der Ausreisepflicht
Die Pläne der Bundesregierung zur „besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ stoßen bei der Opposition auf scharfe Kritik. Vertreter der Großen Koalition verteidigten dagegen im Bundestag am Donnerstag, 23. März 2017, in der ersten Lesung des entsprechenden Gesetzentwurfs (18/11546, 18/11654) das Regierungsvorhaben. Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) unterstrich, dass mit dem Gesetz auch Konsequenzen für das Aufenthaltsrecht aus dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz vom 19. Dezember vergangenen Jahres gezogen würden.
Abschiebehaft leichter möglich
Vorgesehen ist in der Regierungsvorlage, dass ausreisepflichtige Ausländer vor ihrer Abschiebung besser überwacht sowie leichter in Abschiebehaft genommen werden können, wenn von ihnen „eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter“ oder die innere Sicherheit ausgeht. So sollen sie zum Tragen einer elektronischen Fußfessel verpflichtet werden können, wenn sie nicht sofort abgeschoben werden können.
Ferner soll Abschiebehaft gegen solche Ausländer künftig auch dann verhängt werden können, wenn die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten drei Monate möglich sein wird. Zudem soll die zulässige Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams auf zehn Tage verlängert werden.
Herausgabe von Mobiltelefonen
Täuschen Ausländer über ihre Identität beziehungsweise Staatsangehörigkeit oder verweigern ihre Mitwirkung bei der Rückführung, soll ihr Aufenthalt laut Vorlage auf den Bezirk einer einzelnen Ausländerbehörde beschränkt werden. Auch soll ihnen der Widerruf einer Duldung auch dann nicht mehr angekündigt werden müssen, wenn sie bereits ein Jahr lang geduldet in Deutschland gelebt haben.
Darüber hinaus soll künftig auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit von Asylsuchenden ohne gültige Ausweispapiere unter bestimmten Voraussetzungen die Herausgabe von Mobiltelefonen und anderen Datenträgern verlangen und diese auswerten können.
„Ja zur Rückkehr nicht Schutzbedürftiger“
Des Weiteren dürfen dem Entwurf zufolge ausländische Reisepapiere auch von Deutschen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit einbehalten werden, wenn Gründe zur Passentziehung vorliegen. Damit sollen Ausreisen aus Deutschland mit dem Ziel, sich an „irregulären Kampfhandlungen“ im Ausland zu beteiligen, verhindert werden. Zu den sonstigen geplanten Maßnahmen gehört schließlich eine Regelung, nach der die Länder für Asylsuchende ohne Bleibeperspektive die Verpflichtung verlängern können, in Erstaufnahmeeinrichtungen zu wohnen.
De Maizière sagte, Rückkehr und Integration seien ,,zwei Seiten ein und derselben Medaille„. Aufenthaltsrechtliche Regelungen seien sinnlos, wenn sie am Ende keine Konsequenzen hätten. ,,Deshalb: Ja zu guter Integration der Schutzbedürftigen und Ja zur Rückkehr der nicht Schutzbedürftigen“, fügte er hinzu.
Minister: Entwicklung noch besser machen
Dabei steige die Zahl der Abschiebungen und freiwilligen Ausreisen. So hätten im vergangenen Jahr rund 55.000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland freiwillig verlassen, während mehr als 25.000 abgeschoben worden seien. Dies sei ein Zuwachs von etwa 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. ,,Das ist gut„, betonte der Ressortchef und fügte hinzu: ,,Wir wollen diese Entwicklung aber noch besser machen“.
Dabei fuße der Gesetzentwurf auf drei Säulen, sagte der Minister: „Erstens Identität besser feststellen. Zweitens Abschiebungen effektiver durchsetzen. Und drittens gefährliche Ausreisepflichtige besser überwachen“. Die „Offenheit“ der Bundesrepublik gelte „nicht für diejenigen, die unsere Offenheit frontal angreifen oder unsere Verfahren wissentlich auszutricksen versuchen“.
Linke: Integration statt Abschiebung
Für Die Linke kritisierte Petra Pau, der Gesetzentwurf bediene eine allgemeine Abschiebestimmung und befördere damit eine feindliche Stimmung gegenüber den Schutzsuchenden. Die aktuelle Herausforderung laute aber „Schutzgewährung und Integration“ und nicht „Ausgrenzung und Abschiebung“. Auch würden mit der Vorlage Tore dazu geöffnet, „um mehr abgelehnte Asylbewerber als bislang ihrer Freiheit zu berauben und sie länger in Abschiebehaft zu nehmen“.
Als Gründe würden „rechtlich unbestimmte Begriffe wie ,Gefährder' bemüht“. Der Gesetzentwurf vermische in unzulässiger Weise straf- sowie polizei- und ordnungsrechtliche mit aufenthaltsrechtlichen Aspekten. Auch folgten die vorgesehenen Regelungen „einem Generalverdacht gegenüber Geflüchteten“. Dies halte sie „für nicht rechtsstaatlich und für würdelos“.
SPD: Wir müssen diese Verfahren in Ordnung bringen
Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) entgegnete, dass der Rechtsstaat nicht funktioniere, wenn Menschen, die nicht in Deutschland bleiben dürften, trotzdem hier bleiben. Wer Ausreisen nicht durchsetzen wolle, könne „auch gleich das Asylrecht mit abschaffen“. Castellucci beklagte zugleich, dass nach der Asylgeschäftsstatistik die Zahl der anhängigen Verfahren mit Stand vom Februar bei 333.000 liege.
„Wir müssen diese Verfahren in Ordnung bringen - das ist der Dreh- und Angelpunkt davon, dass es auch mit den Abschiebungen funktioniert“, betonte Castellucci. Er sei dafür, dass die Betroffenen bis zum Abschluss ihres Verfahrens in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, doch gehe dies nur, wenn tatsächlich eine Verfahrensdauer von drei Monaten erreicht werde, wie sie bereits im Koalitionsvertrag angestrebt worden sei.
Grüne: Schwer zu definieren, wer ein Gefährder ist
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, man sei sich einig, dass die Bundesrepublik verlassen müsse, wer „keinen Grund zum Bleiben hat“. Dissens bestehe jedoch, wo Dinge „an der Verfassungsmäßigkeit vorbeischrammen“ oder man über „rein symbolische Rechtspolitik“ rede. Abschiebehaft sei nur zulässig, wenn sie unmittelbar der Durchführung einer Abschiebung dienlich ist.
„Es ist eben keine Strafhaft, und es gibt auch keine Präventivhaft im deutschen Recht“, unterstrich Beck. Zwar wolle man „jeden Gefährder loswerden“, aber es sei schwer zu definieren, wer ein Gefährder sei, „und am Ende ist es eine Prognose in die Zukunft“. Deshalb sei man „in den rechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten beschränkt, solange diese Leute keine konkreten Straftaten begangen haben, sondern wir nur ihnen das zutrauen“.
CDU/CSU: Ausreisepflicht auch mit Zwang durchsetzen
Stephan Harbarth (CDU/CSU) wertete die Vorlage als wichtigen Entwurf zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Schutzes vor islamistischen Anschlägen sowie der „Ausreisepraxis bei denen, die in Deutschland keinen Schutzstatus haben“. Allein mit der Pflicht zur freiwilligen Ausreise werde man nicht weiter kommen. Vielmehr müsse man die Ausreisepflicht auch mit Zwang durchsetzen.
Damit schaffe man „kein feindseliges Klima gegen Migranten“, sondern die Voraussetzung dafür, „dass die gesellschaftliche Akzeptanz für diejenigen erhalten bleibt, die tatsächlich Schutz benötigen“. Bei den Rückführungen gehe es um ein „ganz klares Signal zur Begrenzung von Zuwanderung“. Wer ein Bleiberecht habe, dürfe „auf Zeit bleiben“, wer kein Bleiberecht habe, müsse zeitnah in seine Heimat zurückkehren. (sto/23.03.2017)