Mehr Videoüberwachung soll zu mehr Sicherheit beitragen
Mit einer Ausweitung der Videoüberwachung soll nach dem Willen der Bundesregierung das Sicherheitsniveau in Deutschland gestärkt werden. Dies geht aus dem Regierungsentwurf eines „Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes“ (18/10941) hervor, über das der Bundestag am Freitag, 27. Januar 2017, erstmals debattierte. Gleichfalls in erster Lesung berieten die Abgeordneten über einen weiteren Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik“ (18/10939).
„Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit“
Das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ sieht Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes vor mit dem Ziel, beim Einsatz von Videoüberwachung in Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen wie Sportstätten oder Einkaufszentren festzuschreiben, „dass der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als besonders wichtiges Interesse gilt“.
Diese Wertung soll bei der Abwägung über den Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sein, wie die Bundesregierung erläutert.
Automatische Kennzeichenlesesysteme
Ziel des zweiten Gesetzentwurfs ist es, mit der Änderung des Bundespolizeigesetzes „eine Stärkung der polizeilichen Befugnisse zum Einsatz von technischen Mitteln“ zu erreichen. So soll die Bundespolizei eine Befugnis zum Einsatz von automatischen Kennzeichenlesesystemen erhalten, um bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit die Fahndung nach Fahrzeugen und deren Insassen sowie die Strafverfolgung zu verbessern.
Ferner ist unter anderem vorgesehen, durch den Einsatz mobiler Videotechnik eine Verbesserung des Schutzes von Polizeibeamten sowie der „Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung“ zu erreichen.
Minister: Kein Allheimittel, aber auch kein Dämon
In der Debatte betonte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU), Videotechnik sei kein Allheilmittel, „aber auch kein Dämon“. Die Kameras leisteten einen entscheidenden Beitrag zu mehr Sicherheit. „Sie helfen, Straftäter zu identifizieren, festzunehmen und zu bestrafen“, unterstrich der Ressortchef. Auch verhinderten sie Straftaten. Zwar könnten sie „nicht global gegen jede Form von Kriminalität helfen“, insbesondere, wenn Täter im Affekt handeln oder es ihnen auf eine breite Öffentlichkeit ankommt. Aber „deliktspezifisch differenziert“ verhindere auch Videoüberwachung Straftaten.
Als „große Hilfe bei der polizeilichen Arbeit“ wertete de Maizière die geplanten neuen Befugnisse für die Bundespolizei zum Einsatz sogenannter Bodycams und zur Nutzung von automatischen Kennzeichen-Lesesystemen. Dass man jetzt auch den Bundespolizisten Kameras gebe, die ihre Arbeit aufzeichnen, habe auch mit den zunehmenden Angriffen auf die Polizeibeamten zu tun. Durch ihre Ausstattung mit Bodycams schrecke man Gewalttäter vor Exzessen ab oder dokumentiere sie zumindest. Auch könne die Rechtmäßigkeit des Handelns der Polizisten besser thematisiert werden.
Linke: Mehr Überwachung, nicht mehr Sicherheit
Für Die Linke sagte ihr Abgeordneter Frank Tempel, Bodycams könnten ein nützliches Hilfsmittel sein. Man brauche aber „klare Regelungen, was und wann aufgezeichnet werden darf und muss“. Auch fänden sich im Gesetzentwurf „keine Regelungen zur Manipulationssicherheit relevanter Aufzeichnungen“, keine Datenschutzbestimmungen sowie keine Regelungen etwa zu den Zugriffsrechten und den Beschäftigtenrechten. Hier müsse nachgearbeitet werden.
Tempels Fraktionskollegin Martina Renner wandte sich gegen die vorgesehene Ausweitung der Videoüberwachung. Es gehe hier nicht um die Überwachung von Kriminalitätsschwerpunkten, sondern darum, Videoüberwachung flächendeckend einzuführen. Der Gesetzentwurf bedeute „ein Mehr an Überwachung, aber nicht ein Mehr an Sicherheit“.
Grüne: Sicherheitspolitik ins Blaue hinein
Die Grünen-Parlamentarierin Irene Mihalic kritisierte die Regierungsvorschläge als „Sicherheitspolitik ins Blaue hinein“. So sollten Privatleute mehr Kameras aufhängen und länger Bildmaterial speichern, doch könnten private Stellen im Falle eines Falles gar nicht eingreifen. Man schaffe lediglich „gewaltige Datenberge“, deren Auswertung womöglich wochenlang dauere.
Gleiches gelte für die automatische Kennzeichenerfassung. Bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben könne die Kennzeichenfahndung an der Grenze „nicht die Antwort auf die aktuelle Sicherheitslage sein“. Dagegen gebe es „gute Gründe“ für den vorgesehenen Einsatz von Bodycams. Allerdings müsse beim Datenschutz noch nachgearbeitet werden.
SPD: Gute Erfahrungen bei Pilotprojekten
Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch verwies darauf, dass man bereits gute Erfahrungen bei Pilotprojekten gemacht habe, die die deeskalierende und präventive Wirkung von Bodycams belegt hätten.
Grötsch betonte, wer Polizisten, Rettungsärzte oder Feuerwehrleute angreife, „greift den Staat an“. Dagegen gehe man mit der erforderlichen Härte vor. Zur automatischen Kfz-Kennzeichenerfassung sagte er, dass diese anlassbezogen erfolgen solle, also „nicht flächendeckend, sondern bei bestimmten Gefahrensituationen“.
CDU/CSU: Notwenig, maßvoll, verhältnismäßig
Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer bewertete beide Gesetzentwürfe als sachlich notwendig, maßvoll und verhältnismäßig. Sie stellten einen weiteren „wesentlichen Schritt zur Verbesserung der Sicherheit in Deutschland“ dar.
Eine „moderate, maßvolle Ausweitung der Videoüberwachung, die bei weitem nicht der eines Überwachungsstaates entspricht“, stärke sowohl die präventive Arbeit der Sicherheitsbehörden und erleichtere die Verfolgung von Straftaten. (sto/27.01.2017)