Die Bundesregierung unterbindet Gewinnverlagerungen und schränkt die steuerliche Abzugsmöglichkeit für Lizenzaufwendungen ein. Die Abgeordneten haben am Donnerstag, 27. April 2017, mit breiter Mehrheit bei Enthaltung der Fraktion Die Linke einen Gesetzentwurf gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen (18/11233, 18/11531, 18/11683 Nr. 8) in der Ausschussfassung angenommen. Ebenfalls in der Ausschussfassung bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen und Zustimmung der Koalition angenommen wurde ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (18/11132, 18/11184), mit dem die Bundesregierung, Konsequenzen aus den im Frühjahr 2016 bekannt gewordenen „Panama Papers“ zieht und gezielter gegen Steuerbetrug über Briefkastenfirmen vorgehen will.
Zur Abstimmung lagen ferner Stellungnahmen des Bundesrates und die Gegenäußerungen der Bundesregierung (18/11531, 18/11184) als Unterrichtung sowie Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses (18/12128, 18/12127) vor. Zum Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken haben außerdem die Grünen einen Änderungsantrag (18/12148) vorgelegt, der keine Mehrheit fand. Darin hatte die Fraktion gefordert, dass geringwertige Wirtschaftsgüter künftig bis zur Höhe von 1.000 Euro sofort abgeschrieben werden können. Derzeit liegt die Grenze bei 410 Euro.
Anträge der Opposition abgelehnt
Abschließend beraten und mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt wurden auch ein Antrag der Linken (18/8132) bei Enthaltung der Grünen, der wirksame Maßnahmen gegen illegale Finanzbeziehungen forderte, sowie ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (18/2877, 18/12127) bei Zustimmung der Linksfraktion, der die Einrichtung einer einheitlichen Bundessteuerverwaltung verlangte.
Damit dürfte Steuerhinterziehung durch Nutzung von Briefkastenfirmen in fernen Ländern und durch überhöhte Lizenzgebühren im Ausland in Zukunft kaum noch oder gar nicht mehr möglich sein. Nach der Aufsehen erregenden Veröffentlichung der „Panama Papers“ über das gigantische Ausmaß von Steuersparkonstrukten mit Briefkastenfirmen in dem mittelamerikanischen Land zog der Deutsche Bundestag die Konsequenzen.
CDU/CSU würdigt Effizienz des Informationsaustauschs
Die Koalition habe bereits eine ganze Serie von Gesetzen gegen Steuerhinterziehung beschlossen, erinnerte Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) und hob besonders hervor, dass über 100 Staaten inzwischen dem Abkommen über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen beigetreten seien. „In Zukunft wird es nicht mehr möglich sein, dass ein deutscher Steuerbürger ein Auslandskonto eröffnet und wir in Deutschland nichts davon erfahren“, freute sich Middelberg.
Steuerfälle wie Uli Hoeness oder Alice Schwarzer seien in Zukunft nicht mehr möglich. Das Abkommen zum Informationsaustausch sei das bisher „effizienteste Vorgehen“ gegen den internationalen Steuerbetrug. Auch gegen Absprachen in Steuersachen (zum Beispiel „Lux Leaks“) seien in Zukunft nicht mehr möglich.
Linke rügt „Straferlass für bisherige Steuersünder“
Für die Opposition haben die Maßnahmen dagegen noch klare Schwächen. Die Bundesregierung habe zu spät reagiert und regelrecht zum Jagen getragen werden müssen, kritisierte Susanna Karawanskij (Die Linke). Die Anzeigepflicht über Geschäftsbeziehungen in Nicht-EU-Staaten greife erst für ab 2017 verwirklichte Sachverhalte. Die Koalition schaffe damit einen „Straferlass für bisherige Steuersünder, und das ist mit uns Linken nicht zu machen“.
Bußgeldrahmen von 25.000 und 50.000 Euro würden Milliardäre nicht beeindrucken. Die Regelung zu Lizenzgebühren werde kaum etwas bewirken, weil die Koalition den „Tricksern und Täuschern“ viel zu viel Spielraum lasse. Die Linke fordere eine Bundessteuerpolizei, die der „Steueroasen-Mafia“ entgegentreten könne.
Grüne: Malta und Zypern werden nicht erfasst
Dr. Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, mit den Maßnahmen gegen Lizenzboxen habe die Koalition eine alte Forderung seiner Fraktion aufgegriffen. Es sei sehr wichtig, dass diese Maßnahmen ergriffen würden.
Wie Susanna Karawanskij kritisierte auch Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), dass die Meldepflichten nur für Briefkastenfirmen außerhalb EU gelten und damit Malta und Zypern nicht erfasst würden. Außerdem gelte die Meldepflicht nur für Banken und nicht für andere Firmen, die ebenfalls Briefkastenfirmen vermitteln würden. So könnten die Steuersümpfe nicht trockengelegt werden.
SPD fordert Allianz gegen große globalisierte Konzerne
Carsten Schneider (SPD) sagte, der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuerumgehung sei noch lange nicht zu Ende. Zugleich warnte er vor einem Steuerdumping durch Briten und Amerikaner wegen des Brexits und den angekündigten Steuersenkungen in den USA. „Wir brauchen eine Allianz der Völker gegen große globalisierte Konzerne“, forderte der SPD-Politiker. Es dürfe nicht dazu kommen, dass große Konzerne ihre Steuerschuld loswerden und nur noch die kleinen Leute zahlen würden.
Schneider und auch Lothar Binding (SPD) ließen Kritik am Koalitionspartner durchblicken. Binding sprach sogar von einem „Desaster“, dass wichtige Maßnahmen wie die Registrierkassenpflicht immer noch nicht umgesetzt worden seien.
Regierung: Keine falschen Erwartungen schüren
Für Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) ist der Kampf gegen Steuerhinterziehung und exzessive Steuervermeidung ein „immerwährender Kampf“, der auch ungeheuer mühsam sei. Man dürfe keine falsche Erwartungen schüren, „weil man dann hinter der Komplexität der Wirklichkeit zurückbleibt, und das ist dann der Nährboden für die Demagogen“, warnte der Minister.
Zu den ganz großen Herausforderungen gehört für Schäuble neben der praktischen Umsetzung des automatischen Informationsaustauschs mit anderen Staaten die Besteuerung international tätiger digitaler Unternehmen.
Gesetz gegen Steuerumgehung
Mit dem Gesetz sollen Steuerumgehungsmöglichkeiten mittels der Gründung und Nutzung von Briefkastenfirmen verhindert werden. Durch zusätzliche Auskunfts- und Informationspflichten sollen die Möglichkeiten der Finanzbehörden zur Feststellung von im Ausland angesiedelten Domizilgesellschaften (wie Briefkastenfirmen auch genannt werden) verbessert werden.
Durch die Herstellung von mehr Transparenz durch Anzeigepflichten von Unternehmen und Finanzinstituten über bestimmte Beteiligungen und Geschäftsbeziehungen werde aufgrund des Entdeckungsrisikos eine präventive Wirkung eintreten, erwartet die Regierung. Die Regelung betrifft nicht nur Domizilgesellschaften ohne Geschäftsbetrieb, sondern soll für alle „Drittstaat-Gesellschaften“ gelten.
Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken
Das Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen sieht zur Unterbindung von Gewinnverlagerungen eine Einschränkung der steuerlichen Abzugsmöglichkeit für Lizenzaufwendungen vor. Dazu heißt es, immaterielle Wirtschaftsgüter wie Patente, Lizenzen, Konzessionen oder Markenrechte würden sich besonders einfach über Staatsgrenzen hinweg übertragen lassen.
Dies habe in der Vergangenheit zu einem Steuerwettbewerb zwischen Staaten (zum Beispiel mit „Lizenzboxen“) geführt. „Multinationale Konzerne können diese Präferenzregime zur Gewinnverlagerung nutzen“, argumentierte die Bundesregierung und forderte: „Steuern sollen jedoch dem Staat zustehen, in dem die der Wertschöpfung zugrundeliegende Aktivität stattfindet, und nicht dem Staat, der den höchsten Steuerrabatt bietet.“
Rückwirkende Zahlung von Kindergeld eingeschränkt
Die beschlossenen Gesetzentwürfe enthalten noch weitere steuerliche Maßnahmen. So soll Kindergeld in Zukunft nicht mehr für mehrere Jahre rückwirkend gezahlt werden können. Der Finanzausschuss hatte einen entsprechenden Passus in den Gesetzentwurf eingefügt.
Abweichend von der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren nach Paragraf 169 der Abgabenordnung sieht die Neuregelung vor, dass Kindergeld nur noch sechs Monate rückwirkend ausgezahlt werden kann. Das Kindergeld soll im laufenden Kalenderjahr die steuerliche Freistellung des Existenzminimums sicherstellen. Hierfür sei eine mehrjährige Rückwirkung nicht erforderlich, da Anträge auf Kindergeld „regelmäßig zeitnah“ gestellt würden.
Sofortabschreibung auf 800 Euro angehoben
Zudem wird die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter erhöht, besonders den Mittelstand entlasten soll. gewürdigt. Diese Sofortabschreibung wird von bisher 410 Euro auf 800 Euro angehoben. Angewendet werden sollen die neuen Wertgrenzen auf nach dem 31. Dezember 2017 angeschaffte Wirtschaftsgüter. Die öffentlichen Haushalte dürften mit etwa 935 Millionen Euro pro Jahr belastet werden.
Die Steuerfreiheit von Wagniskapitalzuschüssen für junge Unternehmen wird ausgeweitet. Die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen wird gesetzlich festgelegt. Außerdem wird das bisher in Paragraf 30a der Abgabenordnung (AO) geregelte steuerliche Bankgeheimnis aufgehoben. Damit wird den Finanzbehörden ermöglicht, künftig ohne die bisherigen Einschränkungen Auskunftsersuchen an Finanzinstitute zu richten. (sas/27.04.2017)