Grüne ernten Widerspruch mit Anträgen zur Unternehmensverantwortung
Auf Widerspruch stießen in der Plenardebatte am Donnerstag, 26. Januar 2017, zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, deutsche Unternehmen zu gesellschaftlich verantwortlichem Handeln überall auf der Welt zu verpflichten und Rechtsverstöße zu bestrafen. Zwar fand das Ziel weithin Zustimmung, nicht aber die vorgeschlagenen Maßnahmen, um es zu erreichen.
Grüne wollen Strafen für Unternehmen
Im Antrag „Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Wirksame Sanktionen bei Rechtsverstößen von Unternehmen“ (18/10038) wird die Einführung schmerzhafter Strafen für Unternehmen gefordert, die gegen Gesetze verstoßen. Solche Rechtsverstöße könnten schwerwiegende Folgen haben, heißt es darin unter Verweis auf Skandale von Firmen „wie VW, Siemens, KiK oder Rheinmetall“. Nach dem deutschen Individualstrafrecht könnten aber nur konkrete Personen zur Rechenschaft gezogen werden. Künftig solle es auch Sanktionen gegen das Unternehmen als solches geben.
Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) begründete dies damit, dass derzeit Unternehmen, die gegen Gesetze, Umwelt- und Sozialstandards verstießen, „den Wettbewerb verzerren und damit den gesetzestreuen Unternehmen schaden“. Allerdings wolle ihre Fraktion nicht Normen des Strafgesetzbuches, das auf die individuelle Schuld eines Menschen ausgerichtet sei, auf juristische Personen übertragen. Denn damit verbunden seien Schutzrechte und das Recht, sich nicht selbst zu belasten, und dies würde die Aufklärung von Rechtsverstößen in Unternehmen erschweren.
Ermittlungspflicht für Behörden
Ihr Weg sei eine Verschärfung des Ordnungswidrigkeitenrechts, erklärte Keul. Dazu gehöre eine Ermittlungspflicht der Behörden bei Hinweisen auf Verstößen wie im Strafrecht statt der jetzigen Ermessensentscheidung, also die Ersetzung des Opportunitätsprinzips durch das Legalitätsprinzip.
Zudem sollten im Gegensatz zum geltenden Ordnungswidrigkeitenrecht auch Verstöße in Ausland verfolgt werden. Die Höhe finanzieller Sanktionen solle erhöht und vom unrechtmäßig erlangten Gewinn abhängig gemacht werden. Neue Sanktionsformen wie der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie die Veröffentlichung verhängter Sanktionen sollten hinzukommen.
CDU/CSU: Gesetzessystematisch verfehlt
Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) stimmte Keul darin zu, dass „Regelverstöße sanktioniert werden müssen“. Ebenfalls sei er skeptisch gegenüber einem Unternehmensstrafrecht, denn nach dem Grundgesetz „setzt die Sanktionierung strafbaren Verhaltens individuelle Schuld voraus“. Allerdings teile er nicht die Einschätzung der Grünen, dass es derzeit zu wenige Sanktionstatbestände gibt.
Es gebe viele spezialgesetzliche Regelungen – und Luczak zählte eine lange Liste auf – mit spezifischen Verpflichtungen und Sanktionen je nach Tätigkeitsfeld eines Unternehmens. Dies alles in einem Gesetz regeln zu wollen, sei „gesetzessystematisch vollkommen verfehlt“.Über bestimmte Verschärfungen des Ordnungswidrigkeitenrechts könne man aber reden.
„Die Länder sind gefordert“
Sein Fraktionskollege Dr. Volker Ullrich ergänzte, eine Bestrafung von Unternehmen könne dazu führen, dass „Fließbandarbeiter oder Aktionäre mit ihrer Altersversorgung für das Fehlverhalten von Managern haften müssen“.
Sofern die Einschätzung der Grünen zutreffe, dass Rechtsverstöße von Unternehmen unzureichend verfolgt werden, brauche es vorrangig „ordentliche Kapazitäten bei Polizei und Staatsanwaltschaften“. Hier seien die Länder gefordert, in denen die Grünen vielfach mitregierten.
Lob und Tadel von der SPD
Weniger deutlich war die Ablehnung der Grünen-Vorschläge durch Dr. Johannes Fechner (SPD). Nicht zuletzt der VW-Skandal habe „vor Augen geführt, dass wir wirksamere Sanktionen brauchen“. Es sei im Sinne der großen Mehrzahl der Unternehmen, dass „der Ehrliche nicht der Dumme“ sei. Auch er sei für einen höheren Strafrahmen im Ordnungswidrigkeitenrecht und für eine Einschränkung des Opportunitätsprinzips, „sonst haben wir von Landgericht zu Landgericht unterschiedliche Sanktionen“.
Allerdings sei der Grünen-Antrag in Vielem zu unbestimmt, und er fordere Dinge, die sich bereits im Prozess der Gesetzgebung befänden, wie die strafrechtliche Vermögensabschöpfung. Richtung wiederum sei die Forderung nach Schutz für Whistleblower, sagte Fechner. Den wolle auch seine Fraktion, und er „bedauere sehr, dass diese Regelung von der Union verhindert wird“.
Grüne für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten
Die Fraktion Die Linke sprach in der Debatte ausschließlich zum zweiten Antrag der Grünen, „Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten im deutschen Recht verankern“ (18/10255). Dieser fordert die Verpflichtung von Firmen auf eine fortlaufende menschenrechtsbezogene Risikoanalyse, geeignete Präventionsmaßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und wirksame Abhilfemaßnahmen bei Menschenrechtsverstößen.
Außerdem soll die Bundesregierung die Klagemöglichkeiten für Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die von Unternehmen verursacht wurden, verbessern und kollektive Klagemöglichkeiten schaffen.
Linke: Regierung nimmt Verstöße in Kauf
Dazu sagte Niema Movassat (Die Linke), deutsche Unternehmen stünden nach einer Studie der Universität Maastricht weltweit auf Rang fünf bei der Zahl der Menschenrechtsverletzungen. „Die Bundesregierung setzte und setzt auf freiwillige Selbstverpflichtungen“, bemängelte Movassat, wo gesetzliche Festschreibungen nötig wären. Sie nehme damit in Kauf, dass „menschenrechtswidriges Verhalten ein Wettbewerbsvorteil“ für Unternehmen sein könne.
Die Vereinten Nationen hätten 2011 von den Mitgliedstaaten Maßnahmen gefordert, um Menschenrechtsverstöße in der ganzen Wertschöpfungskette von Unternehmen auszuschließen. Die deutsche Antwort sei ein Ende letzten Jahres verabschiedeter Nationaler Aktionsplan (NAP), der sein Papier kaum wert sei.
Er enthalte „nur Erwartungen, keine Verpflichtungen, keine Sanktionen“, klagte Movassat die Bundesregierung an. „Sie spielen zusammen mit der Wirtschaft auf Zeit, das ist eine Schande!“ SPD und Union ordneten „Die Durchsetzung von Menschenrechten den Profitinteressen deutscher Unternehmen unter“.
Union nimmt Regierung und Firmen in Schutz
Dagegen bestand Jürgen Klimke (CDU/CSU) darauf, dass mit dem NAP die erwähnte UN-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt sei. Auch das von der Bundesregierung initiierte Bündnis für nachhaltige Textilien nannte Klimke einen Erfolg. Zudem setze sich die Bundesregierung, erst in ihrer zurückliegenden G7-Präsidentschaft, jetzt in der G20-Präsidentschaft, für nachhaltige Wertschöpfungsketten ein.
Als Entwicklungspolitiker wisse er um die Bedeutung der Wirtschaft in diesem Bereich und bedauere einen gewissen Generalverdacht gegen deutsche Unternehmen im Antrag der Grünen.
Grüne: Regierung hat dem Druck der Lobby nachgegeben
Deren Redner Uwe Kekeritz bedauerte, dass der NAP „eine wunderbare Chance geboten hätte, starke Zeichen zu setzen“, die Bundesregierung aber dem „Druck der Lobby“ nachgegeben habe. „Für globale Lieferketten brauchen wir verbindliche Regeln, davon steht im NAP nichts.“
Zu den wichtigsten Forderungen im Antrag seiner Fraktion zählte Kekeritz, dass ausländischen Opfern von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit deutscher Unternehmen Klagemöglichkeiten vor deutschen Gerichten offenstehen müssten.
SPD: Man muss die Wirtschaft mitnehmen
Ähnlich wie die Opposition sprach sich Stefan Rebmann (SPD) für mehr Verbindlichkeit bei der Durchsetzung der Menschenrechte aus. Allerdings müsse man „die Wirtschaft mitnehmen“, und „genau das macht der NAP“. „Wenn ich die Wahl habe, mit kleinen Schritten voranzukommen oder mit der reinen Lehre unterzugehen, bin ich für kleine Schritte“, sagte Rebmann an die Grünen gerichtet.
Der Bundestag überwies die Anträge zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. Die Federführung für den Antrag zu Sanktionen für Unternehmen übertrug er dem Rechtsausschuss, die für den Antrag zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. (pst/26.01.2017)