Koalition in der Frage des Familiennachzugs von Flüchtlingen gespalten
Im Streit um den Familiennachzug insbesondere bei syrischen Flüchtlingen zeigt sich die Große Koalition gespalten. Dies wurde am Donnerstag, 10. November 2016, in einer ersten Bundestagsdebatte über einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/10044) und einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/10243) deutlich. Ziel beider Vorlagen ist es, die mit dem im März in Kraft getretenen „Asylpaket II“ eingeführte zweijährige Wartefrist für subsidiär geschützte Flüchtlinge zur Antragstellung auf Familiennachzug zurückzunehmen. Während in der Debatte aus der SPD-Fraktion Unterstützung vor den Oppositionsvorstoß kam, verteidigte die Unionsfraktion die geltende Regelung.
Gesetzentwurf der Grünen
Wie die Grünen in ihrer Vorlage schreiben, wurde mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren („Asylpaket II“) „eine zweijährige Wartefrist für Menschen, denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lediglich subsidiären Schutz gewährt und nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, für die Antragstellung zum Familiennachzug eingeführt“.
Die Zahl der Betroffenen steige seit Inkrafttreten des Asylpakets II stark an und führe somit „zu unerträglichen humanitären Härten durch die lange Zeit der Trennung von Familien“.
Antrag der Linken
Die Linke kritisiert in ihrem Antrag, diese Trennung von Familien über Jahre hinweg sei „unmenschlich und menschenrechtswidrig“. Im Gesetzgebungsverfahren zum Asylpaket II sei der Eindruck erweckt worden, die „Aussetzung des Familiennachzugs würde nur wenige Personen betreffen“, schreibt die Fraktion weiter.
Mit dem Tag des Inkrafttretens der Neuregelung sei indes die Entscheidungspraxis im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geändert worden. Seitdem stiegen „der Anteil und die Zahl subsidiären Schutzes massiv an, obwohl sich an der Lage in den jeweiligen Herkunftsländern nichts Grundlegendes geändert hat beziehungsweise sogar eher eine Verschlechterung festzustellen ist“.
Grüne: Flüchtlinge müssen Familie herholen können
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte in der Debatte, die Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz, bei denen es sich vor allem um Syrer handele, müssten „endlich wieder ihre Familien nach Deutschland holen können“. Die Koalitionsparteien hielten „immer den Schutz und den Wert der Familie“ hoch, doch könne sie nicht verstehen, „wieso das eigentlich nur für manche Familien gelten soll“.
Die Kinder und Mütter, die heute etwa in Aleppo seien, müssten die Chance haben, dass ihre Familien zusammenleben. „Die Kapazitäten haben wir, die Möglichkeiten haben wir“, betonte Göring-Eckardt.
CDU/CSU: Erst einmal denen helfen, die hier sind
Die CDU-Abgeordnete Barbara Woltmann verwies dagegen darauf, dass bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge „der fehlende Wohnraum in vielen Kommunen“ eine entscheidende Rolle spiele. Man müsse darauf achten, „dass weder die Menschen noch die Kapazitäten in unserem Land überfordert werden“, und „erst einmal denen helfen, die hier sind“.
Um eine Überforderung der Kommunen zu verhindern, „war und ist eine Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige erforderlich“. Daher lehne ihre Fraktion es ab, die „erst vor einem halben Jahr mit gutem Grund eingeführte Wartefrist für den Familiennachzug zurückzunehmen“.
Linke will Genfer Flüchtlingsstatus für Kriegsflüchtlinge
Für Die Linke entgegnete ihre Parlamentarierin Ulla Jelpke, es solle nicht so getan werden, als wenn es nicht möglich wäre, die betroffenen Familien in Deutschland aufzunehmen. „Wenn man politisch will, ist es auch möglich“, betonte Jelpke.
Die syrischen Flüchtlinge könnten wahrscheinlich auf Jahre hinaus nicht in ihre Heimat zurück. Es sei unerträglich, dass Familien auseinandergerissen und menschliche Tragödien verschärft würden, klagte sie und forderte, Kriegsflüchtlinge müssten wieder im Regelfall den Genfer Flüchtlingsstatus erhalten.
SPD: Nicht akzeptables Ergebnis in der Zukunft vermeiden
Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Veit sagte, in der Sache hätten die beiden Oppositionsfraktionen mit ihren Vorlagen Recht. Bei der Verabschiedung des Asylpaketes II mit der Beschränkung des Familiennachzugs seien alle Beteiligten davon ausgegangen, „dass es sich dabei nur um einen kleinen Prozentsatz derjenigen handeln würde, die als Flüchtlinge aus Syrien zu uns kommen“.
Tatsächlich aber habe man im laufenden Jahr mehr als 75.000 Fälle von subsidiärem Schutz. Das seien mehr als 70 Prozent „aller Menschen, die auf der Suche nach Schutz aus Syrien zu uns gekommen sind“. Wenn es nicht gelinge, mit der Union zu Lösungen zu kommen, die dieses „nicht akzeptable Ergebnis in der Zukunft vermeidet“, werde er daher in seiner Fraktion für eine Zustimmung zu den Oppositionsvorlagen werben. (sto/10.11.2016)