Die Fraktion Die Linke ist mit ihrer Forderung nach einer „neuen Ostpolitik Deutschlands“ und einem Ende der EU-Sanktionen gegen Russland gescheitert. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen lehnten am Donnerstag, 27. April 2017, einen entsprechenden Antrag (18/11167) auf Empfehlung des Auswärtigen Ausschusses (18/11671) ab. Die Linke hatte darin unter anderem die „Eiszeit“ in den deutsch-russischen Beziehungen beklagt und eine Politik der Sanktionen und der Gesprächseinschränkungen für gescheitert erklärt. Eine Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland und zwischen der EU und Russland sei unverzichtbar, schrieben die Abgeordneten.
SPD: Was ist denn falsch in Helsinki und Paris?
Dr. h.c. Gernot Erler (SPD) kritisierte, dass die Linksfraktion die Ostpolitik auf das Verhältnis zu Russland verenge, so als hätte es den Prager Vertrag und den Warschauer Vertrag in der Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr in den 1970er-Jahren nie gegeben. Überdies wolle die Linksfraktion Meilensteine wie den Helsinki-Prozess und die Charta von Paris einer Revision unterziehen: „Was ist denn falsch in Helsinki und Paris?“ fragte Erler.
Die dort ausgehandelten gemeinsamen Regeln für den europäischen Kontinent – Garantie der Grenzen, Achtung der Souveränität, das Verbot von Aggression, die Einhaltung der Menschenrechte – „nichts davon ist falsch, nichts davon wäre nicht mehr zeitgemäß“.
Linke: Sprachlosigkeit überwinden
Wolfgang Gehrcke (Die Linke) warb dafür, „endlich die Sprachlosigkeit zu überwinden“. Doch das funktioniere nicht, wenn etwa Teile des Hauses gemeinsame Ausschussgespräche von Duma und Bundestag blockieren würden. „Ihr schweigt euch aus und setzt auf Sanktionen und glaubt, dass Sanktionen die Dinge verändern würden.“
Gehrcke fragte, was eigentlich dagegen sprechen würde, auf bestimmte Waffensysteme zu verzichten, abzurüsten und eine Debatte über atomwaffenfreie Zone wieder aufzunehmen. Auf einer solchen Basis sei es denkbar, besser mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen und letztlich zur Lösung der Fragen der Krim-Annexion und des Ostukrainekonfliktes.
CDU/CSU: Westliches Verteidigungsbündnis stärken
Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) warf ihrem Vorredner vor, Russland als Opfer westlicher Expansionspolitik darzustellen. „Sie sollten nicht die Verlässlichkeit und den Kooperationswillen des Westens anmahnen, sondern die Verlässlichkeit und den Kooperationswillen Russlands einfordern.“ Russische Soldaten hätten in der Ukraine „nichts, aber auch gar nichts zu suchen“.
Russland habe mit dem Minsker Abkommen den Schlüssel für ein Ende der Sanktionen selbst in der Hand. Motschmann sprach sich zudem für eine Stärkung des westlichen Verteidigungsbündnisses aus. Die Länder des Baltikums und Polen „wären ja entsetzt, wenn wir Ende der Nato einläuten würden“. Das habe mit deren „bitteren historischen Erfahrung“ mit Russland und der Sowjetunion zu tun.
Grüne: Russland hat europäische Friedensordnung infrage gestellt
Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) unterstellte dem Antrag der Linksfraktion eine „gefährliche Nähe zu Marine Le Pen und Frauke Petry“, und dies könne nicht Maßstab einer „neuen Ostpolitik“ sein. Russland habe mit der Annexion der Krim und der Besetzung im Donbass die europäische Friedensordnung infrage gestellt, „wenn nicht sogar zerstört“.
Es sei eine „Propagandafigur“, wenn die Linksfraktion von „Sprachlosigkeit“ rede: Es gebe auf vielen Ebenen einen beständigen Austausch mit Russland. Das Problem sei aber, dass die russischen Duma-Kollegen sich weigerten, in eine ernsthafte Auseinandersetzung zu treten – mit Abgeordneten des Bundestages genauso wie in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. (ahe/27.04.2017)