Regierung sieht maritime Wirtschaft als Vorreiter des digitalen Wandels
Mit einem „sehr ambitionierten Programm“ habe der Bund bei der Förderung der maritimen Wirtschaft in der auslaufenden Legislaturperiode „viel erreicht“. Das hat Uwe Beckmeyer (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie, am Donnerstag, 30. März 2017, in einer Bundestagsdebatte zur maritimen Wirtschaft herausgestrichen. Erklärtes Ziel sei es gewesen, die maritime Wirtschaft als „Zukunfts- und Schlüsselbranche“ mit „erheblichem Innovationspotenzial“ zu stärken, meinte er als Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft.
Regierung: Auch Reeder müssen ihren Beitrag leisten
Zusammen mit dem Verkehrsministerium sei ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet worden, strich Beckmeyer heraus: „Der Strauß ist riesengroß.“ Jetzt müssten „auch die Reeder ihren Beitrag leisten“. Ob das Maßnahmenpaket Erfolg habe, werde evaluiert. Schon jetzt sei die maritime Wirtschaft „in vielen Bereichen Vorreiter für den digitalen Wandel“.
Beckmeyer: „Wir müssen und wollen das weiter voranbringen.“ Denn: „Wer rastet, der rostet. Das gilt nicht nur für Schiffe.“
Linke: Menschliche Arbeitskraft sehr viel stärker gewichten
Herbert Behrens (Die Linke) befand, die „Anzahl der Seiten“, die Regierung und Koalition zur Förderung der maritimen Wirtschaft aufgeschrieben hätten, stehe „in krassem Missverhältnis zur maritimen Bilanz“: viele Millionen an Förderung, aber ein Ergebnis, das „mehr als dürftig“ sei. Er forderte, dass bei allen Maßnahmen „die menschliche Arbeitskraft sehr viel stärker gewichtet“ werden müsse. So führe eine starke Zunahme der Automatisierung in der Hafenwirtschaft auch zu einer Zunahme der Arbeitsintensität: „Hektik, Stress, Gesundheitsgefahren.“
Mehr Produktivität müsse auch den Arbeitnehmern in Form von Arbeitszeitverkürzung zugute kommen. Den Reedern hielt er vor, die Fördermaßnahmen „mit nichts goutiert“ zu haben. Wobei der „Niedergang“ in der Seeschifffahrt weiter anhalte.
CDU/CSU: Unzumutbare Arbeitsbedingungen bei illegaler Fischerei
Rüdiger Kruse (CDU/CSU) wies darauf hin, dass zum Beispiel die deutschen Werften „wesentlich besser“ dastünden als die Branche insgesamt in der Welt. Und zwar deshalb, weil sie „auf Innovation umgestellt“ hätten. In Deutschland werde „Hightech-Schiffbau“ praktiziert. Das Massengeschäft finde woanders statt. Fördermaßnahmen für die maritime Wirtschaft wie Erleichterungen bei der Lohnsteuer fänden „nicht auf dem Rücken der Beschäftigten“ statt, betonte er.
Bei Freihandelsabkommen müsse auf internationale Regeln etwa auch in der Fischerei gedrungen werden. Auf Schiffen gerade der illegalen Fischerei herrschten unzumutbare Arbeitsbedingungen. „Der einzige Unterschied zu römischen Galeerensklaven: Die Jungs müssen nicht rudern.“
Grüne: Verschrotten, verschrotten, verschrotten!
Dr. Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen) nannte die Überkapazitäten auf dem Markt als entscheidende Ursache für die anhaltenden Probleme. Ein Großteil der Schiffe müsse vom Markt: „Verschrotten, verschrotten, verschrotten!“ Die Ausbildung der Seeleute in Deutschland sei zwar weltweit „hoch anerkannt“. Doch das bringe nichts, weil sie „zu teuer“ sei.
Ein anderer Punkt: „Wir brauchen dringend neuen Kraftstoff“ – statt des giftigen Schweröls verflüssigtes Erdgas. Die Agenda der Bundesregierung zur maritimen Wirtschaft sei „inhaltsleer“. Der maritime Koordinator der Regierung müsse in der nächsten Legislaturperiode „weg vom Katzentisch im Wirtschaftsministerium“, hin zum Verkehrsministerium.
SPD: Klare Ausrichtung auf den Spezialschiffbau
Johann Saathoff (SPD) hob auf den Erfolg der deutschen Werften ab. Der sei der „klaren Ausrichtung auf den Spezialschiffbau“ zu verdanken. Vom damit verbundenen Einsatz von Hochtechnologie müssten auch die Arbeitnehmer profitieren, die ja diese Technologie entwickelten.
Saathoff forderte nicht zuletzt angesichts von „Renationalisierungstendenzen“ in der Seeschifffahrt ein „Bekenntnis zur deutschen Fahne“. Auch er machte sich für „alternative Antriebe“ stark. Das bedeute flüssiges Erdgas, aber auch Elektromobilität in der Binnenschifffahrt, in Häfen, bei Fähren.
Weniger Schiffe unter deutscher Flagge
Nach der Debatte nahm der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD einen Antrag dieser Fraktionen mit dem Titel „Innovation und Forschung als Wettbewerbsvorteil der deutschen maritimen Wirtschaft“ (18/11725) an. Die Opposition lehnte ihn ab. Zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen wurden zwei Unterrichtungen der Bundesregierung (18/10911, 18/11150) und ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die Digitalisierung als Ausweg aus der Schifffahrtskrise nutzen“ (18/11742).
In der Unterrichtung mit dem Titel: „Maritime Agenda 2025 – Für die Zukunft des maritimen Wirtschaftsstandortes Deutschland“ (18/10911) weist die Regierung daraufhin, dass die Zahl der unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe zurückgegangen sei. Derzeit würden noch 339 Schiffe unter deutscher Flagge fahren. Vor einem Jahr seien es noch 350 Schiffe gewesen.
Weiter geht aus der Unterrichtung hervor, dass die rund 360 Reedereien in Deutschland rund 2.700 Seeschiffe betreiben. Nach der Nationalität der Eigner gehöre Deutschland mit seiner Handelsflotte zu den größten Schifffahrtsnationen nach Griechenland, Japan und China, schreibt die Regierung. Im Bereich der Containerschifffahrt verfüge Deutschland über 29 Prozent der Kapazitäten. Allerdings habe der starke Wettbewerbsdruck durch das Überangebot an Schiffsraum dazu geführt, dass die deutsche Handelsflotte in den vergangenen zwölf Monaten um rund 200 Schiffe geschrumpft sei.
Einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland
Im ebenfalls als Unterrichtung vorgelegten Fünften Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsperspektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland (18/11150) wird deutlich gemacht, dass die maritime Wirtschaft „einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland ist“.
Das Umsatzvolumen werde auf bis zu 50 Milliarden Euro geschätzt. Außerdem seien bis zu 400.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt von der maritimen Wirtschaft abhängig, schreibt die Bundesregierung. (fla/30.03.2017)